Süddeutsche Zeitung

Kirchseeon:Schwerer Start

Der Gemeinde brechen fast die Hälfte der Gewerbesteuereinnahmen weg

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Für den neu gewählten Kirchseeoner Marktgemeinderat hat am Dienstagabend mit seiner zweiten Sitzung der harte lokalpolitische Alltag begonnen. Dass der Start aber dermaßen unangenehm werden wird, hatten sich wohl die wenigsten Mitglieder träumen lassen, als sie sich vor einigen Monaten auf die Wahllisten ihrer Parteien setzen ließen. Gleich der erste zu behandelnde Tagesordnungspunkt nämlich sah einen Bericht zur aktuellen Haushaltslage des Marktes vor - und die darin enthaltenen Zahlen sind nicht gerade die beste Basis für einen guten Auftakt in die neue Wahlperiode.

Dass finanziell harte Zeiten auf Kirchseeon zukommen werden, hatte Ex-Bürgermeister Udo Ockel (CSU) in einer seiner letzten Sitzungen Ende März bereits gemutmaßt. Besonders in den Bereichen Gewerbe- und Einkommenssteuer würden deutliche Einbußen drohen, bereits jetzt gingen viele Stundungsanträge bei der Verwaltung ein, sagte Ockel damals. Nun gibt es dazu erstmals konkrete Zahlen. Wie Kämmerin Christiane Prosser am Dienstag in der Sitzung sagte, habe man vor allem im Bereich der Gewerbesteuer erhebliche Einbrüche zu verkraften. Die zu erwartende Summe würde demnach etwa 40 Prozent unter dem Haushaltsansatz liegen, was der Kämmerin zufolge rund 850 000 Euro entspreche. "Das ist wahnsinnig hoch. Damit dürften wir zu den am härtesten betroffenen Kommunen in ganz Bayern gehören", so Prosser.

Die Hoffnung der Kämmerin ist nun, dass der Einbruch in Sachen Einkommenssteuer dafür geringer ausfallen wird. Und tatsächlich gehen erste Schätzungen von einem Wert um elf Prozent unter der im Haushalt angepeilten Summe aus, was umgerechnet etwa 900 000 Euro bedeuten würde. Genaue Zahlen für das zweite Quartal des Jahres lägen Prosser zufolge aber erst Mitte Juli vor.

Auch wenn die Summen ein zusätzliches Loch in die ohnehin nicht übermäßig gut gefüllte Gemeindekasse reißen, hätte es Kirchseeon laut Prosser auch noch deutlich schlimmer treffen können. "Die Liquidität ist für die nächsten Monate ausreichend und nicht gefährdet", so die Kämmerin, ein Nachtragshaushalt sei deshalb wohl nicht erforderlich. Das fehlende Geld durch die Einbrüche bei Gewerbe- und Einkommenssteuer soll vor allem durch nicht benötigte Mittel getilgt werden, was im Klartext heißt: Nicht unbedingt erforderliche Baumaßnahmen werden bis auf Weiteres verschoben. Eine Liste mit entsprechenden Vorhaben habe die Verwaltung bereits erarbeitet, Thomas Kroll (SPD) forderte aber, dass auch der Gemeinderat dabei ein Mitspracherecht habe.

Aus den Reihen der Grünen Liste kam die Frage auf, ob Kirchseeon denn Aussicht auf staatliche Unterstützung habe. Das, so Prosser, sei nicht der Fall. Staatshilfen gebe es derzeit nur für Kommunen, die akute Liquiditätsprobleme haben. Das aber treffe auf die Marktgemeinde nicht zu. Und so wird man in Kirchseeon zunächst schauen müssen, wie man alleine mit der neuen Situation klar kommt. Laut Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) werde man dazu in nächster Zeit einiges an Kreativität aufbringen müssen. Auf jeden Fall werde man nun umso mehr die Ausgaben im Blick behalten.

Auf eine davon machte Thomas Kroll bereits während der Sitzung aufmerksam: Der SPD-Gemeinderat wollte wissen, ob es die Möglichkeit gebe, bei der Kinderbetreuung Einsparungen vorzunehmen - immerhin sei das ein sehr kostspieliger Bereich. Bürgermeister Paeplow zufolge habe man diesbezüglich bereits mit den Trägern der Einrichtungen gesprochen. Mit dem Ergebnis, dass diese - dort, wo es möglich ist - Kurzarbeit einführen wollen. Und auch für die Rathausverwaltung mache man sich über dieses Thema Gedanken.

Ebenfalls Gedanken hat man sich darüber gemacht, wie man den örtlichen Gastronomen in der Krise unter die Arme greifen könnte, denn diese würden laut Paeplow schlichtweg "ums nackte Überleben kämpfen". Der Gemeinderat hat deshalb am Dienstag beschlossen, den Wirten für das laufende Jahr die Gebühren für die Außengastronomie zu erlassen. Bisher waren dafür 75 Cent pro Quadratmeter im Monat fällig, die Gemeinde verzichtet damit insgesamt auf knapp 2000 Euro. Außerdem stellte Paeplow den Gastronomen in Aussicht, ihren Außenbereich bei Bedarf erweitern zu können, man werde entsprechende Anträge jedenfalls mit viel Wohlwollen prüfen.

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SZ vom 04.06.2020
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