Pianistin im Porträt:Musik und Medizin

Pianistin im Porträt: An öffentliche Auftritt ist die Wasserburgerin Johanna Bufler von Kindesbeinen an gewöhnt.

An öffentliche Auftritt ist die Wasserburgerin Johanna Bufler von Kindesbeinen an gewöhnt.

(Foto: oh)

Die Wasserburgerin Johanna Bufler hat an der Juilliard School und in Yale Klavier studiert - jetzt wird sie Ärztin. Konzerte geben will sie aber weiter. Am Wochenende gastiert sie in ihrer Heimat.

Von Alexandra Leuthner

Videokonferenz. Wie in Corona-Zeiten. Johanna Bufler ist nicht ganz leicht zu erreichen, die Pianistin studiert in New York. Für das Wasserburger Rathauskonzert am Samstag ist sie dann aber doch schon ein paar Tage früher heimgekommen. Jetzt sitzt sie bester Laune vor dem aufgeklappten Klavier im elterlichen Haus in Wasserburg. "Ein bisschen wie beim Distanzunterricht", sagt sie. Ihre Hände malen den Umriss eines Bildschirms in die Luft. "Ein ganzes Semester, immer so. Das war ganz wild."

Klavierunterricht per Video - während der Pandemie auch in New York ganz normal, für eine Nachwuchspianistin aber eine Herausforderung. Die inzwischen 24-Jährige hat die Juilliard School und die Yale University besucht, einen Bachelor und einen Master of Music erworben. Wenn sie am Klavier sitzt, geht es nicht um ein bisschen Klimpern, sondern um CD-Einspielungen oder um Konzertauftritte, von denen sie schon so viele in den USA und Europa bestritten hat, dass sie ins Überlegen kommt, wie viele es denn gewesen sein mögen.

Pianistin im Porträt: Beim Wasserburger Rathauskonzert am Samstag hat Johanna Elisabeth Bufler ein Heimspiel. Sonst ist die 24-Jährige meist in New York.

Beim Wasserburger Rathauskonzert am Samstag hat Johanna Elisabeth Bufler ein Heimspiel. Sonst ist die 24-Jährige meist in New York.

(Foto: oh)

An diesem Wochenende kommen zwei weitere hinzu. Gemeinsam mit ihren Trio-Partnerinnen und Juilliard-Kommilitoninnen Eliza Wong (Violine) und Anne Richardson (Violoncello) - beide sind derzeit als Akademistinnen beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks - wird Bufler an diesem Freitag in Bad Aibling und am Samstag in Wasserburg romantische Stücke von Schubert, Dvorak und Tschaikowsky spielen.

Pianistin im Porträt: Mit sieben Jahren war Johanna die jüngste Schülerin am Mozarteum in Salzburg, ihr erster Lehrer dort Professor Andreas Weber.

Mit sieben Jahren war Johanna die jüngste Schülerin am Mozarteum in Salzburg, ihr erster Lehrer dort Professor Andreas Weber.

(Foto: privat)

"150 Minuten pure Musik", schwärmt sie. Jetzt, nach dem Abschluss ihrer Ausbildung, könne sie sich ihr Repertoire ja endlich selbst aussuchen. Andererseits: "Wenn man für Itzhak Perlman vorspielt, dann ist das natürlich schon eine große Ehre." Was an einer weltweit führenden Ausbildungsstätte für Künstler wie der Juilliard School schon vorkommen kann, dass den Schülern Berühmtheiten wie der Geiger Perlman oder der Cellist Yo-Yo Ma über den Weg laufen.

Jeden Samstag, noch als Schülerin eines Internats in einem New Yorker Vorort, war die junge Johanna, die ihr Elternhaus mit 15 in Richtung Vereinigte Staaten verlassen hat, in der Früh um acht Uhr in die City gefahren und dann als Pre-College-Student eingetaucht in jene Parallelwelt der Schule. Nichts als Musik, Tanz und Schauspiel auf drei Stockwerken, in jedem Raum eine andere Kunst. In der Regel sei es Mitternacht gewesen, wenn sie das Gebäude wieder verlassen habe, erzählt sie. "Die Pianisten gingen immer als letzte, die haben so viele Noten und am meisten zum Üben. "

In ihrem anderen Leben, dem einer Internatsschülerin, zählte nur das Lernen, das internationale Abitur. "Mit meinen Freundinnen in der Schule habe ich nie über das Klavierspielen gesprochen. Die hätten höchstens gesagt: "Spiel doch mal ,Für Elise'". Bufler lacht, dann wandern ihre Hände hinüber zum Klavier, ein paar rasend schnelle Akkordläufe perlen aus den Fingern. Schließlich ist sie mitten in der Konzertvorbereitung, Schuberts Klaviertrio Nr. 1 in B-Dur, Dvořáks Klaviertrio Nr. 3 in f-Moll und Peter Tschaikowskys Klaviertrio a-Moll op. 50 stehen auf dem Programm. Sie habe viel Trio-Repertoire in ihren Händen, den Dvorak aber komplett neu einstudiert. "Ein Riesending, der reinste Genuss, das zu üben".

