Süddeutsche Zeitung

Juroren-Ausstellung in Ebersberg:Auch die Künstler-Jury zeigt was sie kann

Lesezeit: 2 min

Von Theresa Parstorfer

Das Fenster samt Rahmen wurde herausgerissen. Dort, wo vermutlich einmal ein Fensterbrett war, liegt ein kleiner, goldener, gekreuzigter Jesus. Auf den Dielen im Vordergrund sammelt sich Schutt und Dreck, im Hintergrund ist ein unscharfer Waldrand zu sehen. "Verlorene Heimat" heißt die Fotoreihe von Christine Meder, einer der Jurorinnen der Jahresausstellung des Ebersberger Kunstvereins. Ein trauriger Titel und schmerzhaft schön sind die Bilder von alten bayerischen Bauernhöfen, kurz bevor oder sogar während die teils Jahrhunderte alten Gemäuer abgerissen wurden.

Meder ist Fotografin, und zusammen mit Werken der vier anderen Juroren wird die "Verlorene Heimat" für einen Monat im Dachgeschoss des Grundbuchamtes gegenüber des Ebersberger Amtsgerichtes zu sehen sein.

"Eine Juroren-Ausstellung parallel zur Jahresausstellung veranstalten wir nun schon seit vielen Jahren", sagt Organisator Hubert Maier. "Wir finden es fair, wenn die ausgewählten Künstler auch sehen, wer da über sie entschieden hat."

In diesem Jahr freut es Maier besonders, dass sich die Vielfalt der Hauptausstellung in der Alten Brennerei auf der anderen Straßenseite in der Ausstellung der Jury-Mitglieder widerspiegelt. "Beispielsweise kommt es nicht oft vor, dass wir einen Bildhauer als Juroren finden", sagt er. Doch mit den Arbeiten von Nikolai von Magnus ist der große Ausstellungsraum des Grundbuchamtes in diesem Jahr gut gefüllt mit 15 Holzfiguren unterschiedlicher Größe. Allesamt stellen sie Menschen dar, oft in Kombination mit Tieren, wobei es von Magnus um das Ausloten der Grenzen zwischen Körper und Geist geht.

Grenzen, in Form von Linien beschäftigen auch den Maler Manfred Mayerle, allerdings ist sein zweites Hauptthema die Farbe. Das Arbeiten mit flächig aufgetragenen Ölfarben ist für ihn wie "ein Einfrieren von Zeit". Mayerle fährt mit der flachen Hand durch die Luft, um die Reise der flüssigen Farbe über die großen Leinwände nachzuempfinden. Seine Werke mögen entfernt an Mark Rothko erinnern, doch eine Besonderheit bei ihm ist, dass oft zwei Leinwände aneinander liegen, in deren Mitte eine feine Naht aufgemalt zu sein scheint. Bei näherem Betrachten fällt jedoch auf, dass es sich um unter der Hauptfarbe durchscheinende Farbschichten handelt, die von der herunterlaufenden Farbe nicht ganz überdeckt wurden.

Von dieser intensiven Farbigkeit in dem Teil des Raumes, den der Besucher zuerst betritt, geht es in perfekter Abstimmung und im Uhrzeigersinn weiter zu etwas gedämpfteren Farbtönen auf den teils Collage-artigen Gemälden von Jutta Lageder. Sie erzählt, wie ein Besuch in den Steinbrüchen von Carrara sie nicht mehr losgelassen hat. Seither beschäftigt sie sich mit unterschiedlichen Materialien und Schichten, um die Spannungen zwischen ewigem Fels und der gewaltsamen Einwirkung des Menschen einzufangen.

Den Abschluss des Raumes bilden die Gemälde von Angelika Oedingen, die für sich genommen wie eine persönliche Reise gelesen werden können. Erst vor kurzem ist die Künstlerin von Köln nach Bayern gezogen. Während sie in ihrer alten Heimat oft farbige, traumhaft verschwommene Märchenwälder abgebildet hat, malt sie "in Bayern nur noch schwarz-weiß". Nicht, weil es ihr hier nicht gefällt, sondern eher im Gegenteil: "Weil die bayerische Landschaft so schön ist, dass ich es nicht wagen würde, zu versuchen, da mit meiner Malerei heranzureichen", sagt sie lachend.

Besonders bedeutsam werden Oedingers Bilder einer neu gefunden Heimat im Zusammenspiel mit Christine Meders Fotografien der "Verlorenen Heimat". Meder versteht es zwar, wenn Bauern nicht mehr in den alten Häusern leben wollten. Sie selbst empfindet jedoch jeden von ihr dokumentierten Abriss eines Bauernhofes wie eine Lücke in einer traditionsreichen Kulturlandschaft. Ihre Fotografien inszeniert sie nicht, was kaum zu glauben ist, wenn da der gekreuzigte Jesus im Fenster ohne Scheibe, ohne Rahmen und ohne Fensterbrett seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2018
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