Vielfältig bewegend:Göttlicher Lobgesang

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Beim Konzert in Kirchseeon entfesseln die heimischen "Surprise of Voices" und der "Gospelchor St. Lukas" aus München die Kraft froher Botschaften

Von Ulrich Pfaffenberger

"Und David tanzte mit aller Macht vor dem Herrn...", heißt es im zweiten Buch Samuel. Womit der musikalisch bewegte Gottesdienst keine Erscheinung der Moderne ist, sondern sich auf ein alttestamentarisches Vorbild berufen kann. Als Ausdruck der göttlichen Gaben Kreativität und Beweglichkeit ist er zudem Ausdruck der individuellen Freiheit - ein Geschenk, das die Sklaven in Nordamerika einst zum Anlass nahmen, wenigstens in diesen wenigen Stunden ihre Fesseln abzustreifen und ihre Hoffnung auf Erlösung zu leben. Ihr Gesang war erfüllt von "guten Erzählungen", "good spells" auf Englisch und "evangelion" auf Griechisch. Weshalb bis heute Gospelchöre privilegiert sind, Freude ins Gotteshaus zu tragen.

Am Sonntag war die Josephskirche in Kirchseeon gleich von doppelter Freude erfüllt, kamen doch dort der heimische Gospelchor Surprise of Voices und jener aus Sankt Lukas in München zu einem "Begegnungskonzert" zusammen. Dass die Gäste in einer anderen Liga singen, weil sie schon viel länger als Ensemble verbunden und quer durch den Chor auch stärker besetzt sind, tat dem Hörvergnügen dabei keinen Abbruch: Die Kirchseeoner haben sich schließlich in der jüngsten Zeit unter der Leitung von Philipp Weiß beachtlich weiterentwickelt und ihr Profil geschärft. Weshalb man den Unterschied zu den Gästen zwar wahrnimmt - aber er fällt nicht groß auf.

Ein Altarraum voller Stimmen: "Surprise of Voices" und der "Gospelchor Sankt Lukas" beim "Begegnungskonzert" in Kirchseeon. (Foto: Ulrich Pfaffenberger)

So überzeugten Surprise of Voices, die im ersten Teil des Konzerts auftraten, mit jenen Titeln, deren Vorbilder und Grundlagen sich in der Pop- und Rock-Musik finden. Mit geschickten Arrangements arbeiteten sie deren Elemente aus der Gospel- und Folkmusik heraus, fast schon im Stil einer Rückkehr zu den Wurzeln. Das geschah mit großer Zuneigung und einem feinen Verständnis für die Kraft der stillen und nachdenklichen Passagen der Melodien. Bob Dylans "The times they are achanging" erwies sich dabei der lebensbejahenden inneren Stimmung des Chores als ebenso nahe wie das sehr akzentuiert interpretierte "Under Pressure" nach dem Original von Queen. Wie die Probleme des Alltags mit der Kraft des Glaubens zu bewältigen sind, wenn dieser von Musik getragen ist, war bei diesen Liedern nachhaltig spürbar. Glanzpunkt des Auftritts war, wie sich die Sängerinnen und Sänger einer anspruchsvollen Variante des Klassikers "Amazing Grace" annahmen und die darin enthaltenen Spielarten von Tempi und Dynamiken scheinbar mühelos meisterten: Denn so waren es nicht nur die vertrauten Töne, die das Publikum erreichten, sondern auch die befreienden Worte.

Das Gegenstück dazu war beim Auftritt des Chores aus Sankt Lukas eine Eigenkomposition, "Blessed", die die Seligpreisungen der Bergpredigt besingt. Wie in den anderen Stücken des Ensembles auch, waren darin Soli von bezwingender Kraft und Schönheit eingewoben, wobei Chorleiter Bastian Pusch offenbar aus einem sehr gut bestückten Reservoir an Sängerinnen und Sängern schöpfen kann. Die Arrangements der Lieder fanden ihren Ausdruck in begleitenden, durchdachten Choreografien, lebendigen Illustrationen zu den frohen Botschaften: Der Gedanke an Menschen, die aus innerer Freude ihre Zwänge abstreifen und dies mit ihrer Stimme wie in Bewegungen ausdrücken, drängte sich auf. Gäbe es in Sankt Joseph große Altäre mit Heiligenfiguren, hätten diese sich vermutlich auch nicht halten können. Wie am Sonntag "Ain't no mountain high" zu hören war, das "Come together" gleich zu Beginn des Auftritts oder das von einer Ruanda-Reise mitgebrachte "Byinira" - das war höchstes Gospelniveau.

In Musik und Bewegung äußerst lebendig agieren die Mitglieder des bekannten Gospelchors aus München. (Foto: Ulrich Pfaffenberger)

Mit zwei gemeinsamen Liedern, "Spirit of God" und "This is the air I breath", vereinten sich die Chöre sowohl was die Stimmen, als auch was die Wirkung auf die Zuhörer angeht. Die Einladung zum Mitsingen ließ keiner aus, dem Impuls aufzustehen und die inneren Bewegung nach außen zu kehren, nur wenige. Kein Wunder: Bis auf den letzten Platz war die Kirche mit einem Publikum voller Vorfreude gefüllt. Da konnte es nicht ausbleiben, dass die Begeisterung ansteckte, die von den gesungenen Frohbotschaften ausging. Auch wenn der Hausherr, Pater Georg Menachery, zu Beginn gebeten hatte, sich des Unterschieds zwischen Gotteshaus und Konzertsaal bewusst zu sein und nicht nach jedem Titel zu klatschen: Es hätte schon übermenschlicher Kräfte bedurft, um diesen Wunsch zu erfüllen. Schließlich erreicht die "Bewegung", die Gospels seit jeher auslösen, nicht nur die Seele, sondern auch den Körper, macht das Mitklatschen zum Teil des typischen Klangs. In den Ambo der Kirche sind die Buchstaben "Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott. Gott war das Wort" eingraviert. Wir dürfen in gutem Glauben davon ausgehen, dass der Herr während der Schöpfung ein Lied auf den Lippen hatte. Eine gute Nachricht, jeden Jubel wert.

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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