Kirchenkonzert und mehr:Mit Trompeten und Posaunen in Ebersberg

Gemeinsam mit "Colours of Brass" intoniert der Ebersberger Posaunenchor "Raumspiele". Im Mai startet ein neuer Lehrgang für Anfänger

Von Dorian Baganz und Alexandra Leuthner, Ebersberg

Von seinem Zimmerfenster aus sieht er hinüber zum hell erleuchteten Gemeindezentrum. Und wenn er sich bettfertig macht, kann Tomke Everts die Töne der Trompeten, Posaunen und Tuben immer noch hören. Gerade eben saß er noch zwischen den Musikern - 36 aktive Bläser gehören im Augenblick zum Posaunenchor Ebersberg - und blies in seine eigene Trompete. Aber der jüngste Sohn von Pfarrer Edzard Everts, selbst Mitglied des Ensembles, ist erst zwölf. Er muss meist nach Hause, wenn Chorleiter Philipp Hasselt so um 21 Uhr herum eine Pause einläutet. Der Rest der Chormitglieder übt weiter. Wenn es um einen besonderen Auftritt geht, wie am übernächsten Sonntagnachmittag in der katholischen Kirche Sankt Sebastian, dann ist die Probe vielleicht noch ein bisschen intensiver als sonst.

Jeden Dienstagabend, halb acht, treffen sich die Musiker im Gemeindezentrum der evangelischen Heilig-Geist Kirche. So auch an diesem Dienstag, eineinhalb Wochen vor dem gemeinsamen Auftritt mit dem Blechbläserensemble Colours of Brass, bestehend aus zehn ehemaligen Mitgliedern des Bayerischen Landesjugendposaunenchors. Das überwiegend aus dem Fränkischen stammende Ensemble spielt zunächst sein aktuelles Programm "Franken Rot-Weiß", darunter Dieter Wendels "Noris Promenade" mit einem musikalischen Spaziergang durch Nürnberg, und im Anschluss gemeinsam mit den Ebersberger Bläsern Jens Uhlenhoffs "Raumspiele 4" für drei Bläserchöre.

Posaunenchor Ebersberg

Das Ensemble ist das größte Orchester seiner Art im ländlichen Oberbayern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Wir übernehmen zwei Chöre davon", erklärt Chorleiter Hasselt vor der Tür des Übungsraums, wo sich die Bläser versammelt haben. Bis zum kommenden Wochenende, 14. und 15. März, wenn es in einem Workshop mit Colours of Brass ans gemeinsame Üben geht, müssen die eigenen Elemente sitzen. Im Gemeindezentrum mischen sich also Vorfreude und Konzentration. Um die 30 Auftritte, meist bei Gottesdiensten, haben die Bläser im Jahr, aber oft nur ein Konzert, erzählt Hasselt. Im Saal sitzen sie jetzt im Halbkreis, vor sich Notenständer und goldglänzendes Metall von 30 Instrumenten. Ein "cis" vibriert in der Raumluft, ein paar Achteltöne, "bababa baba". Chorleiter Hasselt, jetzt im Mittelpunkt seines Posaunenchors - der im Widerspruch zu seinem Namen auch Trompeten und Tuben einschließt - ist immer in Bewegung. Er deutet, formt die Töne nach, beschreibt Bögen und Punkte mit den Händen. Die Achtelnoten auf der linken Seite sind ihm nicht flott genug gespielt. Eine Trompete und eine Tuba setzen ein, er hebt schon wieder die Hand, "piano, piano", wünscht er sich, und dann "crescendo" bis zum Buchstaben F. "Gut einteilen", schiebt er noch nach. Die musikalische Strecke ist lang, und die Dynamik soll ihren Höhepunkt nicht vorzeitig erreichen.

