Kabarett:Die Rutsche rauf!

Kabarett: Christian Bumeder rät ab, dem Drang nach höher nachzugeben. Stattdessen: lieber mal die Richtung wechseln.

Christian Bumeder rät ab, dem Drang nach höher nachzugeben. Stattdessen: lieber mal die Richtung wechseln.

(Foto: Christian Endt)

Wortkünstler "Bumillo" liefert im Alten Kino das Rezept für mehr Kreativität und Spaß am Leben

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Es ist Black Friday - der höchste Feiertag aller Schnäppchen-Jäger und Sammler. Doch statt mit fiebrigem Blick und zitterndem Mausfinger vor dem Rechner zu sitzen, haben sich die Freunde feiner Wortakrobatik ins Alte Kino nach Ebersberg begeben. Die Spanne derer, die Bumillo - Poetry Slammer, Rapper, Moderator und seit nunmehr zwei Programmen auch Kabarettist - live und in Farbe erleben wollen, reicht dabei vom Teenager (für die 13-jährige Schülerin ist es ihre Kleinkunst-Premiere) bis zum gehobenen Seniorenalter. Die Frage nach der Generationszugehörigkeit wird gleich noch bedeutsam werden - aber davon später.

Um deutlich zu machen, woher sein Name stammt, stellt sich der Künstler aus Reit im Winkl zunächst einmal vor, wobei der Germanist und Theaterwissenschaftler bescheiden seine Promotion unterschlägt und das Publikum stattdessen mitnimmt auf eine Reise in seine Kindheit. Dort, auf dem oberbayerischen Land, wo sich die Spitznamen nicht nur aus Vor- und Zu-, sondern auch dem Hofnamen ableiten, war Christian Bumeder der "Bumi", bevor daraus anno 1999 dank der Zufallsbegegnung mit einem italienischen Oktoberfestgast ein klangvoller "Bumillo" wurde. Tatsächlich passt der Name perfekt zu dem quirligen Enddreißiger mit dem jungenhaften Gesicht, der energiegeladen auf der Bühne hin- und hertänzelt, während er über die Entwicklungen in der schönen, bunten Konsumwelt referiert.

Dabei taucht er tief ein in die Niederungen der hochkompetitiven Duschgelszene und überlegt, wie segensreich es wäre, müsse man sich nicht jährlich up to date halten, was die Ausstattung mit elektronischen Endgeräten anbetrifft. Zur Hochform läuft er auf, als er zur großen Erheiterung der Anwesenden die Werbebotschaft eines Mineralwassers einer Lyrikanalyse unterzieht. Kurzweilig sowie mal mehr, mal weniger subtil, legt Bumillo hier und auch in den folgenden Nummern den Finger dorthin, wo es nicht nur dem Bewohner der Isarmetropole besonders weh tut. Denn gerade die auf der Sonnenseite des Lebens spüren ja gern mal den Wunsch nach "immer mehrer und mehrer" - wie er so wunderbar in seiner "München-Meditation" darstellt, bei der die Bühne passend in rotes Licht getaucht ist.

Ein weiteres großes Thema des zweifachen Vaters ist die Überhandname von Zank und Beschwerdewesen - beileibe nicht nur auf deutschen Spielplätzen und in der internationalen Politik. Allüberall wird sich permanent empört, herumgepöbelt oder das Internet mit Hasskommentaren vollgeschrieben. Wie viel schöner wäre es da doch, mit einem kindlich-fröhlichen "Tadaaa!" auch kleine Errungenschaften zu feiern. Oder, wenn das nichts hilft, fleischgewordene "Wurstigkeit" Einzug in den Alltag halten zu lassen - on- und offline.

Er ist ziemlich direkt, dieser bairische Kabarettist, zuweilen fast derb, dann wieder poetisch und schlichtweg beeindruckend, wenn er die Zuhörenden mit seinen wortgewaltigen Songs beglückt, bevor er sie erfolgreich animiert, bei einem Hip-Hop einzustimmen.

Besondere Begeisterung (in erster Linie bei den entsprechenden "Zeitzeugen") erzielt der 38-Jährige allerdings, wenn er seine ersten Erfahrungen mit einem Internetkauf zum Besten gibt und anschaulich demonstriert, welcher Aufwand seinerzeit damit verbunden war. Sowohl rein technisch (man erinnere sich an den Kabelsalat) als auch zeitlich (unvergessen die Downloadgeschwindigkeit beim Bildaufbau). Die Tanzperformance zur Modemmelodie verdient hier eine besondere Würdigung und nötigt auch der Generation "wie-es-gab-ein-Leben-vor-Insta-und-Netflix??" großen Beifall ab.

Doch der Mann im blauen Jeanshemd schlägt nicht nur einen Bogen zwischen den Altersgruppen, er integriert auch alle Nicht-Bajuwaren. Vor allem der Exkurs zu den "50 shades of Basst scho" und die drastische Warnung vor den Fallstricken von "werd scho bassn" sind ausgesprochen erhellend - und ziemlich lustig. Zum Schluss liefert die fast zweistündige Show mit der Weltpremiere des Raps "Besoffene Boxer" - vorerst in Gedichtform - sogar noch einen Ausblick auf das neue Programm, das im März 2020 Premiere hat.

Als Quintessenz des Rezepts von Dr. Bumillo für ein besseres Leben in einer besseren Welt kann man zusammenfassen: Weniger meckern, mehr machen! Nicht um jeden Preis dem Drang nach höher und weiter nachgeben, sondern vielleicht einfach mal die Richtung wechseln. "Die Rutsche rauf" - nicht immer bloß runter!

Am Ende darf sich das Publikum aber doch noch über ein ganz besonderes Angebot freuen: Zusätzlich zur CD vom ersten Programm "Veit Club" gibt es beim Erwerb eine Kassette mit den Songs aus "Die Rutsche Rauf". Wie gut, wenn man dann im Keller noch ein Vintage-Abspielgerät findet und es deswegen nicht kurz vor Black-Friday-Schluss noch bestellen muss.

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