„Drei, zwei, eins … auf geht’s!“, tönt es aus dem Lautsprecher. Unter Applaus, Gejubel, Hopp-, Hopp-, Hopp-Rufen und scheppernden Kuhglockengeläut traben 59 bunte Sportschuhpaare über den Steinboden des Foyers, vorbei an bodentiefen Glasfenstern, hinter denen draußen der Schnee rieselt. Sie passieren Sitzgruppen, verschlossene Bürotüren und vollgezettelte Pinnwände, um geradewegs Kurs auf die erste Herausforderung zu nehmen: das erste Treppenhaus – 140 Stufen hinauf in den siebten Stock.
Die sportlichen bunten Treter gehören zu den Teilnehmern des ersten Indoor-Treppenlaufs des Berufsförderungswerks in Kirchseeon, der hier in den Räumlichkeiten an der Moosacher Straße in Kooperation mit dem Towerrunning Germany-Cup stattfindet. Die Herausforderung: eine 490 Meter lange Runde mit Streckenabschnitten durch die Treppenhäuser hinauf bis in besagten siebten Stock, jedes Mal 140 Stufen hoch und wieder runter – mindestens die halbe Strecke besteht dabei aus Stufen, das ist Vorgabe von Towerrunning Germany. Das Ziel: In 30 Minuten (beim Hobbylauf) oder zwei Stunden (beim Hauptlauf) so viele Runden wie möglich zu rennen.

Auf diesen Wettkampf stürzen sich nicht nur Sportbegeisterte aus dem Landkreis, auch sechs Feuerwehrler aus Kirchseeon-Dorf stellen sich den Stufen – in voller 25-Kilo-Ausrüstung samt Atemschutzmaske und Gasflasche. Nicht aus Spaß an der Freude, sondern um der jährlich angeordneten Belastungsprüfung nachzukommen. Und so manch ein Teilnehmer ist sogar aus Köln oder Berlin angereist, um sich das Treppenspektakel nicht entgehen zu lassen. So wie Franz Maier aus der Hauptstadt, 62, Sportdirektor von Towerrunning Germany und überdies Weltrekordhalter im Outdoor-Treppenlauf. Er steht an einem Absperrband und feuert ein paar Teamkollegen während des Hobbylaufs an, die an ihm leichtfüßig vorbeijoggen. Der Lauf in Kirchseeon ist für ihn eine willkommene Ergänzung: „Es gibt nur wenige Läufe, die hoch- und runtergehen oder auch länger dauern.“
Mittlerweile sind die ersten 15 Minuten des Hobbylaufs geschafft. Einige haben bereits sechs Runden durchgehalten, andere joggen langsam der vierten Runde entgegen. Vielen ist im Gesicht die Anstrengung abzulesen – der Schweiß rinnt den Teilnehmern nur so die Stirn hinab. Und dann kündigt sich auf einmal Darth Vader durch sein keuchendes Geschnaufe an – ach ne, es sind doch nur die Feuerwehrleute, die gerade um die Ecke biegen.

Was einen guten Treppenläufer ausmacht, weiß Towerrunnig-Experte Franz Maier genau. „Wichtig ist, dass man sich von Anfang an klarmacht, wie lang die Sache geht. Ein gleichmäßiger, dosierter Krafteinsatz ist wichtig.“ Klingt logisch. Und weiter? „Meine Taktik: Auf der Treppe denke ich nur: Ich bin eine Maschine. Und die Treppen runter und im Flachen lauf ich ganz schnell.“ Na, wenn’s weiter nichts ist.
Da läuft auch schon die letzte Minute des Hobbylaufs – der ein oder andere gibt jetzt noch mal richtig Gas. Als erster Gewinner erreicht Matthias Gall das Ziel, oder korrekter formuliert: Er springt leichtfüßig ins Ziel. Sein Fazit: „Hätte ruhig noch länger gehen können.“ Eine kleine Aufwärmübung also für den Berliner, der zum Towerrunning-Team von Franz Maier gehört. Da kommt es ganz gelegen, dass er sich auch für den zweistündigen Hauptlauf angemeldet hat, der gleich starten soll.

