Kabarett im Alten Kino:Von Mistbritschn und Wuislern

Kabarett im Alten Kino: Der Kabarettist Stephan Zinner garniert sein Programm "Relativ simpel" im Alten Kino mit bairischen Rock 'n' Roll- und Bluessongs aus eigener Feder, Reibeisenstimme inklusive.

Der Kabarettist Stephan Zinner garniert sein Programm "Relativ simpel" im Alten Kino mit bairischen Rock 'n' Roll- und Bluessongs aus eigener Feder, Reibeisenstimme inklusive.

(Foto: Christian Endt)

Stephan Zinner lästert sich mit bairisch-spitzer Zunge durch den Alltag, präsentiert Blues mit Charakter und rät zu mehr Gelassenheit

Von Anja Blum, Ebersberg

Wie ein Abend unter guten, alten Freunden, die man lange nicht gesehen hat, so ist ein Besuch bei Stephan Zinner. Man erfährt, wie's so steht im Leben des anderen, philosophiert ein bisschen, hört Musik, lacht viel, und geht erfüllt-beschwingt nach Hause. Böse Überraschungen: Fehlanzeige. Dass dabei nur einer redet - geschenkt! Schließlich hat Zinner definitiv die besten Anekdoten auf Lager.

Mit seinem Programm "Relativ simpel" war der Kabarettist aus Trostberg nun in Ebersberg zu Gast - und beim Publikum offensichtlich herzlich willkommen: Das Alte Kino war ausverkauft. Sogar aus Mannheim, so konnte man in der Pause erfahren, waren Menschen angereist, um Zinner zu sehen. Und das, obwohl sein Duktus zutiefst bayerisch ist. "Bei den Liedern verstehe ich leider gar nichts, aber der Rest geht", sagte die Dame tapfer lächelnd. Die Reise habe sich also schon gelohnt.

Eine Reise, das ist für Zinner das ganze Leben. Jeder sei doch auf der Suche nach dem Sinn, singt er in einer persönlichen Hommage an Bob Dylan, und jeder versuche, auf eigene Art glücklich zu werden. Doch egal, was man dafür tue - "die Hauptsache ist, dass es funktioniert". Denn wie wusste schon der große Dylan? "The answer is blowing in the wind", die letzte große Antwort, die kennt nur der Wind. Und so ist Zinners Auftritt ein Plädoyer dafür, alles nicht so ernst und wichtig zu nehmen, vor allem sich selbst. Dann nämlich gehe alles einfacher, "dann ist das Leben kein Hexenwerk." Relativ simpel, oder?

Um diese These, die bei Zinner freilich wie bayerische Gelassenheit bei Bier und Schweinsbraten daherkommt, zu untermauern, ist sich der Kabarettist auch nicht zu schade, selbst die Hosen runterzulassen. Mit Tempo und Witz erzählt er zum Beispiel, wie er, nur spärlich von einem Winni-Puh-Handtuch bedeckt, mit dem Paketboten aneinandergerät und schließlich unverhofft in der Wohnung der Nachbarin landet. Einer Frau, die die aussterbende Tradition des Kissens auf dem Fensterbrett noch konsequent kultiviert - und, vielleicht deshalb, den baldigen Weltuntergang propagiert. Immer wieder Thema sind Zinners geliebte Kinder, drei an der Zahl, die ihn aber durchaus das ein oder andere Mal an den Rand des Wahnsinns treiben. "Deswegen macht es auch gar nichts, wenn's heute ein bisschen länger dauert", so Zinner: Daheim sei Übernachtungsparty, fünf Damen zwischen sieben und acht, darunter ein paar "Mistbritschn".

Dass er nicht nur lustig, sondern auch schlagfertig ist, beweist Zinner, als es um den IS geht: Sich umbringen wegen 72 Jungfrauen, sei das wirklich erstrebenswert? Lerne man das Fahren nicht auf "oide Radl" viel besser? Da kommt aus dem Publikum der trockene Hinweis, dass es sich bei dem Versprechen des Korans nicht um 72 Jungfrauen handle, sondern um 74. Zinner ist kurz baff, fragt aber dann gleich frech zurück: "Ist das hier so ein Lehrer-Ding, oder was?

Doch das meiste an diesem Abend ist, wie es so schön heißt, aus dem Leben gegriffen: Zinner lästert sich mit bairisch-spitzer Zunge durch den Alltag, macht sich lustig über ambitionierte Radlfahrer älteren Semesters in hautengen Trikots, deren dopende und lügende Profikollegen - "für solche Haubentaucher müsste der liebe Gott doch wenigstens einen Reserveblitz parat haben!" - arrogante "Biaschal" im weißen SUV, Fußballer ohne eigene Meinung, lebensuntüchtige Bodybuilder, nervige "Deutsch-Pop-Wuisler" und viel zu brave, handysüchtige Jugendliche, sogenannte "What's-App-Amöben".

Dazu gibt es Rock 'n' Roll und Blues "mit Charakter". Das passt hervorragend, denn mit ihrer überschaubaren Anzahl von Akkorden sind derlei Songs ja "relativ simpel". Als Sidekick fungiert Andy Kaufmann, Schlagzeuger aus der Schweiz, und Zinner selbst erweist sich als versierter Gitarrist und Sänger, der sogar Reibeisen kann. Das Lied "Prediger", gesungen Richtung Donald Trump, ist denn auch der ernste Höhepunkt des Abends: "Er spuit mit da Angst, als wärn's Noten", heißt es da, und: "Bitte liag, dass sich die Boik'n biang, mia woin net selba denk'n!"

Letztlich ist das Programm also weder böse noch sonderlich politisch, und intellektuell keine große Herausforderung. Doch es macht gute Laune, und das ist verdammt viel wert.

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