Jazz:Magie der Bässe

Der amerikanische Musiker und Komponist Ron Carter ist beim Jazzfestival Ebersberg einer der Stargäste. Mit seiner Formation "Foursight" wird er Miles Davis huldigen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Ron Carter zu erleben und sein ausdrucksstarkes, von einem dezenten grauen Backenbart gerahmtes Gesicht zu beobachten, wenn er den Bass spielt, ist nicht nur musikalisch ein Ereignis. Häufig hat der 78-Jährige die Augen geschlossen, die Lippen sind halb geöffnet, so als halte er dauernde Zwiesprache mit dem Instrument. Sein Gesichtsausdruck offenbart höchste Konzentration, ja, Versenkung. Wenn er auf dem Griffbrett einen Ton, einen Akkord greift, dann scheint es so, als erforsche und liebkose er behutsam die Saiten, bevor er dem Instrument feine, fast schwebende Bassläufe entlockt. Ron Carter, der große Bassist des legendären Miles Davis Quintets, der als "Gentleman des Jazz" apostrophierte Musiker kommt am 16. Oktober mit seinem Quartett Foursight in den Alten Speicher. Mehr als 2500 Alben hat er aufgenommen. In Ebersberg wird er "Dear Miles", eine Hommage an den ehemaligen Bandleader, präsentieren.

Als Ron Carter acht Jahre alt ist, lernt er Cello und profiliert sich als künftiger Orchestermusiker, wählt dann aber den Jazz, konzentriert sich dabei jedoch auf akustische Instrumente, darunter auch auf den Piccolo Bass, der in seinem feineren Klang einem Cello ähnelt. Erste Erfahrungen sammelt Carter mit Jazz-Größen wie Chico Hamilton, Eric Dolphy, Thelonious Monk and Cannonball Adderley. International bekannt wird er, das Ausnahmetalent aus Michigan, 1961 mit "Out of the cool" von Gil Evans, vor allem aber in den Jahren von 1963 bis 1968 als Bassist im Quintett von Miles Davis. Gespielt hat Carter im Laufe der Jahre mit allen Berühmtheiten des Jazz - Antônio Carlos Jobim, Quincy Jones, Stan Getz, Herbie Hancock, Billy Cobham. In seiner Zeit mit Miles Davis entstehen Alben wie "Seven Steps to Heaven", "My Funny Valentine" und andere Aufnahmen auch mit eigenen Kompositionen. Als Bandleader spielt Ron Carter mehr als 20 eigene Alben ein. Titel wie "Orfeu" sowie "Jazz and Bossa" zeigen, dass er sich mit Leidenschaft auch der lateinamerikanischen Musik widmet. Auf der vor 35 Jahren erschienenen LP "First Take" gibt er der wunderbaren Jazzsängerin Roberta Flack ein einzigartiges Fundament aus filigranen Rhythmusfiguren.

Jantar Jazz Festival - Ron Carter

Ron Carter, Bassist, Komponist, Buchautor und Dozent, bereichert mit Musik, Originalität und Schaffensfreude die Geschichte des Jazz.

(Foto: Adam Warzawa/dpa)

Ron Carter bleibt bei Davis bis 1968, als er von Dave Holland abgelöst wird, arbeitet aber in der Folgezeit weiter mit dem Meister zusammen. 1986 etwa, im Zuge einer Anti-Apartheid-Kampagne. 1991 stirbt Miles Davis. Mit dem Quartett Foursight lässt Carter dessen Musik wiederauferstehen. Zuletzt, in diesem Jahr, entsteht mit der WDR Big Band das Album "My Personal Songbook". Darauf kultiviert er, wie Jazzkritiker Willy Theobald es ausdrückt, "die besten Momente zeitlos guten Jazz' mit seinen federnden - mal konzertant, mal funkig wirkenden - Bassläufen." Eingespielt hat Carter auf dieser CD lauter Eigenkompositionen. Eine davon ist "Little Waltz", 1969 erstmals aufgenommen mit Herbie Hancock.

Wer sich in Carters Spiel einhören möchte, wird nicht nur auf dieser CD fündig, auch YouTube bietet zahlreiche akustische Impressionen, hörenswert zum Beispiel "Samba de Orpheus" oder "Shadow of your Smile". 1996 hat der Bassist einen viel beachteten Auftritt als Musiker in Robert Altman's Film "Kansas City". Carter erhält hohe akademische Auszeichnungen. Er trägt den Titel eines "Distinguished Professor Emeritus" der Musikfakultät des City College of New York, wo er 20 Jahre gelehrt hat. An der renommierten Juilliard School in New York City unterrichtete er das Fach Bass. Sein Buch "Building A Jazz Bass Line" gilt als Standardwerk für fortgeschrittene Jazzbassisten. Er gewinnt zwei Grammys und diverse Ehrendoktorwürden, zuletzt die höchste Auszeichnung Frankreichs, den "Orden der Kunst und der Literatur." Sein herausragendes Talent für die Gestaltung der Bassläufe, des klanglichen Fundaments einer Komposition, ist ebenso Gegenstand der Bewunderung wie seine offenbar nicht nachlassende Energie beim Musizieren.

Jazz: Am 16. August kommt der 78-jährige Amerikaner Ron Carter nach Ebersberg.

Am 16. August kommt der 78-jährige Amerikaner Ron Carter nach Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ron Carters Gastspiel in Ebersberg ist einer von nur zwei Auftrittsterminen in diesem Jahr in Deutschland. Im Tourplan von Carters Management heißt es "Ebersber". Das fehlende "g" wird er wohl nachreichen - auf seine Weise, auf dem Bass.

Der amerikanische Bassist Ron Carter und seine Formation "Foursight" spielen am Freitag, 16. Oktober, im Alten Speicher in Ebersberg. Der 78-jährige Carter wird eine Hommage an seinen ehemaligen Bandleader Miles Davis präsentieren, der 1991 starb. Titel: "Dear Miles". Ein weiterer renommierter Bassist, Paulo Cardoso, wird zuvor im Trio Stücke aus dem brasilianischen Songbook spielen. Er wird demnächst in einem weiteren Beitrag vorgestellt. Beginn ist um 19 Uhr. Karten zu 20 bis 32, an der Abendkasse 21 bis 33 Euro, gibt es online unter ebe-jazz15.de und telefonisch unter der Nummer (08092) 255 92 05. Ein Kinotrailer zum Festival wird seit dieser Woche in den Lichtspielhäusern Ebersberg, Grafing und Wasserburg gezeigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: