Kinderbetreuung im Landkreis Ebersberg:Trotz neuer Kitas füllen sich die Wartelisten weiter auf

Kinderbetreuung im Landkreis Ebersberg: Basteln, Toben, Spielen: In den Kitas im Landkreis ist viel geboten. Doch für die Kommunen bedeutet diese Aufgabe eine große Herausforderung.

Basteln, Toben, Spielen: In den Kitas im Landkreis ist viel geboten. Doch für die Kommunen bedeutet diese Aufgabe eine große Herausforderung.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Probleme über Probleme: Der Bedarf an Plätzen ist kaum planbar und verursacht hohe Kosten. Im Landkreis Ebersberg fehlt es an Grundstücken und an Kindergärtnern.

Von Anja Blum, Ebersberg

Willkommen im Mäuseloch, im Fuchsbau oder Storchennest: Im Landkreis laden die Kitas nun wieder interessierte Familien ein, sich an einem Tag der offenen Tür ihre bunten Räume, ambitionierten Konzepte und freundlichen Gesichter anzusehen. Ganz nebenbei kann man dabei auch noch eine Anmeldung ausfüllen. Doch was eigentlich ein nettes Kennenlernen sein sollte, ist für Eltern oftmals der pure Stress. Sie quält nämlich vor allem eine Sorge: Werden wir einen passenden Betreuungsplatz für unser Kind bekommen?

Denn das ist in vielen Gemeinden des Landkreises keine Selbstverständlichkeit, zumindest, was die Krippen und Horte angeht. Die jüngste Statistik vom Herbst 2016 verzeichnete etwa 180 fehlende Plätze für Kinder unter drei Jahren im Landkreis. Diese Zahl ist zwar nicht mehr aktuell, laut den Gemeinden wurden für viele Familien Lösungen gefunden, doch sie zeigt die Dimension des Problems. Verfahren vor Gericht - schließlich besteht ein Rechtsanspruch - gab es in Ebersberg allerdings bislang keine.

Genügend Betreuungsplätze zu schaffen, ist Aufgabe der Kommunen. Doch da der Bedarf im Landkreis seit Jahren unaufhörlich steigt, geraten sie dabei des öfteren ins Hintertreffen. Gerade im Krippenbereich machen sich zwei Aufwärtstrends bemerkbar: Die Zahl der Kinder nimmt zu, 2016 verzeichnete die Kreisklinik erst wieder einen Geburtenrekord, aber auch die Betreuungsquote, also jener Anteil an Kleinkindern, die einen Platz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter brauchen.

Landkreisweit beträgt dieser momentan 31 Prozent, das entspricht etwa 1300 betreuten Kindern unter drei Jahren - und übertrifft den bayernweiten Durchschnitt von 27 Prozent. Vor zehn Jahren lag die Quote im Landkreis noch bei etwa 13 Prozent. Eine enorme Steigerung, deren Ende noch nicht abzusehen ist.

Die Wartelisten füllen sich immer wieder neu auf

Und das macht den Gemeinden zu schaffen. Immer wieder entstehen neue Kitas - und immer wieder füllen sich die Wartelisten. Allerdings stecke hinter der Knappheit von Betreuungsplätzen kein kommunaler Unwille, betont das Ebersberger Jugendamt, das die Gemeinden bei der Bedarfsplanung unterstützt. Vielmehr liege das Problem in der Natur der Sache: "Die Planung von Betreuungsplätzen ist immer auf Kante genäht", sagt Florian Robida, der verantwortliche Teamleiter.

"Denn einen Überhang kann sich keine Gemeinde leisten." Grunderwerb, Baukosten, Förderung, teils sogar Defizitausgleich: Jede Kita kostet die Kommune viel Geld. "Und der Staat knüpft seine Zuschüsse zu Neubauten an die Bedingung, dass die Einrichtungen 25 Jahre bestehen", sagt Angela Freise, Familienbeauftragte in Markt Schwaben. Andernfalls würden Rückzahlungen fällig.

Das alles hat zur Folge, dass die Gemeinden nur bauen, was ganz sicher gebraucht wird. Oder sich auf die Suche nach alternativen Konzepten machen. Markt Schwaben habe nun ein Haus gemietet und zur Kita umgebaut, berichtet Freise, "ganz bewusst, weil wir dann viel flexibler sind". Denn wer wisse schon, ob die Kita in ein paar Jahren überhaupt noch gebraucht werde? Oder ob dann nicht eher Bedarf an Senioreneinrichtungen sei. "Deswegen haben wir jetzt schon mal darauf geachtet, dass die Räume barrierefrei sind."

Indes: Bis ein Baby in die Krippe kommt, vergeht etwa ein Jahr. Eine neue Einrichtung zu bauen und einen Träger samt Personal dafür zu gewinnen, dauert hingegen oftmals um einiges länger. "Das fängt ja schon damit an, dass wir zu wenig Grundstücke im Ort haben", sagt Daniel Kommnick, Geschäftsleiter im Zornedinger Rathaus. Die Vaterstettener wollten in ihrer Not einen Grünzug am Verkehrsübungsplatz bebauen - obwohl der Standort von allen Seiten kritisiert wurde. Nun fanden sich glücklicherweise doch noch andere Lösungen.

Die Kommunen müssten ihrer Zeit zwei Jahre voraus sein

Letztlich müssen die Kommunen bei der Bedarfsplanung ihrer Zeit stets voraus sein, mindestens zwei Jahre. Doch das ist alles andere als einfach, denn Zuzug und Kinderglück sind statistisch schwer zu greifende Größen, vor allem auf einer so kleinen Ebene wie einer Gemeinde. "Da kann ja schon ein einziges Ereignis alles durcheinanderwerfen", sagt Monika Wilken, die neue Jugendhilfeplanerin des Landratsamtes.

