Süddeutsche Zeitung

Kabarett im Weinbeisser:Ned schlecht für a Solo

Claudia Pichler begeistert als Fachfrau fürs Bairische

Von Andreas Junkmann, Anzing

Dass der Weinbeisser in Anzing immer gut besucht ist, liegt sicherlich auch an der überschaubaren Größe des Lokals. Wenn man zwischen den ohnehin schon eng gestaffelten Tischen aber fast gar nicht mehr durchkommt, dann muss das Intendantenteam schon einen besonderen Gast an Land gezogen haben. Am Mittwochabend war es wieder soweit. "Heute sind wir wirklich restlos voll", sagt Stephie Propstmeier, die zusammen mit Wirt Dirk Zeilmann die Kleinkunstbühne leitet. Und das, obwohl in Claudia Pichler eine Kabarettistin auftritt, die gerade ihr allererstes Soloprogramm spielt. Das trägt den Titel "Ned blöd ... für a Frau". Und nach dem Abend im Weinbeisser lässt sich durchaus festhalten: Auch ganz geschlechterunabhängig hat sich die 33-Jährige dabei alles andere als blöd angestellt.

Das ist auch nicht weiter verwunderlich, hat Pichler doch sozusagen einen Doktortitel in Sachen Kabarett. Denn promoviert hat die Sprachwissenschaftlerin mit einer Arbeit über Gerhard Polt. Entsprechend gerne spielt Pichler nun auch selbst in ihrem Programm mit der bairischen Mundart. Sie nimmt das Publikum mit zurück in ihre Schulzeit in München, wo sie schon damals schief angeschaut worden sei, wenn sie ihre Mama mit "Griaß di!" begrüßt habe. Ihre Liebe zum Bairischen erklärt Pichler mit ihrer Jugend in Aubing, das, wie sie sagt, vom Münchner Speckgürtel sozusagen die Schwarte ist. Dort ist sie viel bei ihrer Oma gewesen und hat den Dialekt von klein auf in sich aufgesogen.

Heute sei sie trotz der schwierigen Schulzeit heilfroh darüber, "denn wo Standardsprache karg und einfallslos ist, da blüht das Bairische erst so richtig auf". Den Anzingern führt Pichler auch sogleich vor, warum das so ist. Während der Preiß nach übermäßigem Alkoholkonsum lediglich "besoffen" sei, habe man in Bayern einen "Fetznrausch im G'sicht". Auch das Wort "geizig" klinge im Dialekt doch so viel schöner: "Einem Bayer sitzt eben der Ruach im Nacken." Pichler liebt es, mit der Mundart zu spielen, sie in Kontrast zur Schriftsprache zu stellen. Schnell wird dem Publikum klar, warum sie von Günter Grünwald in seiner "Freitagscomedy" regelmäßig als Fachfrau für bairische Sprache und bayerische Kultur zu Rate gezogen wird.

Doch Pichler hat in ihrem Programm noch mehr zu bieten. Sie spielt Gitarre, singt dazu und ordnet ihr Programm immer wieder durch kleine Zwischenstücke auf der Quetsche. Auch schreckt die Nachwuchskabarettistin nicht davor zurück, ihr Publikum etwas auf die Schippe zu nehmen. Ihr Lied über die Aktivitäten einer reichen Rentnerin, sagt sie und blickt über die Tische, könnten einige im Saal durchaus als Inspiration sehen.

Je weiter sich Pichler allerdings von ihrem Kernthema Dialekt entfernt, desto mehr kleinere Schwächen schleichen sich in ihren Auftritt ein. Das Sinnieren über den Import exotischer Früchte etwa gerät schon fast zum Moralvortrag. Auch mit dem ernsten und wichtigen Thema Gleichberechtigung tut sich die 33-Jährige nicht unbedingt einen Gefallen. Hier bereitet ihr vor allem der Übergang in den normalen Kabarettrhythmus ein paar Probleme. Doch solche Wackler verzeiht man der sympathischen Nachwuchskünstlerin gerne. Zumal sie wenig später das Anzinger Publikum schon wieder vollkommen auf ihrer Seite hat.

Und so erleben die Gäste im Weinbeisser einen kurzweiligen Abend mit einer Kabarettistin, von der auch künftig noch einiges zu erwarten sein wird. Auch Claudia Pichler selbst ist mit ihrem Auftritt zufrieden - und vor allem dankbar für die Möglichkeit, überhaupt in Anzing auftreten zu dürfen. "Es ist schon spannend und gar nicht so einfach, wenn man anfängt und ein Soloprogramm macht. Da braucht man Leute, die einem eine Chance geben."

Die Gelegenheit, sich im Weinbeisser zu präsentieren, werden auch in den nächsten Monaten wieder einige vielversprechende Künstler bekommen. Wie Intendant Manfred Zick, besser bekannt als Zither-Manä, sagt, sind für die kommenden Veranstaltungen noch Karten zu haben. Das betrifft die Auftritte vom Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn am 8. Mai, von Hundling am 5. Juni und von Jess Jochimsen am 3. Juli.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2019
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