Justiz in Bayern:Amtsgericht Ebersberg: Verbrechen am laufenden Band

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Ein Fahrrad-Diebstahl wäre einem 64-Jährigen fast teuer zu stehen gekommen. (Foto: dpa-tmn)

Ein mehrfach vorbestrafter Mann versucht am Bahnhof Vaterstetten ein Rad zu klauen - und landet dafür fast im Gefängnis.

Aus dem Gericht von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wenn das sprichwörtliche Fass schon bis zum Rand gefüllt ist, braucht es nicht mehr viel, um selbiges zum Überlaufen zu bringen. Das musste nun ein 64-Jähriger feststellen, der vor dem Ebersberger Amtsgericht angeklagt war. Dessen Fass war, um im Bild zu bleiben, bis oben hin mit Straftaten vollgepackt - und so hätte ihn nun fast ein eher kleineres Vergehen in seiner Vita wieder zurück ins Gefängnis gebracht. Doch Richterin Vera Hörauf wollte dem Mann noch eine allerletzte Chance geben, auch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes.

Der Anklagepunkt, wegen dem der 64-Jährige den Weg von seinem Wohnort nahe Augsburg in die Kreisstadt auf sich nehmen musste, las sich zunächst spektakulärer, als die eigentliche Tat war. Laut Staatsanwalt habe der Mann einen besonders schweren Fall des Diebstahls begangen. Wie aus der Anklageschrift hervorging, lag diese etwas drastische Wortwahl vor allem daran, weil der Angeklagte durchaus schweres Werkzeug benutzt hatte, als er im September vergangenen Jahres ein Fahrrad aus dem Unterstand am Vaterstettener Bahnhof habe klauen wollen. Mit einem Winkelschneider nämlich machte sich der Mann an dem Schloss zu schaffen, musste aber von seinem Vorhaben ablassen, weil er von einem Zeugen auf frischer Tat ertappt wurde. Daraufhin, so der Staatsanwalt, sei der Angeklagte geflüchtet - zu Fuß.

Dass das in etwa so zutreffe, bestätigte der Angeklagte auf Nachfrage von Richterin Hörauf. Allerdings habe er nicht deshalb das Weite gesucht, weil er erwischt worden war, sondern weil er während der Tat "ein schlechtes Gewissen bekommen" habe. Er habe das Fahrrad ja eigentlich gar nicht stehen wollen, sagte der Mann. Er sei nur deshalb nach Vaterstetten gefahren, weil er über eine Zeitungsanzeige günstiges Futter für seine beiden Hunde gekauft hatte und dieses dort abholen wollte. Warum er sich bei der Gelegenheit an dem Rad zu schaffen gemacht hat, könne er sich heute nicht mehr so recht erklären. "Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat."

Möglicherweise der Wert des Fahrrades, mutmaßte jedenfalls Richterin Hörauf. Dieses nämlich sei durchaus hochpreisig und in dem Zustand immer noch für bis zu 400 Euro zu verkaufen. Das allerdings habe er nicht vorgehabt, beteuerte der Mann. Er hätte das Rad ja auch gar nicht mitnehmen können, da der Kofferraum seines Autos mit den beiden Hunden und den zuvor gekauften Futtersäcken ja schon vollgepackt war.

Dass den Angeklagten womöglich nicht nur das schlechte Gewissen zum Abbruch seines Vorhabens bewegt haben könnte, legte die Aussage eines Zeugen nahe, der den Mann auf frischer Tat ertappt hatte. "Es sind Funken geflogen, wie wenn jemand etwas schleift", sagte der 63-Jährige vor Gericht. Als der Mann ihn bemerkt hatte, habe er blitzartig die Flucht ergriffen. "Er konnte relativ schnell rennen", so der Zeuge, der sich allerdings das Kennzeichen des Wagens gemerkt hatte.

Und so landete der 64-Jährige nun am Dienstagnachmittag auf der Anklagebank der Ebersberger Justizbehörde - ein für ihn nicht ganz ungewohnter Sitzplatz, wie bei Verlesung des Vorstrafenregisters deutlich wurde. Dort waren für den Mann bereits 25 Einträge verzeichnet - von eher kuriosen Vergehen wie der Störung des Gottesdienstes oder Gefangenenmeuterei bis hin zu schwerwiegenden Straftaten wie Raub und Vergewaltigung. Als "sehr kreativ" bezeichnete Richterin Hörauf deshalb die Verbrecherkarriere des Mannes - die nun um einen Eintrag reicher ist.

Entgegen der Anklage verurteilte die Vorsitzende den 64-Jährigen allerdings lediglich wegen des versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe von insgesamt 2700 Euro. Von der vom Staatsanwalt geforderten zehnmonatigen Gefängnisstrafe sah Hörauf ab, denn die letzte Tat liege nun immerhin schon rund zehn Jahre zurück. Außerdem müsse man die persönlichen Umstände des Mannes berücksichtigen. Dieser müsse eigenen Angaben zufolge unter anderem wegen eines schweren Leberschadens bereits dringend ins Krankenhaus. Und so ließ Hörauf nochmals Milde walten, verbunden allerdings mit einer Hoffnung: "Sie sind krank genug, um Ihre Energie in etwas anderes zu stecken, als Straftaten zu begehen."

© SZ vom 03.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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