Ihre Stelle sei geschaffen worden, um dem Thema mehr Gewicht und "ein eigenes Gesicht" zu verleihen, so Jugendamtsleiter Christian Salberg. Und als Soziologin kennt sie die Probleme kommunaler Bedarfsplanung gut. "Da reicht es, wenn sich plötzlich ein neues, großes Unternehmen ansiedelt - und schon ist wieder alles ganz anders." Externe Gutachten, Umfragen unter den Eltern, Wanderungsprognosen: All das ist dann hinfällig.

Um die Kommunen bei der Planung zu unterstützen, hat das Jugendamt nun ein Computerprogramm gekauft, das sogenannte Hildesheimer Bevölkerungsmodell, anhand dessen sich auch der Bedarf an Kitaplätzen prognostizieren lässt. "Man muss dieses Modul mit möglichst vielen validen Daten füttern, dann kann man verschiedene Szenarien durchspielen", sagt Wilken. "Was bedeutet es, wenn das neue Baugebiet kommt, was, wenn nicht?"

Acht Kommunen hätten das freiwillige Angebot bereits in Anspruch genommen, darunter Zorneding. "Wir wollten das mal ausprobieren und die Werte mit unseren eigenen Prognosen vergleichen", sagt der Geschäftsleiter. Das Ergebnis habe das bereits Bekannte bestätigt: "Da müssen wir ran!" Zorneding brauche mindestens eine, wenn nicht gar zwei neue Kitas - zusätzlich zu jener, die im Herbst den Betrieb aufnehmen soll.

Besonders schwer haben es jene Kommunen, die wachsen, also neue Wohngebiete schaffen, und nahe an München liegen. Ihnen macht die Unwägbarkeit des Zuzugs zu schaffen, aber auch der Umstand, dass die Landeshauptstadt laut Freise viele Fachkräfte mit finanziellen Anreizen an sich zieht. "Fehlendes Personal ist einer der Hauptgründe für Engpässe", sagt die Markt Schwabener Familienbeauftragte.

Eltern haben eine Initiative gegründet

Ihre Gemeinde gehört neben Vaterstetten, Zorneding und Poing zu den jüngsten Brennpunkten. In Vaterstetten liegt die Betreuungsquote von Kleinkindern laut Wilken mittlerweile bei etwa 40 Prozent. Im Herbst zählte die Großgemeinde 300 Krippenplätze, das war Landkreisrekord - und trotzdem zu wenig. Aktuell stehen noch etwa 40 Familien auf der Warteliste. Die Folge: Eine "Elterninitiative zur Verbesserung der Betreuungssituation" wurde gegründet. Ebenfalls sehr viele Einrichtungen gibt es in Poing: Von dort meldete man 220 Krippenplätze - und ebenfalls etwas ungedeckten Bedarf.

Dieser bestehe mittlerweile jedoch nicht mehr, sagt Geschäftsleiter Thomas Stark. Bis auf ein paar Familien, die auf einen Platz in ihrer voll belegten Wunscheinrichtung bestünden, sei die Warteliste leer. Und für kommenden Herbst habe man bereits vorgesorgt: Dann stünden zusätzlich 96 Krippenplätze und 50 Plätze in Kindergarten und Hort zur Verfügung. Baiern, Bruck, Emmering und Moosach hingegen meldeten im Herbst jeweils nur eine Krippengruppe. Und ein paar freie Plätze.

Für das Jugendamt steht jedenfalls fest: "In einem Zuzugslandkreis, der überdies noch den höchsten Jugendquotienten Bayerns aufweist, kann die Situation nie völlig entspannt sein" - obwohl von den Kommunen große Anstrengungen unternommen würden, ein ausreichendes Betreuungsangebot zu schaffen. "Die machen das wirklich gut, Hut ab!", sagt Salberg.

Seinen Teil zur Bewältigung dieser Herausforderung beitragen möchte das Jugendamt auch, indem es diverse Richtlinien zu Kindertagesstätten erlässt, die Unschärfen in der Gesetzgebung ausgleichen. Das Ziel: Die Schriftsätze sollen Transparenz und Planungssicherheit für die Kommunen und Träger schaffen. "Die haben dann nämlich Schwarz auf Weiß, was wir genehmigen, und was nicht", sagt Robida. Die Inhalte der Richtlinien werden in sogenannte Impulsgremien erarbeitet, an welchen alle beteiligten Institutionen teilnehmen. "Das hat den Vorteil, dass wir meist einen Konsens finden, der auf große Akzeptanz stößt", so Salberg.

Die erste Richtlinie regelt, welche Ausnahmen beim Personal gemacht werden können, zum Beispiel welche ausländischen Qualifikationen die Behörde unter welchen Voraussetzungen anerkennt. Die zweite soll demnächst in Kraft treten und widmet sich den Bauvorgaben. "Wir wollen zum Beispiel, dass in einer Kita der Fußboden warm ist, sei es dank einer Heizung oder eines entsprechenden Belags", erklärt Robida.

"Denn wir sind die Vertreter des Kindes." Und auch für die Eltern sei die Qualität der Betreuung maßgeblich. "Keine Mutter soll sich Sorgen machen, wenn sie in die Arbeit fährt, ob ihr Kind wirklich in guten Händen ist", sagt Salberg. Insofern sei sein Amt im Zweifel "lieber etwas restriktiver". Sonst könne aus der Sorge um einen Platz schnell eine Sorge um das Kind werden.

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