Kirche im Landkreis EbersbergWenn Gott der Welt die Türen öffnet

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Die evangelische Kirche in Glonn ist keine hundert Jahre alt. Noch findet hier alle vierzehn Tage ein Gottesdienst statt - doch das wird sich voraussichtlich bald ändern.
Die evangelische Kirche in Glonn ist keine hundert Jahre alt. Noch findet hier alle vierzehn Tage ein Gottesdienst statt - doch das wird sich voraussichtlich bald ändern. (Foto: Christian Endt)

Die evangelische Kirche kann sich den Unterhalt zweier Gotteshäuser nicht mehr leisten und zieht Konsequenzen: Die Kirche in Aßling wird verkauft, die in Glonn für andere Nutzungen geöffnet. Wie das gehen kann, zeigen die Nachbarn in Ebersberg.

Von Marie Gundlach, Ebersberg

Seit Jahren haben die Kirchen in Deutschland mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Die Auswirkungen davon bekommt nun auch die evangelische Kirche im Landkreis Ebersberg zu spüren: Zwei Kirchen sollen in Zukunft für nicht-kirchliche Zwecke genutzt werden. Betroffen sind die Gebäude in Aßling und Glonn. In Aßling finden schon seit Längerem keine Gottesdienste mehr statt, in Glonn gibt es alle 14 Tage einen Gottesdienst, der allerdings nur spärlich besucht wird. Das Haus in Aßling soll deshalb verkauft werden, für die Kirche in Glonn werden Ideen für neue Nutzungsmöglichkeiten gesammelt. In welche Richtung es gehen wird, kann Pfarrerin Ghita Lenz-Lemberg aber noch nicht sagen, der Prozess starte gerade erst: „Für den Umgestaltungsprozess sind wir immer offen für Ideen von Menschen innerhalb und außerhalb der Kirchengemeinde.“

Es gibt verschiedene Gründe für die Aufgabe und Umnutzung der Häuser: wachsende Unterhaltskosten bei sinkenden Mitgliederzahlen und damit verbundenen rückläufigen Einnahmen, hinzu kommt Personalmangel. „Ein kirchliches Gebäude, besonders eine Kirche aufzugeben oder einer anderen Nutzung zuzuführen, ist immer ein emotionaler Prozess“, betont Lenz-Lemberg. „Menschen verlieren ihre spirituelle Heimat, einen Ort, mit dem sie Glauben und Geschichten verbinden. Der Verlust von Vertrautem ist schmerzhaft und es braucht auch Zeit zum Trauern.“

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Das Thema betrifft nicht nur die Kirchen in Glonn und Aßling. Überall in der Landeskirche wird über mögliche Umnutzungen diskutiert. Wie das gehen kann, zeigt die evangelische Gemeinde in Ebersberg. Das Gemeindehaus dort kann bereits für private Feiern oder wiederkehrende Kursangebote gemietet werden, auch in Kirchseeon gibt es Mietmöglichkeiten. Das Angebot werde gut angenommen, erzählt Edzard Everts, Pfarrer in Ebersberg: „Wir haben mehr Anfragen, als wir annehmen können.“ Er sieht in der mehrgleisigen Nutzung viel Positives: „Das sind wichtige Gebäude auch für Menschen, die mit Kirche sonst nichts am Hut haben.“

Die Kirchen sind in den Sechzigern entstanden, eine Zeit, in der viel mit Beton gebaut wurde. Dieses Baumaterial ist im Unterhalt relativ teuer. „Manchmal ist 60 Jahre schwieriger als 600 Jahre“, sagt Everts. Dass die Kommunen sich der Projekte annehmen, scheint eher unwahrscheinlich: „Wenn man nicht mal das Hallenbad sanieren kann, bindet man sich nicht gleich das nächste Projekt ans Bein“, fasst Everts die Situation der Haushaltslage in den Gemeinden zusammen.

Das Phänomen beschränkt sich nicht auf die evangelische Kirche

Auch die katholische Kirche steht vor der Frage, wie die Baulast in Zeiten rückläufiger Mitgliederzahlen und damit finanzieller Mittel geschultert werden kann. Aktuell entscheiden die Dekanate Berchtesgaden und München-Südwest im Rahmen eines Pilotprojekts, welche kirchlichen Gebäude in Zukunft noch benötigt werden. Sobald dieses Projekt abgeschlossen ist, sollen die anderen Dekanate folgen, auch das Dekanat Ebersberg, in dem nach Angaben einer Sprecherin des Erzbischöflichen Ordinariats 60 Kirchen, fünf Kapellen und knapp 40 Pfarrheime und Pfarrhäuser im Eigentum von Kirchen- beziehungsweise Pfründestiftungen sind. Doch bis es hier in Ebersberg tatsächlich losgeht, könnte es noch dauern, das Pilotprojekt läuft noch bis ins Jahr 2026.

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Auch die Kirchen sind von den Teuerungen der vergangenen Jahre stark getroffen worden. Die tatsächlichen Einnahmen aus der Kirchensteuer hätten sich in den vergangenen zehn Jahren unter Berücksichtigung der Inflation um 30 Prozent verringert, rechnet Evertz vor. „Da sind wir Teil dieser Welt, wie jeder Privathaushalt oder jede Firma.“ Die Vermietung von Gebäuden kann den Gemeindehaushalt zwar etwas entlasten, doch „das ist kein Modell, das uns ewig rettet“, betont Pfarrer Everts. Denn irgendwann stoße man an finanzielle, organisatorische und auch moralische Grenzen. „Vermieter von einem Veranstaltungsraum zu sein, ist nicht das, was Kirche ist.“ Hinzu kommt, dass der Personalmangel auch dieses Projekt bedroht: Schließlich müssen auch die Vermietungen betreut werden, es geht um Absprachen, Reinigung des Gemeindehauses, Verträge, Schlüsselübergaben. In Kirchseeon hatte das bis vor Kurzem ein Gemeindemitglied ehrenamtlich übernommen, seitdem das gesundheitlich nicht mehr geht, klafft eine Lücke.

„Wir sind auch bei den Gebäuden in einem Transformationsprozess, der in den nächsten Jahren vieles verändern wird“, erklärt Lenz-Lemberg. Sie sieht diesem Wandel aber auch mit Hoffnung entgegen: „Ich bin sicher, dass sich neues Leben in veränderten Formen und Aktivitäten bilden wird und hoffe auf Mitgestaltung, Verständnis und Vertrauen, damit dieser Prozess gut gelingen kann.“

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