Denkmalschutz:Kulturgut oder Bruchbude?

Denkmalschutz: Schon die Fensterläden der Häuser in der Kirchseeoner Koloniestraße deuten darauf hin, dass die Gebäude schon einige Jahre auf dem Buckel haben.

Schon die Fensterläden der Häuser in der Kirchseeoner Koloniestraße deuten darauf hin, dass die Gebäude schon einige Jahre auf dem Buckel haben.

(Foto: Christian Endt)

In Kirchseeon schwelt seit Jahren ein Streit um mehrere historische Häuser in der Koloniestraße. Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein Urteil gesprochen.

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Dass die insgesamt sieben Häuser in der Kirchseeoner Koloniestraße einmal ihrer Zeit voraus waren, lässt sich heute kaum mehr erahnen: Sie wirken im Vergleich zu den vielen Neubauten, die im Lauf der Jahre rundherum entstanden sind, inzwischen eher aus der Zeit gefallen. Doch genau das macht die historischen Immobilien, die 1905 für die Arbeiter des damaligen Schwellenwerks gebaut worden waren, besonders schützenswert. Zu dieser Auffassung sind nun am Dienstag die Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gekommen, die mit ihrem Urteil einem seit Jahren andauernden Streit ein Ende gesetzt haben.

Dieser wurde losgetreten als eine selbstständige Immobilieninvestorin aus München vier der insgesamt sieben Gebäude im Jahr 2015 erworben hat. Schon damals waren die Häuser nicht mehr im allerbesten Zustand, an zwei von ihnen nagt inzwischen schon so sehr der Zahn der Zeit, dass die Unternehmerin diese abreißen und neu bauen wollte. Die anderen beiden sollten saniert und zu zeitgemäßen Wohngebäuden umgebaut werden. Doch die Münchnerin hatte ihre Rechnung ohne das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gemacht.

Das Gericht muss die Frage klären, ob die Häuser besonders schützenswert sind

Dieses nämlich hatte die Häuser bereits zwei Jahre zuvor unter Denkmalschutz gestellt - und deshalb alle Umbaumaßnahmen oder gar einen Abriss strengstens untersagt. Was folgte war ein jahrelanges Hickhack über sämtliche Gerichtsinstanzen hinweg inklusive einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Behördenchef der Denkmalpflege, das nun in einem Prozess vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gipfelte. Dort war nun am Dienstag im Sitzungssaal des Kirchseeoner Rathauses die Frage zu klären, ob der Schutzstatus der Gebäude noch gerechtfertigt ist, oder ob sie angesichts der umliegenden Siedlungsentwicklung nichts weiter als uralte Häuser sind.

Denkmalschutz: Viele Details an den Häusern sind noch aus der Zeit ihrer Erbauung um das Jahr 1905 erhalten.

Viele Details an den Häusern sind noch aus der Zeit ihrer Erbauung um das Jahr 1905 erhalten.

(Foto: Christian Endt)

Für letzteres plädierte die Rechtsanwältin der Investorin: "Für mich ist das nicht irgendwas besonderes, das dem Stil der Zeit entsprochen hätte", sagte sie. Ein historisches Konzept jedenfalls sei angesichts der vielen neu gebauten Häuser rundherum für sie nicht mehr erkennbar, so die Juristin, die damit argumentierte, dass die Gründe für die damalige Aufnahme der Gebäude in die Denkmalschutzliste heute nicht mehr vorlägen - was sie besonders auf die inzwischen zurückgebauten Gärten von zwei der vier Häuser bezog.

Anders als damals üblich, wohnten die Arbeiter in Kirchseeon nicht in großen Baracken

Tatsächlich nämlich waren die Häuser unter anderem deshalb unter besonderen Schutz gestellt worden, wie auch Burkhard Körner vom Landesamt für Denkmalpflege in der Verhandlung bestätigte. Die Gebäude seien geschichtlich bedeutsam als Wohnungen für die Arbeiter des Schwellenwerks, sagte er. Anders als zu dieser Zeit üblich, habe man in Kirchseeon keine großen Baracken errichtet, sondern die örtliche Bautradition aufgegriffen - was ganz im Sinne des damals in Bayern aufkommenden Heimatstils gewesen sei. "Es war fast fortschrittlich in der Zeit, den Bewohnern das Gefühl von Heimat und Tradition zu geben", so Körner. Deshalb habe man rund um die Häuser auch großzügige Gärten angelegt, in denen sich die Arbeiter aufhalten und erholen konnten.

Eben diese Gärten seien bei den meisten der Gebäude in der Koloniestraße noch gut zu erkennen, ergänzte der Rechtsanwalt der Beklagtenseite. "Man kann sich dadurch vorstellen, wie es ursprünglich einmal gewesen war." Dieser Umstand ist in dem Fall durchaus relevant, denn die Häuser sind nicht einzeln in die Denkmalschutzliste aufgenommen worden, sondern als ein Gesamtkomplex.

Von der Richterin gibt es einen Rüffel für den Sachverständigen - und ein eindeutiges Urteil

Ein solcher sei heute allerdings nicht mehr klar zu erkennen, hieß es dagegen von Seiten der Klägerin, die dazu in Helmut Behrens auch einen Sachverständigen für Denkmalschutz zu Rate zog. In dessen Stellungnahme zur Verhandlung heißt es: "Das architektonische Durcheinander, die unglückliche ortsplanerische Situation an diesem Ort, ist für jeden erkennbar." Auch Behrens verwies auf die "massive vorstädtliche Bebauung außen herum" und kritisierte die Beharrlichkeit des Landesamtes - vor allem in Bayern: "Das Prinzip 'einmal Denkmalschutz, immer Denkmalschutz' gilt nicht in jedem Fall", sagte er. Es bedürfe daher einer regelmäßigen Überprüfung und Korrektur der Denkmaleigenschaften.

Neben einem Rüffel für den Sachverständigen durch die Vorsitzende Richterin Gertraud Beck, die solcherlei politische Äußerungen in ihrer Verhandlung nicht dulden wollte, bekam auch die Klägerin eine Absage: Ihre Berufung wurde durch das Gericht zurückgewiesen und sie muss die Kosten für das Verfahren tragen. "Wir waren sehr offen, bevor wir heute zum Augenschein gekommen sind", sagte Richterin Beck. Vor Ort habe man jedoch klar erkennen können, dass die Gebäude auch heute noch eine konzeptionelle Einheit sind - und als solche besonders erhaltungswürdig im Sinne des Denkmalschutzes.

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