Kirchseeon:Geliebter Akt

Kirchseeon: Mal neckisch, mal experimentell: Die Kirchseeonerin Angelika von Szczytnicki probiert sich gerne an der Leinwand aus.

Mal neckisch, mal experimentell: Die Kirchseeonerin Angelika von Szczytnicki probiert sich gerne an der Leinwand aus.

(Foto: Christian Endt)

Nachdem sie die Gäste des "Mahagoni" verzaubert haben, ziehen die Bilder der Kirchseeonerin Angelika von Szczytnicki ins Vaterstettener "Haus Maria Linden" um

Von Anja Blum, Kirchseeon

Wer von einem Künstler eine besondere Attitüde erwartet, einen Nimbus des Geheimnisvollen oder Extravaganten vielleicht, ist bei dieser Malerin an der falschen Adresse: Angelika von Szczytnicki plaudert frei von der Leber weg über ihre Werke und deren Entstehung, alles Affektierte, jede Arroganz liegt ihr fern. Mit was sie am liebsten malt? "Ach, mit dem, was gerade da ist, meist Acryl oder Guache." Wie es dazu kam, dass ihre Bilder so viele dicke Frauen zeigen? "Das war in der Zeit, als ich selbst so zugelegt habe. Da hat es mir furchtbar Spaß gemacht, diese Körper in Szene zu setzen." Unumwunden gibt die Kirchseeonerin auch zu, von manchen Werken selbst ganz angetan zu sein. "Das da liebe ich, davon könnte ich mich niemals trennen", sagt sie zum Beispiel über ein mystisch-schemenhaftes Porträt in dunklen Rottönen. Diese Verbundenheit hat aber wiederum auch mit den Zweifeln zu tun, die die Künstlerin des öfteren quälen. "Dieses Bild habe ich unzählige Male übermalt, nie hat es mir gefallen", erzählt die 68-Jährige. Zum Schluss habe sie einfach ein nasses Tuch darüber gelegt und es erst kurz vor dem gänzlichen Austrocknen wieder abgezogen. "Als ich dann das Ergebnis gesehen habe, war ich wie vom Donner gerührt", sagt Angelika von Szczytnicki. Und genau dieser Prozess sei es, der das anfangs missglückte Porträt so sehr an ihr Herz habe wachsen lassen.

Dass die Wahrnehmung von Kunst oft ein längerer Prozess ist, diese Erfahrung hat auch Hans Sedlmaier gemacht, in dessen Kirchseeoner Pub von Szczytnickis Bilder das vergangene halbe Jahr hingen. "Dabei konnte ich genau beobachten, was das mit den Menschen macht, das war super", schwärmt der Mahagoni-Wirt. Vor allem ein großes Bild neben der Bar habe auf die Gäste gewirkt: ein dicker, weiblicher Akt in kräftigen Farben. "Am Anfang meinten viele, ich solle das bitte wieder abhängen, doch nach einiger Zeit haben alle diese Frau geliebt, wahrscheinlich weil sie so einen zufriedenen Gesichtsausdruck hat", erzählt Sedlmaier. Für seine Stammgäste wird es also vermutlich ein herber Verlust sein, dass von Szczytnickis Bilder nun in einen neuen Ausstellungsraum umziehen: Von Freitag, 31. Juli, an, sind sie im Altenpflegeheim "Haus Maria Linden" in Vaterstetten zu sehen.

Geboten sein wird dort ein Querschnitt durch 15 Jahre Malerei, denn so lange ist es her, dass sich von Szczytnicki einen Wunsch erfüllte und bei der Kirchseeoner Dozentin Gisela Zenker mit der Malerei begann. Dann ging es schnell: Die eigene Kreativität begann zu sprudeln, in kürzester Zeit entstanden viele beeindruckende Werke und bereits nach einem Jahr gab es die erste Ausstellung. "Das war damals eher ein Versuchsballon, doch die positive Resonanz hat mich bestätigt", erinnert sich von Szczytnicki. In Kirchseeon ist die studierte Sozialpädagogin aber wohl vor allem deswegen bekannt, weil sie das Generationenhaus "Café Zam" ins Leben gerufen hat. Aber auch in dieses Projekt floss ihre künstlerische Leidenschaft mit ein: Bis heute organisiert sie dort Ausstellungen mit Künstlern aus der Region. "Nur heuer muss ich Pause machen, weil ich Oma werde", erzählt sie mit breitem Grinsen.

Heute nimmt Angelika von Szczytnicki hin und wieder noch an Kunstseminaren teil, hat sich ansonsten aber "freigeschwommen", wie sie sagt. Ihre Inspiration finde sie vor allem in Gesichtern, der Rest entwickele sich intuitiv. Das Ergebnis sind oftmals neckische Porträts, Frauen, die den Betrachter über die Schulter oder ein auffälliges Accessoire hinweg anblicken. Ein wichtiges Element ist für diese Malerin aber auch der Humor. "Ich bin immer froh, wenn mir etwas Lustiges gelingt", sagt sie. Da ist zum Beispiel die "Diätköchin": eine pummelige Mamsell mit winziger Suppenkelle. Ein anderes Bild zeigt die Rückenansicht eines muskulösen nackten Mannes, vor dem eine zarte alte Dame mit lila Hütchen steht, die, vom Anblick überwältigt, scheinbar verlegen zu Boden schaut - aber eben nur scheinbar.

Außerdem experimentiert von Szczytnicki gerne, bindet Collageelemente wie Federn ein oder verfremdet ihre Malerei mit dem Computer, lässt sie in groben Pixeln oder in einer abweichenden Farbgebung erscheinen. Dank der Lust am Unvorhersehbaren entsteht auch das ein oder andere nicht gegenständliche Werk, eine fröhliche Farbexplosion durch die Verwendung eines Gummihandschuhs etwa. Auch das jüngste Bild ist eine Abstraktion, eine "besonders gelungene", wie von Szczytnicki findet. Sie zeigt das Taj Mahal, das berühmte indische Mausoleum, als Vorlage diente eine Postkarte von der Tochter. "Mit diesem Bild bin ich irgendwie da angelangt, wo ich immer sein wollte", freut sich die Künstlerin. Und man freut sich einfach mit.

Ausstellung von Angelika von Szczytnicki im "Haus Maria Linden" in Vaterstetten, Vernissage am Freitag, 31. Juli, um 15.30 Uhr, zu sehen bis 25. September, täglich von 9 bis 17 Uhr

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