Süddeutsche Zeitung

Ortsentwicklung Kirchseeon:Entscheidung per Ratsbegehren

Neues Ortszentrum oder weiterhin Brachfläche? Die Kirchseeoner Bürger sollen noch in diesem Jahr darüber abstimmen, was mit dem ehemaligen Bahnschwellengelände passiert.

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Zwar liegen bislang lediglich erste Entwürfe vor, dennoch hat das Projekt das Potenzial, die Marktgemeinde Kirchseeon von Grund auf zu verändern: Rund 1500 neue Wohnungen für bis zu 3000 Menschen will die Hamburger ECE Group in den kommenden Jahren im Süden des Ortes auf dem ehemaligen Bahnschwellengelände schaffen. Verständlich, dass ein Vorhaben dieser Größenordnung bei den Kirchseeoner Bürgern gemischte Gefühle auslöst. Das will der Gemeinderat nicht ignorieren, der deshalb am Montagabend den Grundsatzbeschluss für ein Ratsbegehren gefasst hat. Dadurch sollen die Bewohner selbst die Entscheidung darüber treffen können, wie es mit dem 16,5 Hektar großen Gelände weitergehen soll.

"Das Verfahren ist beispiellos, so etwas gab es in ganz Bayern noch nicht", sagte Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) in der Sitzung, als er kräftig die Werbetrommel für das Ratsbegehren rührte. Von Beginn des Planungsprozesses an hatte der Rathauschef immer wieder betont, wie wichtig ihm die größtmögliche Transparenz bei diesem Projekt ist. Nicht zuletzt deshalb hat die Gemeinde zusammen mit dem Investor mehrere Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, in denen sich die Kirchseeoner beteiligen können. Erste Zwischenergebnisse daraus sollen Ende nächster Woche bei einer Veranstaltung in der ATSV-Halle präsentiert werden. "Wir sind hier mit einer breiten öffentlichen Beteiligung unterwegs", so Paeplow, der das Ratsbegehren deshalb als weiteren logischen Schritt sieht.

Welche Fragestellung die Kirchseeoner dabei genau beantworten sollen, steht indes noch nicht fest. Diese müsse nun in den nächsten Wochen und Monaten ausgearbeitet werden, so der Bürgermeister. Es wird ohnehin noch einige Zeit dauern, bis die Bürger an die Urne treten können. Laut Paeplow soll das Ratsbegehren zusammen mit der Landtagswahl im Oktober stattfinden. "Ich glaube, dass wir dadurch möglichst viele an der Wahlurne haben und ein repräsentatives Ergebnis bekommen", so der Bürgermeister. Bis dahin hätten die Kirchseeoner auch ausreichend Zeit, sich eine Meinung über das Vorhaben zu bilden.

Das taten in der Sitzung auch die anwesenden Gemeinderäte - und nicht alle waren dabei auf Paeplows Line. Susanne Markmiller (FDP) etwa votierte gegen den Beschluss für ein Ratsbegehren. "Ich habe ein bisschen Angst, dass wir uns hier schon zu sehr festlegen", sagte sie. Dabei seien noch viele Fragen zu klären, zum Beispiel was den Verkehr angehe oder welchen Vorteil die Gemeinde eigentlich von dem Projekt habe. Dieses lehne sie nicht grundsätzlich ab, ebenso wenig die Idee eines Ratsbegehrens, "aber es ist für mich noch nicht die Zeit für eine feste Bindung".

Diese bedeutet zunächst allerdings nur, dass es irgendwann ein Ratsbegehren geben wird. Einen endgültigen Beschluss über selbiges muss der Gemeinderat nochmal gesondert fassen, denn von diesem Zeitpunkt an muss der Entscheid innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden. Diesen "Doppelbeschluss" kritisierte auch Diana Thalhammer (SPD): "Ich finde es schwierig, den Beschluss zu fassen, die Bürger zu befragen, ohne überhaupt zu wissen, was ich sie fragen werde." Sie könne hier jedenfalls nicht zustimmen.

Positivere Reaktionen kamen hingegen vonseiten der Grünen Liste. "Das ist eine so wichtige Entscheidung für den Ort, da muss man die Bürger einfach mitnehmen", sagte Natalie Katholing. Für Andreas Scherer (CSU) hatte der Beschluss für ein Ratsbegehren zwar ebenfalls eine "Signalwirkung an die Bevölkerung", er sehe diesen aber auch taktisch motiviert, weil man in der Gemeinde einem möglichen Bürgerbegehren zuvorkommen wolle. Paul Hörl (CSU) sah in dem Ratsbegehren derweil einen wichtigen Fingerzeig an die Kirchseeoner: "Leute, ihr entscheidet darüber, ob das Gelände entwickelt werden soll."

Auf dem Weg dorthin wird das geplante Ratsbegehren ohnehin nicht die einzige Hürde bleiben. Noch ist unklar, ob das erheblich mit Giftstoffen kontaminierte Gelände überhaupt jemals wieder sinnvoll nutzbar gemacht werden kann. Ein positives Bürgervotum würde Gemeinde und Investor demnach zwar Rückenwind verschaffen, wäre allerdings noch keine Garantie dafür, dass das neue Kirchseeoner Ortszentrum auch tatsächlich gebaut wird.

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