Juroren der Jugendkultur:Künstler mit Sprengkraft

Juroren der Jugendkultur: Künstlerisch zu arbeiten, bedeutet für den Ebersberger Andreas Mitterer, mit praktisch allem zu experimentieren, was ihm zwischen die Finger kommt.

Künstlerisch zu arbeiten, bedeutet für den Ebersberger Andreas Mitterer, mit praktisch allem zu experimentieren, was ihm zwischen die Finger kommt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Andreas Mitterer setzt sich gerne über Grenzen hinweg - auch als Juror des Jugendkulturpreises

Von Anja Blum, Ebersberg

Tagsüber sitzt Andreas Mitterer ganz zivilisiert an seinem Schreibtisch im Büro, bearbeitet als selbständiger Grafiker die Aufträge seiner Kunden. Doch nachts, da lässt er die Welt des "Geldverdienens" hinter sich und seiner Fantasie freien Lauf. Dann geht Mitterer in sein Atelier, das ehemalige Kesselhaus der Brauerei am Ebersberger Schlossplatz, ein außergewöhnlicher Ort: ein langer, fünf Meter hoher Raum in einem baufälligen, historischen Gebäude, an dessen frühere Bestimmung zahlreiche Wasser- und Stromanschlüsse erinnern. Mitterer liebt solche Plätze offenbar, zuvor nutzte er eine ehemalige Backstube als Atelier. Dass es nun im Kesselhaus eher finster ist, stört ihn wenig. "Wenn ich hier arbeite, ist es meist eh schon dunkel draußen."

Künstlerisch zu arbeiten bedeutet für den Ebersberger, mit praktisch allem zu experimentieren, was ihm zwischen die Finger kommt. Studiert hat Mitterer an der Akademie in München zwar Malerei, in seinem Schaffen sprengt er deren Grenzen jedoch nur allzu gerne. Vielleicht auch, weil er als gelernter Kunstschmied dem Handwerk sehr nahe steht. Besonders angetan haben es ihm zum Beispiel Klebebänder, die er zu dreidimensionalen Gebilden formt, oder Kaffeemaschinen, deren braunen Sud er unkontrolliert übers Papier mäandern lässt. Gerne verwandelt der 46-Jährige auch ganze Räume in vielschichtige Kunstobjekte, in Abenteuerspielplätze voller Impulse und Irritationen. Offene Arrangements, die dem Besucher die Möglichkeit zur interaktiven Auseinandersetzung bieten und als eine Art Labor verstanden werden sollen. Mit seinem Wanderprojekt "Le Salong" - aus "Salon" und "so long" - etwa schafft Mitterer atmosphärisch aufgeladene Orte der Begegnung, angereichert mit Objekten, Bildern, Fundstücken, Büchern, Licht, Möbeln und Musik. Orte zum Begehen, zum Lesen, Grübeln, Träumen. Aber auch Raum-in-Raum-Installationen begeistern ihn: In die Alte Brennerei zum Beispiel, die Galerie des Ebersberger Kunstvereins, baute er vor ein paar Jahren einen langen Holztunnel hinein - als Entrée zu einer Schau mehrerer Künstler zum Thema Migration. Dieses war ursprünglich zwar gar nicht Mitterers Intention gewesen - "mit didaktischer Kunst hab ich es nicht so" -, doch mit anderen zusammenzuarbeiten, ist ihm eine Freude. "Da gibt es eigentlich immer wunderbare Überschneidungen", sagt Mitterer. In diesem Fall sei sein Tunnel "eben der Topf gewesen, in den alles andere wunderbar hineingepasst" habe. Solche Kooperationen funktionierten sogar über die Grenzen der Genres hinweg, schließlich gehe es ja in jedem Fall um einen künstlerischen Ausdruck.

Diese Erfahrung hat Mitterer auch als Juror des Jugendkulturpreises gemacht, bei dem alle denkbaren Umsetzungen eines Themas erlaubt sind. "Man kann die Arbeiten erstaunlicherweise sehr gut miteinander vergleichen", sagt der Ebersberger Künstler, "das Medium spielt dabei eigentlich gar keine Rolle". Und auch das Alter nicht: 2013 zum Beispiel habe ein junges Geschwisterpaar mit einem angebissenen "Tigerentenbrot" einem fast schon professionellen Musikvideo der Band Zeitzeuge den Rang abgelaufen. "Da fanden wir alle einfach diese Idee so toll", schwärmt Mitterer noch heute. Überhaupt sei sich die Jury dieses Wettbewerbs jedes Mal sehr einig in ihrer Bewertung - "und das ist sehr schön".

In der Jury sitzt Mitterer als Künstler, aber auch als Zweiter Vorsitzender des Ebersberger Kunstvereins; eine Aufgabe, die er seit Anfang des Jahres erfüllt und als "fantastisch" bezeichnet. Der Verein stehe sehr gut da und genieße ein hervorragendes Renommee. Nur in der Nachwuchsarbeit gebe es etwas Nachholbedarf - dem sich Mitterer mit vielen Ideen zur weiteren Öffnung widmet. "Und das funktioniert gut", sagt er. Besonders die Reihe "Kunst und Musik" locke viele junge, kunstfernere Menschen in die Galerie. Auch, dass die Verleihung des Jugendkulturpreises heuer das erste Mal beim Kunstverein stattfindet, fällt in diese Kategorie. "Das hat sich angeboten, schließlich profitieren davon beide Seiten", sagt Mitterer.

Am Jugendkulturpreis des KJR teilnehmen wird heuer auch Mitterers zwölfjährige Tochter. "Da werde ich mich bei der Bewertung natürlich enthalten", beeilt sich der Vater zu versichern. Genauso wie bei der Entstehung des Werkes: "Ich finde es viel spannender, die Kinder ihre eigenen Ideen entwickeln zu lassen. Dann kommen die auf Sachen, die einem selber nie einfallen würden", sagt Mitterer, dessen eigene Neugier auf die Kunst von einem Gymnasiallehrer geweckt wurde. Überhaupt geht es in seinen Augen beim Jugendkulturpreis nicht um Kunst im engeren Sinne, sondern darum, kreative, innovative Lösungsansätze für ein bestimmtes Thema zu finden. Und das könnten gerade junge Menschen sehr gut. Bei der Umsetzung, da stehe er seiner Tochter Leonie freilich helfend zur Seite. "Wenn sie das möchte."

Das Thema des Jugendkulturpreises 2015 lautet "Glückskeks". Eingereicht werden können alle Arten der Umsetzung: Gemaltes, Skulpturen, Fotos, Videos, Texte, Musikstücke, Dramaturgisches oder - wortwörtlich - Backwaren. Teilnehmen können Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 21 Jahren, allein oder als Gruppe. Der Kreisjugendring (KJR) nimmt die Arbeiten in seiner Geschäftsstelle in der Bahnhofstraße 12 in Ebersberg entgegen, Abgabeschluss ist diesen Montag, 26. Oktober, um 18 Uhr. Als Preisgeld winken insgesamt 1000 Euro, auf wie viele Gewinner die Summe verteilt wird, hängt von der Teilnehmerzahl ab. Die Preisverleihung findet am Freitag, 30. Oktober, 19 Uhr, beim Ebersberger Kunstverein im Klosterbauhof statt.

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