Kabarett:Mit Hut und Gezeter für die Aufklärung

Erwin Pelzig im alten Speicher

Sein Alter Ego Erwin Pelzig hat den Kabarettisten Markus Barwasser berühmt gemacht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kabarettist Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig begeistert im Alten Speicher mit einer politischen Abrechnung

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Nur ein Stuhl steht auf der Bühne des Alten Speichers. Auf dem Tisch aber drei Gläser, eins für Wasser, eins für Weißbier und eins für Rotwein. Denn Frank-Markus Barwasser wechselt im Sekundentakt die Rollen, mal ist er Hartmut, mal Dr. Göbel, aber vor Allem Erwin Pelzig, der Bühnencharakter, der ihn berühmt gemacht hat. Die drei Rollen liefern verschiedene Perspektiven auf rechte Hetze, Facebook, Asylsystem. Erwartbar, aber humoristisch glänzend vorgetragen.

Seit Anfang des Jahres tourt Frank-Markus Bahrwasser, dem Erwin Pelzig mit Hut und Herrenhandtasche bereits seit 1993 treu, mit seinem Programm "Weg von hier" durch den deutschsprachigen Raum. Der Auftritt in Ebersberg ist bereits die 35. Etappe - davon ist allerdings nichts zu merken an diesem Donnerstagabend: Pelzig zetert wie eh und je mit einer unheimlichen Energie, das Publikum dankt es ihm mit stehendem Applaus. Im Mittelpunkt des Programms steht der alltägliche politische Wahnsinn, "Weg von hier" ist die Abrechnung mit einer Gesellschaft, die flieht. Die sich flüchtet, in vereinfachende Erklärungsmuster, in die Vergangenheit, in der angeblich alles besser war.

Erwin Pelzig zieht eine Parallele zwischen dem aktuellen Zeitgeist und dem der Romantik: Auch damals hätten die Menschen sich vor lauter Zukunftsangst in die Vergangenheit geflüchtet. "Doch da haben die Leute wenigstens noch nette Gedichte geschrieben". Das Motiv der Romantik und die Gegenüberstellung mit den Werten der Aufklärung, die man auch heute wieder verteidigen müsse, wiederholt sich im Programm an mehreren Stellen - was dem Auftritt von Barwasser gut tut. Denn in vielen anderen Momenten fehlt der inhaltliche Leitfaden, die Charaktere Pelzig, Dr. Göbel und Hartmut schaffen es kaum, Ordnung in das Wirrwarr von Thesen und Bestandsaufnahmen zu bringen.

Orban, Putin, Erdoğan: Das "Drehbuch der realsatirischen gesellschaftlichen Realität" wirke wie vom Endzeitregisseur Roland Emmerich geschrieben, sagt Pelzig. Er habe sich deshalb erst kürzlich die CD der Titanic-Bordkapelle gekauft, um beim Weltuntergang nicht Helene Fischer hören zu müssen. "Dapfer und däglich", zu deutsch "tapfer und täglich", führt sich der Franke die Nachrichten zu Gemüte. Die englische Premierministerin Theresa May bezeichnet er als "Nachgeburt von Margaret Thatcher", die Spardiktate und den Ausverkauf Griechenlands als "Plünderei".

Immer wieder kommt Barwasser auch auf Flucht und ihre Ursachen zu sprechen: Wer mit subventionierten landwirtschaftlichen Exporten die ohnehin schwachen Ökonomien diverser afrikanischer Staaten zerstöre, der brauche sich über Asylbewerber nicht zu wundern, schimpft Pelzig. Und es sei auch nicht verwunderlich, dass die Senegalesen "mal nachschauen wollen, was aus ihrem Fisch geworden ist".

Nach dem Auftritt ist von Pelzig nichts mehr zu sehen: Im Backstagebereich des Alten Speichers sitzt, nebst Käsekuchen und Kaffeetasse, nur Frank-Markus Barwasser, graue gewellte Haare, Hornbrille, die Beine übereinandergeschlagen. Der 57-Jährige ist vor einiger Zeit Vater geworden. Sechs bis sieben Mal im Monat trete er zurzeit auf, berichtet er. Ob da genug Zeit für die Familie bleibt? "Ist gut machbar", sagt er. Auf persönliche Fragen reagiert der Kabarettist kurz angebunden, fast abweisend.

Angefangen hat Barwasser bei der Zeitung, volontierte bei der Main-Post. Und eigentlich arbeite er immer noch journalistisch, - "beim Kabarett gehört ja auch viel Recherche dazu", das sei wie das Schreiben eines endlosen Kommentars. Jetzt, nach einer längeren Pause, wolle er auch wieder zurück ins Fernsehen, mit dem ZDF liefen bereits Gespräche. "Aber meine Priorität bleibt die Bühne" betont er. Konkrete Pläne gebe es indes noch nicht. Fest steht nur: Dem Hut, der Männerhandtasche und dem Pelzig will Barwasser treu bleiben.

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