Kabarett beim Kulturfeuer:Warum Comedy über Fremdenfeindlichkeit in Bayern nötig ist

Kabarett beim Kulturfeuer: Macht sich nicht nur über andere lustig, sondern auch über sich selbst: Simon Pearce beim Ebersberger Kulturfeuer im Alten Speicher.

Macht sich nicht nur über andere lustig, sondern auch über sich selbst: Simon Pearce beim Ebersberger Kulturfeuer im Alten Speicher.

(Foto: Christian Endt)

Simon Pearce unterhält das Publikum im Alten Speicher mit einer klugen Mischung aus Slapstick und Selbstironie.

Von Theresa Parstorfer, Ebersberg

Die Entscheidung zwischen Chicken Wings und Leberkäs fällt am Münchner Hauptbahnhof nicht unbedingt leicht. Vor allem, wenn man Simon Pearce heißt und in dem einen Gericht seine bayerischen und in dem anderen seine afrikanischen Wurzeln schmecken würde. Simon Pearce ist der 37-jährige Sohn der bayerischen Schauspielerin Christiane Blumhoff, sein Vater ist "Afrikaner", Pearce selbst Comedian.

Und klar, sein Thema auf der Bühne sind Geschichten darüber, wie es ist, als dunkelhäutiger Mann astreines Bairisch zu sprechen und "Erfahrungen zu machen, die man eben nur macht, wenn man nicht weiß ist", sagt Pearce am Freitagabend im gut gefüllten Alten Speicher in Ebersberg.

Während von draußen der Lagerfeuergeruch des Kulturfeuers hereinwabert, sind die Anführungszeichen um "Afrikaner" beinahe hörbar. Nach wie vor ist es für Pearce beinahe schmerzhaft, dass es bei so manchem Weißen, so manchem Deutschen, so manchem Bayer noch nicht angekommen zu sein scheint, dass es sich bei Kapstadt, Ghana und Senegal nicht um austauschbare Lokalitäten handelt.

Pearce, eine Hand an der Stirn wie um die Augen vor der Sonne abzuschirmen, fügt noch hinzu: "Ah ja, nur Weiße im Publikum - war ja klar". Damit ist der erste Lacher garantiert und das Thema des Abends gesetzt: politische Korrektheit im Alltag. Ebenso wichtig ist Pearce allerdings die Frage nach größeren Zusammenhängen und politischen Entscheidungen. AfD, Fremdenfeindlichkeit, Überwachung und so weiter. Herrlich leicht bringt er auch derart gewichtige Themen auf die Bühne. Ihm gelingt das ohne moralischen Zeigefinger, oft nur in pointierten Nebensätzen, während er einfach von sich selbst erzählt.

Etwa die Geschichte mit dem Bahnhof. Die geht nämlich noch weiter. "Drei Minuten am Münchner Hauptbahnhof rumzustehen und in die Luft zu schauen, ist für einen Schwarzen gefährlich", sagt Pearce über sein Reiseproviant-Dilemma. Die Daumen in einem imaginären Gürtel, die Stimme nach unten getunt, ist er plötzlich der Polizist, der ihn zwischen Döner-Bude und Würschtl-Stand von hinten antippt: "You have passport?", fragt der Beamte. Wechsel zur eigenen Persona: "Ah ja, freilich, gibt's a Problem?" Die Verwirrung überspielt der Pearce-Polizist gekonnt: "Sie hom eana a bissl verdächtig verhoitn. Wissn Sie, wos in eanana Daschen is?". Der Rest der Szene, inklusive Tasche ausleeren und Identitätskontrolle, ist gut vorstellbar.

Pearce schafft es allerdings nicht nur, geschickt und gleichzeitig klug auszuteilen. Wie er etwa den etwas dickeren Polizisten auf die Schippe nimmt, indem er dessen Drohung "Bürschal, Sie stengan auf ganz dünnem Eis" mit der Bemerkung "naja, wenn wir hier auf dünnem Eis stehen, dann bin ich ja auf der sicheren Seite" kontert. Nein, Pearce ist auch ein Meister darin, sich selbst so ironisch zu karikieren, sodass klar wird: Gewisse Klischees erfüllen die meisten Menschen. Doch solange sie sich zumindest im Kern bewusst darüber sind, ist das gar nicht so schlimm. Sondern vielleicht sogar lustig.

Beispiel: "Mein Problem ist, ich bin zwar schwarz, aber auch sehr deutsch", gesteht Pearce. "Kennt ihr das: Euch pressiert's total und ihr hetzt zum Bahnhof - Rolltreppe am Rosenheimer Platz, und dann stehen da zwei Jugendliche nebeneinander und chillen auf dem Weg nach unten". Niemals habe er mit Ende dreißig ein zwar nach wie überzeugter Träger von Caps und bedruckten T-Shirts sein wollen, der sich dann aber räuspernd auf der Rolltreppe bemerkbar macht, um den wichtigsten deutschen Rap "Links gehen, rechts stehen" an die Jugend zu bringen. "Und dann höre ich mich auch noch beim Vorbeigehen tsää hmmppff machen", sagt Pearce und gibt einen genervten Schnalzlaut von sich, verbunden mit einem Augenrollen.

Das Publikum kringelt sich, doch so manch einer wird sich insgeheim wiedererkennen in diesem deutschen Drängel-Spießertum. Dass die latente Unfähigkeit zum "relaxt sein" so gar nicht gut für den Weltfrieden ist, baut die programmatische Brücke zum Veranstaltungstitel "Pearce on Earth". "Das klingt nach Weltfrieden, oder?", sagt Pearce schon zu Beginn. Das sei doch sehr allumfassend - so großspurig wolle er gar nicht daherkommen.

Aber irgendwie laufen seine Anekdoten immer wieder auf eines hinaus: Die seines Erachtens urbayerische Sehnsucht nach "Ruah" sollte doch in der Lage sein, vieles zu entspannen. Alltagsstress, Flugangst, Verlassenwerden und auch so manche angespannte politische Debatte, ganz zu schweigen von Auseinandersetzungen am Hauptbahnhof.

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