Jazzvater zu Gast:Swing in XXL

Jazzvater zu Gast: Dichte Arrangements: der bayerische Jazzvater Joe Viera mit seiner "Uni Big Band" im Ebersberger Alten Kino.

Dichte Arrangements: der bayerische Jazzvater Joe Viera mit seiner "Uni Big Band" im Ebersberger Alten Kino.

(Foto: Christian Endt)

Joe Viera und seine "Uni Big Band München" begeistern im Alten Kino

Von Claus Regnault, Ebersberg

Die Bezeichnung "Swing" hat zweierlei Bedeutung, mit großem S die Ära der Bigbands, mit kleinem s jenes eigenartige, entspannte Verhältnis zur geschlagenen Zeit, welches gleichzeitig Spannung schafft und sich besser hören und physisch erleben als definieren lässt. Es ist, als wolle der swing zum Takt sagen: "Nimm dich nicht so ernst und hab keine Angst, du kommst schon noch rechtzeitig ins Metrum!" Für uns Kriegsgeneration, für Joe Viera wie für den Rezensenten, war swing das Gefühl der Befreiung der Zeit aus den Zwängen des Marschtritts. Nun kam Joe Viera mit der von ihm vor 25 Jahren gegründeten Uni Big Band München ins Alte Kino Ebersberg, erwartet von einem Publikum im Durchschnittsalter von 65 Jahren, so dass man sich fragte: "Wo bleibt die verrockte und verhiphopte Generation?"

Die Uni Big Band war in mehr als voller Besetzung angetreten: sechs Saxophone, sechs Posaunen und fünf Trompeten! So dauerte es eine gewisse Zeit, bis der überdimensionierte Musikkörper wirklich in den swing fand. Entscheidenden Anteil daran hatte die gute Rhythmusgruppe unter Altschlagzeuger Günther Hauser, Bassist Gerhard Uttenthaler und Pianist Klaus Staudacher. Die Musiker sind ja längst alle keine Studenten mehr, sondern in ihre jeweiligen Berufe abgewandert. Aber dabei sein beim Jubiläumskonzert - siehe Besetzung - wollten sie eben alle.

Joe Viera, der bayerische Jazzvater, Gründer und Inspirator der fabelhaften Burghausener Jazzwoche, ist - gesundheitlich angeschlagen - noch immer der schlagsichere, präzise Einsätze verteilende Chef seiner Gruppe. Er hat eine Vorliebe für dicht gesetzte Arrangements, in denen manchmal das gewählte Songthema nahezu verschwindet und welche fast sinfonische Ausmaße erreichen, so in einer reich ausgestatteten Version von "Love for Sale". Da muss man manchmal ein bisschen auf den swing warten, der sich dann vor allem in den schon klassischen Arrangements des Buddy-Rich-Orchesters in "Big Swing Face" oder Benny Carters Partituren für Count Basies "Jackson County Jubilee" und dem zugegebenen "Easy Money" entfalten kann. Es war bezeichnend, wie die Uni Band in diesen Klassikern erst richtig in der Luft des swing zu atmen begann.

Ein guter Teil des Programms war von kubanischen Bossa-Rhythmen bewegt, etwa in "Afro-blue" oder beim Schlussstück "Baile de los changos pelones", in letzterem aufregend gesteigert im Duell zwischen Hauser an den Drums und Frank Haschler an der Conga. Aber wie üblich hatten schon vorher einige Bandmitglieder das solistische Sagen, so von Bernhard Götz am Altsax in "Body and Soul" und die von Viera eigens vorgestellte Altsaxophonistin Yu-Mi Ryang, die demnächst als Chefärztin an eine Neurochirurgische Klinik in Berlin gehen und anschließend als frischgebackene Professorin nach München zurückkehren wird.

Das sehr animierte Publikum erklatschte eine Zugabe, das vorerwähnte "Easy Money" - ganz offenbar war ihm das Eintrittsgeld leicht gefallen.

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