Pianistin im Porträt: Begnadete Hände - schon früh war klar, dass Johanna eine außergewöhnliche Begabung hatte.

Begnadete Hände - schon früh war klar, dass Johanna eine außergewöhnliche Begabung hatte.

(Foto: privat)

Von wegen "Für Elise". Den "kleinen" Beethoven hat die Wasserburgerin, die mit sieben Jahren als jüngste Studentin am Salzburger Mozarteum aufgenommen wurde, wahrscheinlich schon im ersten Jahr spielen können. "Ein Instrument, das war in unserer Familie gegeben." Mutter, Vater, die zwei Brüder, die Schwester - Querflöte, Geige, viele Hände und viel Musik - doch die Hände von Johanna waren die begnadetsten. Mit zehn Jahren debütierte sie mit dem Cincinnati Starling Chamber Orchestra im Salzburger Solitär mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 12. 13-jährig erhielt sie den Kulturförderpreis des Landkreises Rosenheim. Sie gewann Wettbewerbe, trat mit großen Orchestern in großen Konzertsälen auf, spielte als Solistin und Kammermusikerin. Als nächstes könnte sie den Doktor of Philosophy draufsetzen in der Juilliard-School. "Eingeschrieben bin ich", sagt sie, "aber, nein das wird wohl nichts werden."

"Ich will nicht wie Lang Lang oder andere über hundert Konzerte im Jahr spielen"

Johanna Bufler hat sich anders entschieden, sie studiert jetzt Medizin, hört Aufnahmen von Chick Corea zum Anatomie-Lernen. Warum sie das tut? Da sind sie wieder, die Hände. Diesmal benutzt die Pianistin sie zur Untermalung. "Ich habe diese Jahre genossen, in denen es nur die Musik gab", aber der geschäftsmäßige Konzertbetrieb, das sei nicht ihr Ding. "Ich will nicht wie Lang Lang oder andere über hundert Konzerte im Jahr spielen." Irgendwann sei das reiner Sport, "eine Massenabfertigung, immer mit demselben Repertoire, dann fährt man hierhin und dahin und spielt und verbeugt sich." Diesem Strudel habe sie sich mit ihrer Entscheidung für die Medizin entziehen wollen. Ein wenig mehr Abstand gewinnen, ein wenig mehr Lockerheit auch für sich selbst, die Perfektionistin, die den Musikbetrieb von Klein auf mitgemacht hat.

Pianistin im Porträt: Master of Music - ihren Uni-Abschluss machte Johanna Bufler in Yale. Den nächsten Master-Hut möchte sie zum Abschluss ihres Medizinstudiums aufsetzen.

Master of Music - ihren Uni-Abschluss machte Johanna Bufler in Yale. Den nächsten Master-Hut möchte sie zum Abschluss ihres Medizinstudiums aufsetzen.

(Foto: privat)

"In der heutigen Musikindustrie, mit all den Wettbewerben für Musiker in ihren Zwanzigern, geht die Reinheit der Musik verloren und wird meistens, nicht immer, durch Showmanship und Politik verunreinigt." Für Nachwuchsmusiker werde es immer schwieriger, sich zu behaupten. "Früher, wenn einer eine Chopin-Etüde spielen konnte, dann war das ein Wow in der ganzen Hochschule. Jetzt spielt man die Etüden mit zwölf - alle." Dennoch, das "Drilling", das sie bei Kollegen gesehen habe, habe sie schwer beeindruckt. "Das kannst du auf alle Bereiche übertragen: Wenn man oft genug wiederholt, langsam, immer wieder, irgendwann geht es dann." Im Medizinstudium komme ihr das zugute. Warum aber ausgerechnet Medizin?

Schumann war schizophren - hat aber in den schlimmen Phasen viele Werke kreiert

Die Antwort kommt prompt: "Ich habe schon, als ich klein war, gesagt, ich werde mal Arzt und Pianistin." Es gebe viel Gemeinsames zwischen Medizin und Musik, so viele unerforschte Bereiche, etwa in der Neurologie. "Nehmen wir Schumann als Beispiel, er war schizophren und hat in diesen Phasen so viele Werke kreiert." Und dann sei da noch das Gefühl, das einen guten Musiker ausmache, und das sehe sie auch bei einem guten Arzt: "Ich hoffe, die gleiche Empathie, die ich für die Musik habe, einmal auch meinen Patienten entgegenbringen zu können." Ein bisschen stelle sie sich das vor wie bei guter Kammermusik: "Teamarbeit - man selber muss sich hinten anstellen und dann hoffentlich etwas Gutes erreichen." Auf jeden Fall will sie die Musik niemals aufgeben, "da wäre ich so traurig. Das muss eben beides getan werden."

Klaviertrio Wong-Richardson-Bufler: an diesem Freitag, 21. April, um 19 Uhr im Kurhaus Bad Aibling und am Samstag, 22. April, um 20 Uhr im Rathausaal Wasserburg.

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