Kirchseeon:120 Jahre alte Linde gefällt

Kirchseeon: Nur noch der Stumpf steht von der mächtigen Linde beim Polizeihaus, einem der ältesten Bäume Kirchseeons.

Nur noch der Stumpf steht von der mächtigen Linde beim Polizeihaus, einem der ältesten Bäume Kirchseeons.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

In Kirchseeon ist ein Baum umgeschnitten worden, den viele gerne erhalten hätten. In der Kritik steht Bürgermeister Udo Ockel, der das Vorhaben im Gemeinderat verschwieg.

Von Christoph Hollender, Kirchseeon

Klaus Schöffel vom Bund Naturschutz ist sauer. Denn einer der wohl ältesten Bäume Kirchseeons wurde jetzt vom Bauhof der Gemeinde gefällt. Am Spannleitenberg 2, dem Grundstück des Polizeihauses, das der Gemeinde gehört, wurde Donnerstagvormittag eine, so schätzt Schöffel, rund 120 Jahre alte Linde umgeschnitten. Neben dem Grundstück an der Münchner Straße soll in diesem Jahr mit dem Bau des Kinderhauses begonnen werden - der Marktgemeinderat hat das 6,4 Millionen Euro teure Projekt am Montagabend nach kontroverser Debatte beschlossen. Um das Kinderhaus realisieren zu können, habe der Baum entfernt werden müssen, heißt es aus dem Rathaus.

Klaus Schöffel ist überzeugt, die Fällung sei nicht gerechtfertigt und "sehr eigenartig". Denn im Gemeinderat sei das Thema nicht explizit behandelt worden; und "ob es dafür überhaupt einen Beschluss des Gremiums gibt", bezweifelt er. Bürgermeister Udo Ockel hat das Fällen in dieser Woche in Auftrag gegeben und steht seither unter Erklärungsnot. Denn viele kritisieren die Aktion.

In einer internen Mail an die Gemeinderäte hatte er am Vortag der Fällung die Grundlage seiner Entscheidung erklärt: Im Freiflächengestaltungsplan, der Teil des Bauantrages sei, wäre bereits eine Fällung des Baumes und eine Ersatzpflanzung vorgesehen gewesen, schreibt der Rathauschef. Der Bauantrag wurde im vergangenen Jahr angenommen. "Der Plan wurde vor der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens in der Sitzung präsentiert", verteidigt sich Ockel. Und weiter: "Mit der Erteilung des Einvernehmens für das Bauvorhaben wurde auch die Freigabe für eine notwendige Fällung gegeben." Ob alle Gemeinderäte damals die Fällung als Konsequenz tatsächlich wahrgenommen hätten, wisse der Rathauschef jedoch nicht, räumt er ein.

Die Grünen hätten die Fällung gerne vorab diskutiert

Natalie Katholing (Grüne) sagt, dass über eine explizite Fällung der Linde im Marktgemeinderat "nicht gesprochen wurde". Nach der Mail Ockels, in der er ankündigte, dass der Baum entfernt werde, habe die Fraktion der Grünen unverzüglich eine Antwortmail an die Verwaltung und das Landratsamt geschrieben. Darin lehnten sie die Maßnahme "klar ab". Aus Sicht der Grünen hätte darüber zwingend diskutiert werden müssen.

Dass der Baum trotzdem gefällt wurde, sei "ärgerlich", sagt Katholing. Sie sieht "große Versäumnisse" bei der Verwaltung und der Informationsweitergabe des Bürgermeisters. Bei der jüngsten Gemeinderatssitzung am Montag hat Ockel die Fällung nicht angesprochen. Er habe es schlichtweg "vergessen zu erwähnen", sagt er jetzt. In der Mail an die Gemeinderäte begründet er sein zügiges Vorgehen: "Am kommenden Dienstag beginnt die Brutschutzperiode und dann sind Baumfällungen nicht mehr zulässig." Natalie Katholing widerspricht: Einzelne Bäume könnten bei Bedarf außerhalb dieser Periode gefällt werden, sagt sie.

Man hätte versuchen müssen, den Baum zu erhalten, trotz des neuen Kinderhauses, sagt Schöffel. Außerdem sei noch kein Bebauungsplan für das Grundstück beschlossen - den Baum einfach umzuschneiden, ohne einen Bebauungsplan zu haben, sei nicht hinnehmbar. Ockel entgegnet, dass der Bebauungsplan so gut wie beschlossen und nur noch "reine Formsache" sei.

Klaus Schöffel ist auch aus einem anderen Grund entsetzt: Die Linde sei ein "natürlicher Feinstaub-Filter" an der viel befahrenen Bundesstraße 304 gewesen. Außerdem hätte der Baum als Schattenspender für die Außenanlagen des Kinderhauses dienen können. Dass die Linde, eines der Naturwahrzeichen Kirchseeons, gefällt wurde, sei keine leichte Entscheidung gewesen, betont Ockel. In der Planungsphase des Kinderhauses habe es aber keine Chance gegeben, den Baum zu erhalten, sagt Ockel.

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