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Bei Daniela Koller schaut das ein wenig anders aus. Die 17-jährige Gewinnerin bei den Hobbylauf-Damen ist eigentlich ganz froh, dass das Rennen vorbei ist. „Das einzig Coole war das Runterlaufen“, sagt sie nach der Siegerehrung, als sie sich eine Haarsträhne aus dem roten Gesicht klaubt und hinter das Ohr schiebt. „Die Treppen haben einfach nicht mehr aufgehört!“ Dass sie gewonnen ist, ist noch beeindruckender, wenn man weiß, dass sie sich gar nicht auf das Event vorbereitet hat – sie geht ohnehin zwei- bis dreimal die Woche im Schwimmverein zum Schwimmen und regelmäßig joggen.
Derweil macht sich Hobbylauf-Gewinner Matthias Gall mit Franz Maier und 35 weiteren Teilnehmern auf zum Hauptlauf – zwei ganze Stunden die Treppen rauf und runter. Da zieht sich so manch einer doch lieber nochmal einen Handschuh über. Ähem, Handschuh? Wird bei den Profis etwa auf den Händen gelaufen? Nein, ganz so verrückt sind die Treppenläufer dann auch wieder nicht. Trotzdem sind die Accessoires an den Händen fast ebenso wichtig wie sportliche Treter: Irgendwann werden selbst die Beine von geübten Läufern müde, da hilft es aufwärts, sich am Treppengeländer hochzuziehen – und das Risiko vor Stürzen sinkt auch. Und da geht’s auch schon los, wieder rennen die Läufer unter tosendem Beifall, Rufen und Glockengebimmel durch das Foyer in Richtung Treppenhaus.

In den nächsten zwei Stunden werden Hände der Zuschauer abgeklatscht, immerhin die werden nicht müde und feuern die Läufer unentwegt an. Immer wieder Schweiß und Wasserflecken vom Boden gewischt – nicht, dass noch einer ausrutscht.
Die letzten 30 Minuten brechen an. Jetzt sind nicht mehr nur verschwitzte Gesichter zu sehen, sondern vor allem angespannte, manchmal sogar schmerzverzerrte. Das Lachen ist den meisten vergangen. Ein Teilnehmer kriecht mehr als dass er läuft. Und dann ist es endlich geschafft! Sofort legt sich einer der Teilnehmer auf den Boden und lagert die Beine hoch – scheint wohl anstrengend gewesen zu sein, der Hauptlauf.
Siegerin und Sieger des Hauptlaufs haben eigentlich nicht viel Erfahrung im Treppenlauf
Matthias Gall, der Sieger beim Hobbylauf, ist als Zweiter durchs Ziel gelaufen. In Runde drei hat ihn Lucas Kempe überholt, ein Extrem-Hindernisläufer aus der Ecke Aschheim/Kirchheim – er war nicht mehr einzuholen und hat am Ende 44 Runden geschafft. „Es war eine super abwechslungsreiche Strecke und es hat viel Spaß gemacht“, ist sein Urteil, als er gerade einen wund gelaufenen Zeh abtastet und dann einen Finger begutachtet, den er sich am Treppengeländer verletzt hat. Es ist sein zweiter Treppenlauf gewesen – und bei seinem dritten wird er eines anders machen, das weiß er schon jetzt: „Dann habe ich auch einen Handschuh dabei.“
In Sachen aufwärts kennt sich die Gewinnerin beim Hauptlauf, Berglaufweltmeisterin Kerstin Esterlechner aus Eggstätt am Chiemsee, zwar aus. Doch wenn es um Stufen geht, eher weniger – es ist ihr allererster Treppenlauf gewesen, 36 Runden hat sie gemeistert. „Ein mega geniales Event“, sagt sie, „top organisiert und alle sind so nett hier.“ Da scheinen die Chancen auf eine Wiederholung des Events gar nicht so schlecht zu stehen.