Kein leichter Einstieg in die S-Bahn:Auf Abstand

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Ein Jahr lang hat die Deutsche Bahn ihre Station in Ebersberg behindertengerecht umgebaut. Doch das vom Steuerzahler mit 1,8 Millionen Euro finanzierte Projekt hat deutliche Mängel, Rollstuhlfahrer tun sich nach wie vor schwer

Wieland Bögel

Der Ebersberger Bahnhof ist endlich fertig. Rund 13 Monate lang wurde die Station umgebaut, sie soll nun auch für Menschen mit Behinderungen optimal nutzbar sein. Doch schon während der offiziellen Eröffnung durch Vertreter der Deutschen Bahn zeigte sich, dass das Ergebnis des Umbaus deutlich schlechter ausfällt, als es der Schienenkonzern seit einem Jahr vollmundig ankündigt.

Bei der Bahn geht alles nach Fahrplan, auch die Eröffnung einer neuen Station. Bevor das Band auf dem frisch sanierten Bahnhof durchschnitten werden konnte, mussten die Honoratioren erst auf den Filzenexpress warten, um den Fotografen einen passenden Hintergrund für die Zeremonie zu liefern. Die Wartezeit nutzte der Leiter des Münchner Bahnhofsmanagements, Heiko Hamann, um kurz zu erklären, was in Ebersberg alles gebaut worden ist.

Rund ein Jahr lang hatte der Umbau des Bahnhofes gedauert - und damit knapp ein halbes Jahr länger als ursprünglich geplant. Beim Spatenstich Anfang August 2011 ging Hamann noch davon aus, dass die Bahn bis zum März 2012 mit der Sanierung fertig sein werde. Grund für die Verzögerung seien die alten Fundamente des Bahnsteiges gewesen, diese habe man vor der Bahnsteigsanierung erst ausgraben müssen. Auch die Kosten für den Umbau sind gestiegen: Rechnete die Bahn vor einem Jahr noch mit rund 1,6 Millionen Euro für die Umgestaltung, wurden dafür schließlich 1,8 Millionen Euro fällig. Für die Bahn ist dieser Kostenanstieg indes zu verschmerzen, denn das Geld für den Umbau stammt nicht aus den Kassen des Schienenkonzerns, sondern aus den Fördertöpfen des Freistaates.

Für dieses Geld wurden die Bahnsteige auf einer Länge von 180 Metern angehoben, dort ist der Bahnsteig jetzt 96 Zentimetern hoch, so dass Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen problemlos in die S-Bahn einsteigen könnten, so Hamann. Allerdings habe man nicht den gesamten Bahnsteig anheben können, da der dort ebenfalls verkehrende Filzenexpress einen niedrigeren Bahnsteig brauche. Dafür habe sich aber auf jeden Fall "die Wartesituation verbessert", so Hamann, denn zumindest im vorderen Teil des Bahnsteiges gibt es jetzt ein kleines Dach, um die Fahrgäste vor Wind und Wetter zu schützen. Der größere Teil des Bahnsteiges müsse indes unbedacht bleiben, er sei zu schmal, um dort ebenfalls einen Wetterschutz anzubringen. Aber immerhin könnten sich dank spezieller Rillen und Noppen auf dem Boden jetzt auch Blinde und Sehbehinderte auf dem neuen Bahnsteig besser zurechtfinden, erklärt Hamann. Und natürlich dürfen bei einem "modernen, attraktiv ausgestatteten Bahnhof" auch neue Fahrplananzeiger und eine verbesserte Beleuchtung nicht fehlen.

Dank einer neuen Rampe, die sich ganz am Ende des Bahnsteiges befindet, ist der Zug nun auch zu erreichen, ohne Treppen steigen zu müssen. Ein bisschen ungewohnt scheint diese neue Verkehrsführung allerdings noch zu sein, denn während Hamann die Vorzüge des barrierefreien Bahnsteigs lobt, wuchtet gleich nebenan ein junger Vater den Kinderwagen samt Nachwuchs die Treppenstufen herunter. Die mehrere Meter entfernte, gewundene Rampe ist entweder seiner Aufmerksamkeit entgangen oder scheint eines Umwegs nicht wert.

Deutlich ärgerlicher als ein kleiner Umweg mit dem Kinderwagen ist allerdings, dass Rollstuhlfahrer auch nach dem Umbau immer noch nicht problemlos ohne fremde Hilfe in die S-Bahn einsteigen können. Ursula Frey, Behindertenbeauftragte für den Landkreis, und Irmgard Huber, die Behindertenbeauftragte der Stadt Ebersberg, demonstrieren dies in einem Selbstversuch. Nur mit tätiger Hilfe eines Passanten ist es Frey möglich, in die gerade wartende S-Bahn einzusteigen. Denn auch an dem jetzt erhöhten Teil des Bahnhofes klafft zwischen Bahnsteig und Zug immer noch ein breiter Spalt. Für Rollstuhlfahrer bedeute dies ein fast unüberwindliches Hindernis, meint Frey. Um alleine in die Bahn zu gelangen, "da muss man schon sehr mutig sein". Dieses Problem ist auch Hamann bekannt. Allerdings könne man nur reine S-Bahn Stationen so anlegen, dass kein Spalt zwischen Zug und Bahnsteig entstehe. Zumindest ein bisschen kleiner werde der Spalt aber noch werden. Denn im kommenden Jahr sollen die Gleise erneuert und dann etwas näher am Bahnsteig verlegt werden.

Für die Stadt ist der Umbau aber trotzdem ein Fortschritt, findet Bürgermeister Walter Brilmayer. Es sei ein "fahrgastfreundlicherer Bahnhof" entstanden. Um die Ebersberger Station noch attraktiver zu machen, wird die Stadt in den kommenden Monaten vor dem Bahnhof noch einen Park- and Rideplatz für 149 Autos und einen neuen Fahrradstellplatz bauen. Die rund 700 000 Euro teure Maßnahme werde bis zum Jahresende abgeschlossen sein und hoffentlich noch mehr Ebersberger zum Umstieg auf die Bahn bewegen, so Brilmayer.

© SZ vom 31.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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