Rechts und links neben Tomke sitzen Musiker, die etliche Jahrzehnte mehr auf dem Buckel haben als er, aber das macht nichts. Tomke ist mit seinen zwölf Jahren derzeit der Jüngste im Ensemble, 85 Jahre die Älteste. "Das gemeinsame Musizieren hat eine wahnsinnige Integrationskraft", sagt Hasselt. Der Bassposaunist bei den Münchner Symphonikern hat das Ensemble vor 33 Jahren selbst gegründet und ist seither Chef des Posaunenchors geblieben, des größten Orchesters seiner Art im ländlichen Oberbayern, wie er sagt. Für Pfarrer Everts ein Highlight in seinem Wirken als Seelsorger in Ebersberg. "Das ist ein profilierendes Merkmal unserer Gemeinde", sagt er. Zusammen mit seinem jüngsten Sohn und seiner Frau spielt er seit fünf Jahren in der Anfängergruppe - und gehört somit zum Nachwuchs. "Der ist bei uns eben etwas älter", stellt er fest. Zumindest sind die Chancen dann größer, dass dieser Nachwuchs nicht nach wenigen Jahren wieder aufhört. "Maximal zehn Prozent der Anfänger bleiben langfristig", so Hasselt. Alle drei bis vier Jahre organisiert er einen Anfängerlehrgang, so auch in diesem Mai, und hofft darauf, neue Mitspieler für den Posaunenchor zur finden. Studium, Pubertät, Umzug, das alles seien Faktoren, welche es schwer machten, die Größe des Ensembles zu halten, und, wie so oft, stelle auch das G 8 ein Problem dar. "Die Schüler haben nachmittags keine Zeit".

Kirchenkonzert und mehr: Der Posaunenchor ist für seinen Leiter Philipp Hasselt und den muszierenden Pfarrer Edzard Everts (rechts) ein "Highlight".

Der Posaunenchor ist für seinen Leiter Philipp Hasselt und den muszierenden Pfarrer Edzard Everts (rechts) ein "Highlight".

(Foto: Christian Endt)

Nicht so Jeron Fischer. Der 16-Jährige spielt seit sechs Jahren Posaune, gehört seit vier Jahren zum großen Chor, und auch sein Wechsel in eine Ausbildung zum Elektroniker im vergangenen Herbst hat ihn nicht davon abbringen können. Offenbar gehört er nicht zu jenen Jugendlichen, die sich zumindest anfangs etwas schwer tun mit der Choralmusik, wie Hasselt einräumt. Wobei auch Pop, Swing und Funk zum Programm der Ebersberger Bläser gehören. Jung-Posaunist Fischer grinst etwas verlegen, als er sagt: "Kirchenmusik ist jetzt auch nicht gerade das, was ich im Kopfhörer hab', wenn ich in der S-Bahn sitze." Und ein Kirchgänger sei er auch nicht. "Aber es ist sehr schöne, ruhige Musik zum Runterkommen", erklärt er, besonders die adventlichen Stücke liebe er sehr. "Manches höre ich auch unter dem Jahr", etwa das Stück "Wir sagen euch an den lieben Advent." Und dann findet er noch ein paar lobende Worte für Chorleiter Hasselt, der es immer schaffe, selbst weniger spannende Stücke so hinzubiegen, dass sie toll klängen. "Manchmal schreibt er auch Sachen selbst."

Im Pfarrsaal feilt Philipp Hasselt derweil immer noch an den Feinheiten der "Raumspiele". Die Stücke gehen auf die Tradition venezianischer Mehrchörigkeit zurück. Beim Konzert stehen die Chöre an verschiedenen Stellen, ihr Einzelspiel setzt sich erst im Raum zusammen. "Pianissimo, wie zwei Federbällchen", flüstert Hasselt gerade zu zwei Tubaspielern hinüber, die einen Einsatz probieren, dann mahnt er einen Trompeter: "An der Stelle ist es laut, die Artikulation muss knackiger sein, wenn wir die Durchsichtigkeit haben wollen." Er lässt das ganze Ensemble eine Passage singen - "der Sänger muss sich den Ton gut vorstellen können, wie der Bläser auch". Jetzt will er von allen Chören die Bässe hören, dann die Tenöre, dann die Trompeten, und dann spielen alle zusammen. Es wird laut, es wird groß, harmonische Tonfolgen weben von allen Seiten ein mächtiges Geflecht aus Musik, das wie ein Gebäude immer mehr in die Höhe wächst. Und dann erschließt sich ein Satz, den Trompeter Tomke vorher gesagt hat: "Das Üben an sich macht eigentlich nicht besonders viel Spaß, aber ich weiß, dass es ja das Spielen danach tut!"

Posaunenchor Ebersberg

36 aktive Bläser gehören im Augenblick zum Posaunenchor Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Konzert von "Colours of Brass" und dem Posaunenchor Ebersberg am Sonntag, 15. März, in Sankt Sebsatian beginnt um 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Am Dienstag, 5. Mai, startet ein Lehrgang zum Einstieg in den Posaunenchor mit einem Schnupper-Infoabend im evangelischen Gemeindehaus, 17 Uhr. Anmeldung unter www.ebersberg-evangelisch.de/posaunenchor/der-naechste-anfaengerkurs.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: