Kammermusikzyklus des Kulturvereins:Jugendliches Genie, reife Gelassenheit

Kammermusikzyklus des Kulturvereins: Vor fünf Jahren hat sich das "Cosmos Quartett" in Barcelona gegründet. In Zorneding zeigen die jungen Musiker ihr Können.

Vor fünf Jahren hat sich das "Cosmos Quartett" in Barcelona gegründet. In Zorneding zeigen die jungen Musiker ihr Können.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das spanische "Cosmos-Quartett" bezaubert das Zornedinger Publikum mit seiner warmen Klangsprache

Von RITA BAEDEKER, Zorneding

Sein Dasein auf Erden währte nur kurz, viel zu kurz. Doch hört man eines der Streichquartette, die der baskische Komponist Juan Crisóstomo de Arriaga als Jugendlicher von 16 Jahren komponiert hat, offenbart sich darin eine unglaubliche musikalische Reife und Könnerschaft. Am 27. Januar 1806, genau 50 Jahre nach Mozarts Geburtstag, kam er in Bilbao zur Welt. Mit nur 19 erlag er in Paris der Tuberkulose. Doch so kurz sein Leben auch war, er hat in den wenigen Jahren der Welt großartige Musik geschenkt, Musik, die Jahrhunderte überdauert, und die ihm den Ehrentitel "spanischer Mozart" eingetragen hat. Darunter ist auch jenes Streichquartett in d-Moll, das am Sonntag im Rahmen der Zornedinger Kammermusikreihe im Martinstadl aufgeführt wurde. Der BR hat das Konzert aufgezeichnet.

Jung sind auch die Musiker des Cosmos Quartetts, das vor fünf Jahren in Barcelona gegründet wurde. Zahlreiche Auszeichnungen und international beachtete Debüts begleiten seither seinen Weg. Der Pianist Alfred Brendel bescheinigte dem Ensemble einen "sehr persönlichen Klang", wie es im Programmheft zum Konzertabend heißt. Was er damit meint, wird schnell hörbar. Die vier Streicher, Helena Satué und Bernat Prat, Violinen, Lara Fernández, Viola, und Oriol Prat, Violoncello, agieren hingebungsvoll und bewegt. Ihr Zusammenspiel ist überragend, der Klang warm, sinnlich und von berührender gesanglicher Kraft.

De Arriagas Werk enthält neben motivischem Reichtum im Menuett des dritten Satzes auch Anklänge an spanische Rhythmik und Melodik. So viel Schaffens- und Lebensfreude steckt in dieser Musik, dass man für einen Augenblick Trauer empfindet, Trauer um einen unbekannten, viel zu früh verstorbenen jungen hochbegabten Menschen.

Klangfarben der ungarischen Heimat stecken auch im 1927 komponierten Streichquartett Nummer 3 von Béla Bartók. Mit der Anlage des Werks hat er die Grenzen des Genres gesprengt, etwa bei Harmonik und Stimmführung. Die Elemente der heimischen Folklore erklingen verfremdet und fragmentiert, die Stimmen sind kontrapunktisch und dissonant ineinander geschichtet. Auch formal ging Bartók neue Wege. Die Sätze gehen ineinander über. Einem ersten und einem zweiten Teil folgen die "Ricapitulazione" des ersten Teils und eine "Coda", die das thematische Material wieder aufgreift.

Das Werk beginnt geheimnisvoll. Einzelne Töne glimmen auf wie Lichter im Dunkel. Rhythmisch und harmonisch reizte Bartok in diesem Werk die Möglichkeiten der seinerzeit avantgardistischen Streichquartett-Klangsprache und Spieltechnik aus. Dazu gehören Schläge mit dem Holz des Bogens, das Streichen nah am Steg, was einen kratzenden Klang erzeugt, und andere Kunstgriffe. Ein faszinierendes, aber schwieriges Werk ist das, auch für die Zuhörer. Umso verdienstvoller die in allen vier Stimmen transparente Interpretation des Cosmos-Quartetts.

Nach den heftigen Dissonanzen Bartóks wirkt im letzten von drei Streichquartetten op. 67 von Johannes Brahms die eher liebliche Tonart B-Dur wie eine warme Decke. 1876 wurde es vom Joachim Quartett erstmals in Clara Schumanns Berliner Wohnung gespielt, wenig später fand die Uraufführung statt. Vertraute Tanzrhythmen von Polka und Gavotte sowie ein musikalisches Zitat aus Mozarts Jagd-Quartett erklingen im ersten Satz. Ein innig-liedhaftes Andante, vom Cosmos-Quartett hinreißend musiziert, bezaubert im zweiten Satz, der heitere Gelassenheit atmet. Der dritte, ein "Agitato", klingt schwermütiger, mehr wie das sinfonische Werk des Komponisten. Das gefällige Tanzthema in Finalsatz gibt der Bratsche schöne Soli. Das Ganze mündet schließlich in kunstvolle, klanglich dichte Variationen, die zum Thema des ersten Satzes zurückführen.

Nach einem ausgiebigen Applaus kehrt das sympathische Quartett zurück zu dem jungen Genie aus Bilbao und spielt, weil es so schön war, als Zugabe de Arriagas Menuett, das beim zweiten Mal noch eine Idee spritziger, leichter und auch spanischer klingt.

Das dritte Konzert im Kammermusikzyklus des Kulturvereins im Martinstadl findet statt am 24. November, 18 Uhr. Natalya Boeva, Mezzosopran, Silvia Careddu, Flöte, Bruno Philippe, Violoncello, und Oliver Triendl, Klavier, präsentieren Werke französischer Komponisten, unter anderem von Debussy, Ravel, Ibert und Saint-Saens.

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