Kandidaten für den Tassilo 2018:Seitensprung mit dem Wandelröschen

Kandidaten für den Tassilo 2018: Zwei Frauen, ein Problem: Sonja und Jane (Gundi Gaschler, Elke Rippstein) haben ihren Mann betrogen - jeweils mit dem Partner der anderen.

Zwei Frauen, ein Problem: Sonja und Jane (Gundi Gaschler, Elke Rippstein) haben ihren Mann betrogen - jeweils mit dem Partner der anderen.

(Foto: Christian Endt)

Die Ebersberger Theatergruppe "Zwischenton" inszeniert stets Anspruchsvolles, gerne auch aus eigener Feder. Momentan zeigt sie gekonnt und unterhaltsam das Vewirr-Stück "Lantana"

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Wer bei dieser Geschichte noch durchblickt, hat gewonnen: Leon liebt seine Frau Sonja, beginnt aber eine Affäre mit Jane. Janes Ehemann Pete hingegen hat einen Beinahe-One-Night-Stand - ausgerechnet mit Sonja. Während ihrer folgenden, kurzzeitigen Ehepause beobachtet Jane des Nachts ihren Nachbarn Nick, wie er mit zerkratztem Gesicht einen Damenschuh aus seinem Auto entfernt, und Leon ermittelt tags darauf, weil eine Frau namens Valery verschwunden ist. Valery ist Psychotherapeutin und betreut eine gewisse Sarah, die wiederum ein Verhältnis mit Valerys Mann John hat. Und dann gibt es da noch Neil, der einst Sarah heiraten wollte und ihr immer noch hinterher trauert. Alles klar?

"Lantana - Manchmal ist Liebe nicht genug" ist der Titel des amourös-thrillerhaften Ränkespiels, mit dem die Theatergruppe Zwischenton am Sonntagnachmittag im Ebersberger Klosterbauhof ihr Publikum in Atem hielt. Inhaltlich ist der Name Programm des emotionalen Verwirr-Stücks aus der Feder des australischen Dramatikers Andrew Bovell: Lantana camara, zu deutsch "Wandelröschen", ist eine Wildpflanze, die undurchdringliches, meterhohes Gestrüpp bildet. In ähnlicher Fasson verweben sich Wollen und Handeln, Rätsel und Wahrheitssuche der Figuren auf der Bühne miteinander, bis sich der Dschungel der Zufälligkeiten und Überschneidungen lichtet - und am Ende einen Hauch von Bitterkeit und Ratlosigkeit hinterlässt. Das sympathische Ensemble schafft es dabei, durch überzeugendes Spiel die Zuschauer immer mehr in seinen Bann zu ziehen, sodass man nach zweieinhalb Stunden fast etwas enttäuscht ist, dass es jetzt vorbei sein soll.

Was als Tête-à-tête zweier verheirateter Paare mittleren Alters beginnt, entwickelt sich rasant zum mysteriösen Kriminalfall. Anfangs stehen noch große Fragen wie "Was, wenn genug nie genug ist?" im Raum, die etwa den bärbeißigen Kriminalpolizisten Leon in die Arme einer anderen Frau treiben. Im Dämmerlicht und bei schnulziger 80er-Jahre-Musik wird hier geschmust, gestreichelt und gesäuselt; man kann der Hand am Po und den Hormonen bei der Arbeit zusehen.

Scheinbar unbemerkt schleichen sich mit der Zeit in das sowieso schon komplizierte Miteinander zwei weitere Geschichten, die durch die Erzählungen einzelner Figuren transportiert und in das Geschehen mit eingearbeitet werden. So berichtet beispielsweise Pete, der zufälligerweise in einer Bar auf Leon trifft, er sei von einer fremden Frau völlig ohne Grund auf offener Straße angebrüllt worden. Später stellt sich heraus, diese Frau war Valery (grandios gespielt von Martina Gerner), die plötzlich wie vom Erdboden verschluckt ist und als vermisst gemeldet wird.

Größte Herausforderung an die Spielenden ist das kunstvolle Synchronsprechen, das mal zwei, mal vier Beteiligten gleichzeitig denselben Text abverlangt, der dann von einer einzelnen Figur schließlich vollendet wird. "Man muss eine gemeinsame Sprachmelodie finden", sagt Thomas Keck, der in "Lantana" Valerys Ehemann John spielt und einer der Mitbegründer der Schauspieltruppe Zwischenton ist. Vor allem der dadurch entstehende Sprachwitz sei es, der für ihn den Reiz des Stücks ausmache. Die Intimität vor aller Augen sei hingegen kein Problem für die Darsteller, findet Keck: "Wir kennen uns alle schon so lange, da hat man keine Berührungsängste bei Kussszenen."

Tatsächlich ist die Erfolgsgeschichte der Laiengruppe eine erstaunlich lange: Seit dem Jahr 2000 nun schon führen die aus dem Landkreis stammenden Mitglieder gemeinsam Stücke auf. "Das erste haben wir ein Jahr lang geprobt - und nur einmal aufgeführt", erzählt Ulla van Erckelens-Bock, ebenfalls Gründungsmitglied, schmunzelnd. Mittlerweile ist das Ensemble auf stolze 18 Mitglieder angewachsen, so dass es der Einfachheit halber in zwei Gruppen aufgeteilt worden ist. "Es wollen immer mehr bei uns mitspielen", sagt van Erckelens-Bock. Ob 30 oder 50 Jahre alt, waschechter Bayer oder ursprünglich aus dem Saarland stammend - mitmachen darf, "wer zu uns passt, und zu wem wir passen".

Gemeinsam ist den bunt gemischten Ensemble-Mitgliedern vor allem eines: Sie alle sind Laien, und sie alle sind mit Herzblut und viel Engagement bei der Sache. Requisite, Kulisse, Licht - alles übernehmen die Schauspieler in Eigenregie. Mussten sie anfänglich noch Beiträge zahlen, kann sich der Theaterverein jetzt über Einnahmen refinanzieren und professionelle Regisseure wie Nirit Sommerfeld und Bina Schröer zur Umsetzung der Stücke anheuern.

Beim Publikum bekannt und beliebt ist die Gruppe Zwischenton besonders wegen ihres Programms. So schreibt eine SZ-Leserin, dieses sei "vielfältig und schrecke auch vor kritischen Stücken nicht zurück". Dass man eher zu anspruchsvollen Geschichten als zu Schenkelklopfern tendiere, erklärt sich Ulla van Erckelens-Bock mit der Zusammensetzung des Teams: "Wir haben zwei Psychologen, drei Sozialpädagogen und einige Lehrerinnen in der Gruppe - das schärft den kritischen Blick."

Seit einigen Jahren gibt es nun auch eine Autorenwerkstatt, die an das Theater angegliedert ist. Zwei selbst geschriebene Stücke wurden bereits inszeniert, an einem dritten wird momentan gefeilt. Ob die nächste Story auch so vielschichtig-unterhaltsam sein wird wie "Lantana"? Man darf gespannt sein.

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