Wie sich die Bundesregierung nach den Neuwahlen Ende Februar 2025 zusammensetzen wird, ist zum heutigen Zeitpunkt noch völlig offen. Wer auch immer aber künftig die Verantwortung für dieses Land tragen wird, muss sich unter anderem mit einem Thema aus den Landkreisen Ebersberg und München auseinandersetzen, das bereits die gescheiterte Ampel-Koalition beschäftigt hat: der Brenner-Nordzulauf.
Die geplante Zubringertrasse zum Brenner-Basistunnel soll quer durch den südlichen Landkreis Ebersberg gebaut werden, zwischen München und Kirchseeon aber auf den vorhandenen Gleisen verlaufen. Weil sich der Zugverkehr dadurch vor allem in den S-Bahn-Gemeinden massiv erhöhen dürfte, setzen sich die Bürgermeister bereits seit Längerem für eine Verbesserung des Lärmschutzes ein – eine Forderung, mit der sie nun auch die noch gar nicht gewählte Regierung in die Pflicht nehmen.
Dieses Schreiben richte sich nicht nur an die aktuelle Bundesregierung, sondern auch an alle künftigen Abgeordneten, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Rathauschefs aus Kirchseeon, Zorneding, Vaterstetten und Haar. „Wir erwarten eine klare Positionierung und Unterstützung unserer berechtigten Anliegen, um die Akzeptanz für dieses zentrale Infrastrukturprojekt zu sichern“, so die Bürgermeister, die für den gesamten Brenner-Nordzulauf einen nachhaltigen Lärmschutz nach Neubaustandard fordern. Ein solcher sei unerlässlich, „um die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner zu schützen“.
Brenner-Nordzulauf:Wünsch Dir was
Die S-Bahn-Kommunen von Grafing bis hin zur Landeshauptstadt haben gemeinsam ihre Kernforderungen in Sachen Brenner-Nordzulauf formuliert. Viel dreht sich dabei um den Lärmschutz, aber auch eine allgemeine Entlastung für den Ballungsraum München wird in dem Schreiben angeregt.
Dem will man auch bei der Deutschen Bahn nicht widersprechen, die das Megaprojekt federführend plant. „Einer leisen Bahn gehört die Zukunft“, heißt es auf der eigens für dieses Vorhaben angelegten Internetseite. Dort unterscheidet das Schienenunternehmen allerdings auch klar zwischen dem neu zu bauenden Abschnitt von Kirchseeon bis zur deutsch-österreichischen Landesgrenze sowie den bereits bestehenden Schienen in Richtung München. Auf der Neubaustrecke komme die gesetzliche Lärmvorsorge zum Tragen, die strenge Grenzwerte für Zugtrassen vorsehe. Grundsätzlich denkbar seien aktive und passive Schallschutzmaßnahmen, also etwa der Bau von Schutzwänden direkt an der Strecke oder aber auch die Installation von schalldämpfenden Fenstern in den angrenzenden Wohngebäuden. „Unser Planungsteam entwickelt in späteren Planungsphasen ein passendes Konzept. Basis sind die gesetzlichen Regelungen“, heißt es dazu von der Bahn.
Etwas anders stellt sich die Sache jedoch im sogenannten Planungsabschnitt 0 dar, also jenem Teil der Strecke, bei dem die Züge auf den bereits vorhandenen Gleisen fahren sollen. Weil die Trasse ja schon existiert, greifen hier auch die gesetzlichen Lärmschutzgrenzwerte für Neubaustrecken nicht. Entsprechend bleibt die Bahn in Bezug auf diesen Abschnitt in ihren Aussagen eher schwammig. Fest steht bisher lediglich, dass die Trasse zwischen Kirchseeon und Haar mit einer digitalen Signaltechnik ausgestattet werden soll. Inwiefern die Züge dadurch leiser werden sollen, erklärt das Schienenunternehmen indes nicht. Ob auf dem Abschnitt womöglich weitere Lärmschutzmaßnahmen umzusetzen seien, könne erst nach detaillierten Planungen gesagt werden, heißt es. Derweil verweist die Bahn auf ihr Programm zur Lärmsanierung auf der Strecke zwischen München und Kufstein, in das in den vergangenen Jahren bereits 75 Millionen Euro geflossen seien.
Die Belastung durch Bahnlärm liege bereits heute über den zulässigen Grenzwerten
Die Bürgermeister der vier betroffenen S-Bahn-Gemeinden wird diese Information kaum besänftigen – im Gegenteil: „Die Belastungen durch Bahnlärm liegen bereits heute weit über den zulässigen Grenzwerten und stellen vor allem nachts eine Gesundheitsgefährdung dar“, schreiben sie in ihrer Stellungnahme, die sie auch an das Bundesverkehrsministerium und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages verschickt haben. Mit dem geplanten Ausbau drohe nun eine weitere Verschärfung der Situation, betonen die Rathauschefs und kritisieren zugleich die aus ihrer Sicht mangelnde Bereitschaft der Bahn, etwas dagegen zu unternehmen. In den bisherigen Planungen jedenfalls seien umfassende Schutzmaßnahmen im Abschnitt 0 unzureichend berücksichtigt.
Was sie sich konkret wünschen würden, daraus machen die Bürgermeister derweil keinen großen Hehl: „Die Gemeinden fordern, den gesamten Abschnitt wie die übrigen Planungsabschnitte zu behandeln“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: Es müsse sichergestellt werden, dass die Bahnanlagen entlang der Strecke mit modernen Lärmschutzmaßnahmen ausgestattet werden, die auch den zusätzlichen Verkehr bewältigen können. Der Planungsabschnitt 0 solle von der Bahn also genauso behandelt werden wie die neu zu bauende Trasse im südlichen Landkreis Ebersberg – gesetzliche Pflicht hin oder her.
Das letzte Wort werden bei diesem Projekt aber ohnehin nicht die Planer des Schienenkonzerns haben, sondern die Politiker im Deutschen Bundestag, die den erarbeiteten Entwurf absegnen müssen. Diese sogenannte parlamentarische Befassung ist dem Zeitplan der Bahn zufolge für „Mitte des Jahrzehnts“ vorgesehen. Dann also, wenn in Berlin eine neue Bundesregierung die Zügel in der Hand halten wird, die gleich zum Start ein altbekanntes Anliegen aus Ebersberg auf den Tisch bekommt.