"...just songs":Ein Fest der Stimmen

"...just songs": Mit Musik durch die Geschichte: Beim Auftritt der Singphoniker im Alten Speicher gab es Lieder aus sechs Jahrhunderten.

Mit Musik durch die Geschichte: Beim Auftritt der Singphoniker im Alten Speicher gab es Lieder aus sechs Jahrhunderten.

(Foto: Christian Endt)

Die Singphoniker gehen im Alten Speicher in Ebersberg auf Zeitreise durch die Musikgeschichte

Von Peter Kees, Ebersberg

Drum singe, wem Gesang gegeben. Die sechs Herren können es. Harmonisch, mit opulenter Klangschönheit und wunderbarer Intonation traten "die Singphoniker" im Alten Speicher in Ebersberg auf. In ihrem Programmzettel weisen sie explizit darauf hin: "Die Stimme ist und war zu allen Zeiten ein phänomenales Instrument."

In der Tat, ein Instrument, das uns allen innewohnt, auch wenn nicht jeder das Singen so beherrscht wie Johannes Euler (Counter-Tenor), Daniel Schreiber (Tenor), Henning Jensen (Tenor), Berno Scharpf (Klavier, Bariton), Michael Mantaj (Bass-Bariton) und Christian Schmidt (Bass). Nun ist der Sologesang das eine, das Ensemblesingen etwas völlig anders. Darin sind die Singphoniker wahrlich großartig. Sie bilden ein auffallend homogenes, miteinander verwobenes Vokalensemble, ob als Sextett, Quintett oder Quartett, a cappella wie mit Klavierbegleitung (Berno Scharpf). In ihrem Programm "...just songs" in Ebersberg begaben sich die Sänger auf eine musikalische Zeitreise. Musik der Renaissance stand neben Popsongs, Musik der Romantik neben Neuer Musik. Ganz selbstverständlich gehen die Herren mit diesen Genresprüngen um. Dabei entsteht kein buntes Allerlei, vielmehr ergeben sich Verbindungslinien, die konventionelles Spartendenken mit einem Fragezeichen versehen.

Alles begann mit Carl Orff, seinem für sechsstimmigen Männerchor geschriebenen "Sunt lacrimae rerum", uraufgeführt 1957. Die Singphoniker beeindruckten mit einer äußerst feinen, ausgewogenen Interpretation und führten bereits in diesem Entree a cappella vor, was Stimmkunst heißt. Und sie legten nach. In die Romantik entführten sie ihr Publikum. Über Schubert, Mendelssohn-Bartholdy, Brahms ging es bis zu Richard Strauss, seinem "Traumlicht" für Männerchor, eine Rückert-Vertonung.

Weltlicher Männerchorgesang ist eine Erfindung des 19.Jahrhunderts, durchaus mit dem Ziel patriotische Haltung und Volksbildung gesellig wie musikalisch zu pflegen. Nicht umsonst findet sich in der Romantik reichlich Literatur für mehrstimmigen Männergesang, freilich nicht zwingend politischer Natur. Dass Franz Silcher mit seinen volkstümlichen Liedern "Loreley" oder "Frisch gesungen" mit auf dem Programm vertreten war, versteht sich dabei fast von selbst, zumal, wenn man zu einer Zeitreise des Männergesangs einlädt.

Richard Strauss Nachterlebnis nahm man zum Anlass, ein Jahrhundert zu springen: zu einem Nachtereignis von Sting, seinem Song "Sister moon". Der Popsong erklang ebenso obertonreich wie die romantische Musik zuvor. Hübsch war die vokale Imitation von Schlagzeug und Bass. Im gleichen Jahr wie Sting ist der Komponist Max Beckschäfer geboren, ein Vertreter der Neuen Musik, dessen "I fe degli occhi porta" (Michelangelo-Fragmente) vor Pharrell Williams "Happy" den ersten Teil des Abends ausklingen ließ.

Mehrstimmigen Gesang gibt es natürlich seit Jahrhunderten. In den Madrigalen der Renaissance findet sich ein Höhepunkt der mehrstimmigen Vokalmusik. Vieles an dem klug gebauten Abend klang danach, war aber später komponiert oder arrangiert. Einen Abstecher ins 16.Jahrhundert mit einem originalen Madrigal gab es jedoch auch: Atemberaubend Claudin de Sermisy "Il est jour, dit Alouette".

Bei singenden Männern - gerade aus dem unterhaltenden Repertoire - kommt man um ein Ensemble natürlich nicht umhin, die Comedian Harmonists. Und auch davon hörte man an diesem Abend. Vor allem in den Interpretationen der scharfzüngigen, voller beißender Ironie versehenen Liedern von Georg Kreisler - die übrigens im mehrstimmigen Gesang durchaus Sinn ergeben. In der Anmoderation war es treffend formuliert: Kreislers Lieder, nicht nur seine Texte, auch seine Musik, sind derart unübertroffen, dass sie unbedingt auch nach dem Tod des Schöpfers auf der Bühne weiterleben sollten.

Dass der Saal des Alten Speichers nur etwa zur Hälfte gefüllt war, tat dem Genuss des Abends keinen Abbruch. Wer nicht kam, hatte etwas verpasst.

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