Kirchseeon:Immer weiter tanzen

Sechs Jahrzehnte auf der Bühne: Die Ebersberger Musiklegende Fritz Lohmeier, Sänger, Gitarrist, Posaunist und Bassist, feiert an diesem Montag seinen 80. Geburtstag

Von Alexandra Leuthner, Kirchseeon

Fast scheint es, als würde der Sohn noch mehr in Erinnerungen schwelgen als der Vater. In der Lohmeierschen Küche in Kirchseeon sitzen sie zusammen, Fritz Lohmeier und sein Sohn Wolfgang, und reden über alte Zeiten, während Mutter Ilse wie ein guter Geist um sie herumschwirrt, Apfelstrudel bäckt und sich um das jüngste ihrer neun Enkelkinder, den zweijährigen Leo kümmert, der mit zu Besuch gekommen ist.

An diesem 27. Februar wird Fritz Lohmeier 80 Jahre alt, und so kommen jede Menge Erinnerungen zusammen, in der die "goldene Zeit" von Lohmeiers Musikvergangenheit, wie sie Sohn Wolfgang gerne nennt, die größte Rolle spielt. Jene frühen 60er Jahre, in denen die bitterste Not der Nachkriegszeit vorüber ist, die Menschen im Wirtschaftswunderland beginnen, das Leben auch wieder zu genießen. Legendär sind die Faschingsbälle im Deutschen Theater, auf denen sich die Münchner drängen, um einen Abend lang das Tanzbein zu schwingen. "Damals", erzählt Fritz Lohmeier, "habe ich mir um Fasching herum immer drei Wochen frei genommen". Zwei Wochen vor dem Faschingsdienstag, um auf den Bällen in München und um München herum spielen zu können. Und eine Woche danach, um sich beim Skifahren mit seiner Frau und den beiden Söhnen von der Anstrengung wieder zu erholen. Und dann erzählt er weiter, von der Drehbühne im Deutschen Theater, auf der er mit seiner Band, den Piccolos gespielt hat. "Auf der einen Seite wir, und auf der anderen Seite Ernst Jäger mit seiner Big Band. Und alle sechs oder sieben Titel haben wir auf einen Klingelknopf gedrückt, und dann hat sich die Bühne gedreht und die andere Band hat weitergespielt. Die Leute mussten nie aufhören zu tanzen."

Für Lohmeier und seine vier Freunde, die zusammen die Piccolos bildeten, war die Einladung ins Deutsche Theater so etwas wie der Kick-Off zu ihrer musikalischen Laufbahn, zumal ihnen auch noch der Startrompeter Charly Tabor zur Seite gestellt wurde. Lohmeier amüsiert sich noch heute, wenn er sich daran erinnert. Der Österreicher Tabor, längst berühmt als Jazz- und Unterhaltungsmusiker, der unter anderem für das Bert-Kaempfert-Orchester spielte, habe der jungen Truppe gesagt, wo es langgeht: "Auf geht's, ihr Hundskrippeen." Seine Frau Ilse, die sich gerade mit an den Tisch gesetzt hat, lacht. "Genau, genau, das hat er immer gesagt."

Fritz Lohmeier, Ebersberger Musiklegende, 80. Geburtstag, mit den Piccolos und Martina Eisenreich

Bis heute steht Fritz Lohmeier auf der Bühne, sei es als Posaunist oder Sänger.

(Foto: privat/oh)

Gar nicht allzu lange davor, hatten Lohmeier und seine Schulfreunde Helmut und Stefan Mayer sowie Peter und Heimo Hauch noch auf Kindergeburtstagen gespielt: 14 Jahre alt waren sie damals, ein Klavier, eine Geige, zwei Akkordeons und Lohmeier an der Gitarre. Mutter Hauch hatte die Buben stets in einen Transporter der Familienfirma geladen und zu den Aufritten gekarrt. Mit Volks- und Kinderliedern im Repertoire brachten sie es bis in die Sieghartsburg, wo sie zu einer Turnveranstaltung des TSV spielen durften.

