Kultur im Landkreis:Großes Kino

Kultur im Landkreis: Für manche Stücke greift Jeremiah auch zum Banjo.

Für manche Stücke greift Jeremiah auch zum Banjo.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Gitarrist Jeremiah stellt im Alten Kino Ebersberg mit seinem "Life & Death Orchestra" sein neues Album vor. Er verspricht viel - und hält alles.

Von Lino Herrmann, Ebersberg

"Hart. Süß. Düster. Dreckig. Biblisch. Oompah, Blues, Film, Rock, Geschichten. Gitarre, Kontrabass, Schlagzeug, Werkzeug, Utensilien." So beschreibt Jeremiah selbst seine Musik. Und das lässt sich, so viel sei vorweggenommen, auch so bestätigen. Genau darauf freut man sich an diesem Samstagabend im voll besetzten Alten Kino, in dem er sein neues Album "Jeremiah Plays Some Life & Death Songs" vorstellt. Es ist sein erstes Soloalbum, und alle Töne für die insgesamt elf Songs sind "made by Jeremiah in bedrooms, kitchens and closets", wie es im Inneren der Albumhülle geschrieben steht. Ob Jeremiah sein neues Album wirklich im Wandschrank aufgenommen hat, darf bezweifelt werden.

Eigentlich sollte hier Nic Olson, Kopf des Duos Son of Old, mit seiner Gitarre den Saal einstimmen. Da er aufgrund einer Erkältung absagen musste, steht spontan eine Überraschungskünstlerin auf der Bühne: Vera Klima, die mit Akustikgitarre, Ukulele, E-Gitarre und ihrer Stimme in klassischer deutscher Singer-Songwriter-Manier die Leute unterhält. Mit dieser Mischung, die teilweise an die erfolgreichen weiblichen Deutsch-Pop der 2000-Jahre erinnert, schafft sie es, dass bereits Taschentücher über die Tische in den ersten Reihen geschoben werden, bevor Jeremiah überhaupt die Bühne betreten hat.

Blues, Rock und Folk - es ist eine spannende Melange

Wenn man sich an die Wörter aus Jeremiahs Selbstbeschreibung hält, würde man sich hier vermutlich "Gitarre", "süß", und "Geschichten" rauspicken. Nach ihrem fünften Song verabschiedet sie sich mit einem Lächeln und sagt: "Ich muss jetzt los, den Babysitter ablösen." Ihren Mann werde man gleich im Anschluss am Schlagzeug sehen.

Kultur im Landkreis: Außer Gitarrist und Sänger Jeremiah stehen Jochen Enthammer am Schlagzeug und Michael Engelhardt am Kontrabass auf der Bühne.

Außer Gitarrist und Sänger Jeremiah stehen Jochen Enthammer am Schlagzeug und Michael Engelhardt am Kontrabass auf der Bühne.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Alles zwischen Life & Death ist möglich". Kurz nach dieser Ankündigung betreten Jeremiah - Jeremy Teigan - an der Gitarre, Jochen Enthammer (Schlagzeug) und Michael Engelhardt (Kontrabass) die Bühne. Standesgemäß steigen sie mit "Deep in the Heart of Bavaria" ein, damit man sich nochmal vergewissern kann, wo man sich denn eigentlich befindet. Denn dieser Song, und auch das, was folgt, klingt im ersten Moment so gar nicht so, als würde es direkt aus dem Herzen Bayerns kommen. Diese spannende Kombination aus Blues, Rock und Folk-Elementen und englischen Texten klingt eher nach Bühnen in Sydney, London oder New York.

In seinem neuen Album geht es dabei mal ruhiger und sentimental zu wie in "Singing to Myself", mal laden die Stücke zu fetzigen Rock'n'Roll-Passagen ein wie in "Run like a Goodie" und irgendwann wird sogar die Gitarre mit dem Banjo vertauscht, wie im Blues-Stück "Roll 'n' Tumble". Ansonsten passiert alles zwischen Rock, Blues und Folk sowie darüber hinaus. Und das auf höchstem musikalischem Niveau.

"Wusstet ihr, dass rote Gitarren schneller spielen?"

Jeremiah wechselt immer wieder zwischen seinen insgesamt fünf Gitarren. Auf jeder einzelnen setzt er wieder zu Soloausflügen an, die man nur bestaunen kann. Er verfällt dabei immer wieder in diesen zuckenden Trancezustand, der ohne Musik sehr besorgniserregend wirken könnte, den man bei begnadeten Gitarristen aber nur zu gerne bestaunt. Hier geht auch der Blick vom Schlagzeug und Kontrabass immer wieder hoch zu ihm, vermutlich zur Orientierung, man könnte aber auch denken, sie wollten ihm einfach mal kurz in Ruhe zuschauen.

Die Pausen zwischen seine Liedern nutzt er neben dem Stimmen seiner Gitarren auch, um ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern. "Schön, dass ihr hier seid. Ich dachte ihr wärt alle auf dem Volksfest, da spielt Rotzlöffl." Oder: "Wusstet ihr, dass rote Gitarren schneller spielen?" Die Stimmung ist gut hier im Alten Kino. Man kennt sich und schätzt sich.

Gleichzeitig begleiten zwei Kameramänner die Band an den Bühnenflügeln, für den Livestream und die Aufnahme. "Meine Mutter schaut sich das morgen in Brisbane an. Ihr müsst richtig laut sein und so tun, als wär's richtig geil", sagt der australisch-schwedische Musiker.

Kultur im Landkreis: Als special guest stößt auch noch Max Bauer (Zweiter von links) zur Band.

Als special guest stößt auch noch Max Bauer (Zweiter von links) zur Band.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für die letzten Songs kommt noch Teilzeit-Bandmitglied und Perkussionist Max Bauer mit seiner Mundharmonika auf die Bühne. Während die ersten Töne noch an Western-Filmmusik erinnern, kommt es hier schnell zu einem beeindruckenden Blues-Mundharmonika-Solo unter Applaus. Jeremiahs Gitarre und Max Bauers Mundharmonika spielen sich dabei intensiv die musikalischen Bälle zu.

Nach einer "ganz spontanen Zugabe", wie Jeremiah mit einem Augenzwinkern sagt, gehen er und sein Life & Death Orchestra gefeiert von der Bühne.

Im Anschluss sitzt Jeremiah auf dem Bühnenrand, plaudert mit Bekannten und gibt die CDs zu seinem neuen Albums gegen Spenden heraus. Darin ist auch ein Link enthalten, mit dem man sich das Album digital herunterladen kann. "Aber bitte nur einmal herunterladen und nicht weiterleiten", sagt er, um danach zu ergänzen, "oder doch, ist mir scheißegal."

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