Jazz in Grafing:Der Ton macht den Jazz

Jazz in Grafing: Das "Annamerika Quintett" beweist in der Grafinger Turmstube, dass der Jazz längst zur Weltmusik aufgestiegen ist.

Das "Annamerika Quintett" beweist in der Grafinger Turmstube, dass der Jazz längst zur Weltmusik aufgestiegen ist.

(Foto: Christian Endt)

"Annamerika Quintet" von Anna Keller begeistert in der Turmstube

Von Claus Regnault, Grafing

Der "Jazz im Turm" wartete schon eine Stunde vor Beginn voll besetzt auf das Konzert des Annamerika Quintets rund um Anna Keller. Die geborene Rosenheimerin, Leaderin am Altsax, gestaltete den Abend mit einem Programm aus vorwiegend eigenen Titeln. Die Gruppe hat in Graz zusammengefunden, und so nimmt es nicht Wunder, dass sie nicht mit Amerikanern, sondern mit Musikern aus dem südöstlichen Europa besetzt ist: Die melodische Zweitstimme liefert Tomáš Lukáč aus Slowenien an der Gitarre, hinzu kommen Miloš Čolović aus Serbien am Bass, Lukas Kleemair aus Österreich am Schlagzeug und der Ungar Lajos Tóth am Piano. Ein bunter Haufen, allesamt fabelhaft Jazzer, und zugleich ein Beispiel dafür, dass der Jazz inzwischen längst zur Weltmusik aufgestiegen ist.

Anna Kellers Eigenkompositionen sind eine Art lyrischer Hardbop, im Stil der Nach-Coltrane-Ära. Die Saxofonistin ist hochbegabt, ihre Technik nahezu perfekt, ihre Improvisationssprache einfallsreich, zupackend und fantasievoll. Und doch bleibt ihre Stimme merkwürdig neutral, mehr die technischen Möglichkeiten des Instruments demonstrierend als es sich zum Ausdruck von Emotionalität zu verwandeln. Das ist eine Frage der Tongebung. So klingt das Altsax bei berühmten Jazzern jeweils anders, wird - wie eine jederzeit erkennbare Visitenkarte - unverkennbare Stimme des Solisten. Um einige Beispiele zu nennen: Man erkennt sie sofort, ja mit den ersten Tönen, die Stimmen von Benny Carter, Johnny Hodges, Charlie Parker vor allem, oder den sehrenden Tonfall eines Willie Smith. Anna Keller ist noch jung, wird mit der Zeit auch in der Lage sein, sich ihr Instrument über seine technischen Möglichkeiten hinaus ganz einzuverleiben - im hohen Register gelingt ihr das schon jetzt - wird den Ton mit mehr Bluesschwärze, Schärfe und Charakter zur unverwechselbar eigenen Stimme gestalten können. Das Zeug dazu hat sie.

Dass auch das Klavier seine eigene Stimme haben kann, bewies Lajos Tóth in der einzigen Fremdnummer des Programms "Cajon Moon". Da entfesselte dieser unglaublich virtuose Musiker einen Funksturm von solcher Heftigkeit und Brillanz, dass das Publikum in hellem Jubel ausbrach. Insgesamt ein geglückter Abend, der hier geradezu entfesselt seinen Lauf nahm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: