Mitten in Ebersberg:Ostern in Jesuslatschen

Der Mensch braucht Rituale, das können auch Sandalenfilme am Karfreitag sein.

Glosse von Alexandra Leuthner

Same procedure as every year. Der Diener der alten Lady, selber um die 90, stolpert über das Tigerfell. Dann hebt er das Glas, prostet seiner Arbeitgeberin zu. Mit einem gepflegten "Cheerio" in Vertretung des längst verschiedenen Sir Toby, einem zackigen "skol", im Namen des wohl einst recht schneidigen Admirals von Schneider. Seit fast 60 Jahren geht das jetzt so, 1963 wurde Miss Sophies "Dinner for One" erstmals im Deutschen Fernsehen gezeigt, und für Generationen von Zuschauern ist es zur Tradition geworden, sich im Laufe des Silvesterabends im schwindenden Bewusstsein des eigenen Zustands über die nachlassende Selbstkontrolle des britischen Komikers Freddie Frinton zu beömmeln.

Eine neue Tradition: Der Karfreitagsfilm

Und warum? Weil der Mensch Rituale braucht. Den Wies'nbesuch im September, Skifahren im Februar, Forelle blau am Aschermittwoch. Wenn das alles irgendwie nicht geht, wegen dem nervigen Corona, dem noch nervigeren Klimawandel oder aber einer völlig anachronistischen Fischunverträglichkeit in Zeiten der politisch korrekten Abkehr von Schweinebraten und Wienerwurst, empfiehlt sich eine neue Tradition: der Karfreitagsfilm.

Der muss nicht, kann aber ein Jesusfilm sein. Im weiteren Sinn geht auch der sogenannte Sandalenfilm durch, man kann also ein paar Stunden mit Peter O'Toole als Lawrence von Arabien verbringen - der neben den gleichnamigen Latschen den messianischen Anspruch mit Jesus gemeinsam hatte. Im engeren Sinne aber sollte der Film - schließlich ist der Karfreitag ja kein Tag zum Feiern - dem Anlass entsprechen. Im ein oder anderen Haushalt soll dergleichen schon Jahre vor der Pandemie zur Tradition geworden sein, Rituale, Sie wissen schon.

Die größte Geschichte der Menschheit - und John Wayne taucht am Fuße des Kreuzes auf

Die cineastische Auswahl erweist sich als erstaunlich, haben doch Filme über den berühmtesten Galiläer noch längere Tradition als Miss Sophies feuchtfröhliches Abendessen. Angefangen beim "König der Könige", 1961 als erster Jesusfilm in Farbe. In der Hauptrolle Jeffrey Hunter, der zwar als US-amerikanischer Dreamboy durchging, als Jesus aber höchstens so sehr überzeugte wie die rotblonde Deborah Kerr als Römerin in "Quo Vadis". Vier Jahre später spielte Max von Sydow in "Die größte Geschichte der Menschheit" den Sohn Gottes. Verstörend an der Schlussszene ist allerdings vor allem, dass John Wayne am Fuße des Kreuzes auftaucht, als römischer Zenturio, und "Kojak" Telly Savalas sein Unwesen als Pontius Pilatus treibt. Ganze vier Teile brauchte Franco Zefirelli 1978, um seinen "Jesus von Nazareth" vom Stall zu Betlehem bis nach Golgatha zu geleiten - das reicht für wenigstens zwei Karfreitage. 164 Minuten lang zweifelt Willem Dafoe an seiner Bestimmung und widersteht der "letzten Versuchung Christi" letzten Endes dann doch. Nur gute zwei Stunden reichten Regisseur Mel Gibson aus, um filmisch in der "Passion Christi" zwischen dem Garten Gethsemani und dem Ölberg ein Blutbad anzurichten. Da möchte man wegschauen, verpasst dann aber Monica Bellucci als Maria Magdalena - und die Untertitel des in lateinischer, aramäischer und hebräischer Sprache gedrehten Films.

Wer alle Stationen des beschriebenen Leidenswegs an einem Karfreitag durchmachen möchte, sollte den Kreuzweg - auch angesichts der durchaus düsteren Weltlage - ganz im Sinne von Monty Pythons "Bryan" mit einem Lied beschließen: "Always look on the bright side of life."

....to be continued....

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