Die Piccolos, die bis heute im Ebersberger Raum ein Begriff sind, entstanden aber erst ein wenig später, als Lohmeier und Helmut Mayer nach vorübergehender - musikalischer - Trennung wieder zusammenfanden und mit Rainer Klesse, Gregor Linhoff und Fred Springer eine neue Formation bildeten. Ein bisschen klein seien sie damals immer noch gewesen, erinnert sich der Senior, aber aus den Kinderliedern waren sie raus und in den Jazz hineingewachsen. "Wir haben angefangen, amerikanische Musik zu hören." Die Tanzsäle, in denen die Piccolos spielen durften, wurden schnell größer, die Konzertreisen länger.

Fritz Lohmeier, Ebersberger Musiklegende, 80. Geburtstag, mit den Piccolos und Martina Eisenreich

Auch mit seiner Schwiegertochter, der Geigerin Martina Eisenreich, arbeitet der Kirchseeoner manchmal zusammen.

(Foto: privat/oh)

Ihr Ruhm verbreitete sich und die Einladungen führten sie bis nach Baden-Baden, wo sie während der Rennwoche in Brenners Park Hotel aufspielten, darüber hinaus immer wieder zu Gestüten und großen Höfen in verschiedensten Orten in Bayern.

Sein nächstes Engagement hatte Lohmeier dann mit den Grafinger Delicados, wo er einen ausgeschiedenen Gitarristen ersetzte. Montags bis freitags arbeitete er als Disponent bei der Deutschen Post, sorgte dafür, dass seine Mitarbeiter mit ihren gelben VW-Bussen ganz München rechts der Isar, von Grünwald im Süden bis Ismaning im Norden, mit Telefonanschlüssen und Fernsprechzellen versorgten, und samstags spielte er auf Hochzeiten, privaten wie öffentlichen, unter anderem im Bayerischen Hof. "Sonntags hieß es dann immer: "Psst, der Papa muss noch schlafen", erinnert sich Sohn Wolfgang.

Und dann entdeckte Lohmeier die Posaune für sich - zunächst als Reminiszenz an seinen im Krieg gefallenen Vater, selbst Blasmusiker in einer Kapelle. Er hatte ihn kaum kennengelernt. Aber die Geschichte von dessen Posaune, die eines Tages verpfändet und dann von einem Pfandleiher weiter verkauft worden war, die hatte Sohn Fritz niemals losgelassen. Ein Musiklehrer in Grafing brachte ihm die Grundbegriffe bei - Notenlesen lernte er allerdings nie. "Mein Riesennachteil", sagt er selbst - "eher ein Vorteil", glaubt Sohn Wolfgang, der selbst als Percussionist Profimusiker geworden ist. Er gründete in den 70er Jahren die bayerische Folkrock-Band Schariwari, heute musiziert er gemeinsam mit seiner Frau, der Geigerin Martina Eisenreich, im gleichnamigen Quartett und macht mit ihr auch Filmmusik.

Fritz Lohmeier, Ebersberger Musiklegende, 80. Geburtstag, mit den Piccolos und Martina Eisenreich

Mit den "Piccolos" spielte Lohmeier in den frühen 60ern beim Faschingsball im Deutschen Theater - der Start für eine so erfolgreiche Musikerkarriere.

(Foto: privat/oh)

Mit seiner Posaune steht Fritz Lohmeier heute immer noch ab und zu auf der Bühne - für Gitarre oder auch Kontrabass, den er früher gelegentlich spielte, fehlt ihm nach mehreren schweren Operationen die Kraft in der linken Hand. Dafür singt er aber, hat gemeinsam mit seiner Schwiegertochter Martina Eisenreich den alten Louis-Armstrong-Hit "What a wonderful World" aufgenommen und tritt immer wieder als Gast mit ihrem Quartett auf.

Und auch die Piccolos gibt es noch - oder vielmehr wieder. 2008 haben sie sich neu gegründet, zum Teil in alter Besetzung. Sie treffen sich alle drei Wochen zum Üben, spielen unter anderem jeden August beim Jazz-Frühschoppen des Ebersberger Volksfests und zaubern vor allem den älteren Semestern unter ihren Zuhörern mit Songs wie "Moonlight Serenade", "La Cucaracha", "Ganz Paris träumt von der Liebe" oder "Whispering" Wärme in die Herzen. Und weil die Piccolos nach all den Jahren viel mehr sind als nur Bandkollegen, könnte es schon sein, dass sie an diesem Rosenmontag ein Geburtstagsständchen für Fritz Lohmeier spielen.

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