Süddeutsche Zeitung

Doku:"45 Jahre lokale Jazzgeschichte" in Grafing: Vernissage am Donnerstag

Heinz Speckmeyer zeigt seinen Film über den 2012 verstorbenen Günther Klatt aus Grafing. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Interview von Anja Blum, Grafing

80 Jahre wird Heinz Speckmeyer demnächst alt, doch der Münchner sprüht immer noch vor Kreativität und Ideen. Dem Film gehört von Jugend an seine Leidenschaft, deswegen wurde aus dem gelernten Dekorateur bald ein Bild- und Tonmann. "Mein Herz hängt an der Doku", sagt Speckmeyer. Sein neuestes Werk ist nun im Vorprogramm des Ebersberger Jazzfestivals zu sehen, es widmet sich Günther Klatt, einem bereits vor sieben Jahren verstorbenen großen Musiker und Maler, der in Grafing aufgewachsen ist.

Eigentlich war Klatt als Bühnenbildhauer an der Staatsoper München beschäftigt, doch dann begegnete er einem verbeulten Saxofon - und es wurde seine Stimme. Obwohl Autodidakt, erspielte er sich kometenhaft einen fantastischen Ruf - mit Widerhall bis in die USA. 1982 wurde Klatt zum Kulturpreisträger Münchens gewählt, 1984 bekam er in New York beim Wettbewerb "First European Jazz" den ersten Preis, 1990 wurde er für ein Album mit Balladen von Duke Ellington mit dem deutschen Schallplattenpreis geehrt. Klatt reiste um die Welt, spielte mit Größen wie Frank Lacy, Ed Schuller oder Ronnie Burrage. In den Neunzigerjahren indes kam Klatts stets leicht anarchische Musik aus der Mode und er besann sich immer mehr seiner bildnerischen Fähigkeiten. Der Film über ihn wird gezeigt am Donnerstag, 10. Oktober, im Grafinger Museum.

SZ: Herr Speckmeyer, wie kam es zu Ihrem Film über Günther Klatt?

Heinz Speckmeyer: Zunächst einmal war er ein Haidhausener wie ich. Und dort, in unserer Nachbarschaft, habe ich im Sommer 2008 an einer Dokumentation über ein Abrisshaus mitgearbeitet, in dem mehrere Künstler gelebt hatten. Irgendwer hatte Menschen für Musik und Interviews zusammengetrommelt - unter ihnen Günther. Und der sprach mich an: "Hey, du bist mir sympathisch, komm mich doch mal besuchen!" Also habe ich das gemacht.

Und dann?

Dann hat mich fast der Schlag getroffen. Diese Wohnung war eine Art Kreativdschungel, der meine Sinne in jeder Hinsicht fasziniert hat. Überall Bilder, Kunst, Objekte, Fundstücke von der Straße, das reinste Chaos! Da dachte ich sofort, dass man das auf Fotos und Film festhalten müsste, und so begann das fast vierjährige Auf und Ab unserer Zusammenarbeit, die dann mit seinem frühen Tod 2012, gerade einmal 56 war Günther da, endete.

Inwiefern war die Zusammenarbeit ein Auf und Ab?

Naja, Günther war nicht unbedingt ein einfacher Mensch, sondern einer dieser aussterbenden Spezies, die sehr individualistisch lebt. Das war toll - bedeutete aber auch, dass er immer nur getan hat, was er wollte. Bei meinem ersten Besuch zum Beispiel sollte ich den Deckel seines Klaviers mit Terpentin säubern. Zum Essen durfte ich dann aber nicht bleiben... (lacht).

Klingt schwierig...

Ja, aber irgendwie waren wir auch seelenverwandt. Ich sammle nämlich auch leidenschaftlich irgendwelche Fundstücke, aus denen ich dann irgendwann etwas Kreatives mache - oder eben auch nicht.

Wussten Sie denn anfangs schon, wen Sie da eigentlich vor sich haben?

Nein, gar nicht, aus dem Konzertleben hatte Günther sich ja schon gänzlich zurückgezogen. Und mit den eigenen Erfolgen angeben - das war seine Sache nicht.

Wie muss man sich also die gemeinsame Zeit vorstellen?

Ganz spontihaft. Ich habe fotografiert und gefilmt, er immer mal wieder erzählt, wie es sich halt ergeben hat. Ohne die große Absicht, daraus eine Doku zu machen. Einmal hat Günther in einer winzigen Galerie eine Ausstellung für seine Freunde gemacht, da habe ich sehr viel gedreht, das ist jetzt auch der Rahmen des Films. Dazu gibt es Konzertaufnahmen aus den 90ern und Interviews mit Zeitgenossen, die ich später getroffen habe.

Wieso erst später?

Weil das ganze Material, 800 Gigabit, zunächst einige Zeit nur bei mir rumlag. Erst 2018 dachte ich, das geht so nicht, und habe angefangen, etwas daraus zu machen.

Ist es ein Jazzfilm geworden?

Nein, eher das Lebensbild eines Malermusikers.

Die Premiere ging nun im Kulturzentrum Einstein über die Bühne. Wie war's?

Der Wahnsinn! Es war mit 65 Menschen brechend voll, und danach sind wir noch gesessen bis um eins. Dabei hat sich auch herausgestellt: Selbst jene, die Günther kannten, haben ihn noch nie so gesehen. Er war zu der Zeit ja total untergetaucht.

Welche Zeitzeugen kommen in Ihrem Film zu Wort?

So renommierte Jazzer wie der australische Pianist Paul Grabowsky, der amerikanische Posaunist Marty Cook, von seinen einheimischen Kollegen der Bassist Sepp Ametsbichler oder der Pianist Tizian Jost. Aber auch Günthers letzte Freundin habe ich in Portugal besucht, und sie ist eine große Bereicherung, weil sie aus einer ganz anderen Perspektive auf Günther schaut. Sie spricht ganz tief aus ihrem Herzen.

Ausstellung "45 Jahre lokale Jazzgeschichte" im Museum der Stadt Grafing, Vernissage am Donnerstag, 10. Oktober, um 19.30 Uhr.

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SZ vom 09.10.2019/koei
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