Jazz-Bassist Martin Zenker:"Gerade über die Top-Acts bin ich sehr glücklich"

Martin Zenker aus Kirchseeon arbeitet derzeit als Musik-Dozent in der Mongolei. Mithilfe seiner internationalen Kontakte ist es gelungen, Stars wie Ron Carter und Chris Potter für das Jazz-Festival im Oktober in Ebersberg und Grafing zu verpflichten

interview Von Rita Baedeker, Kirchseeon

Der Jazz-Bassist Martin Zenker stammt aus Kirchseeon. Man könnte als Adresse ebenso gut Seoul in Südkorea und Ulan Bator in der Mongolei angeben, wo Zenker derzeit mit dem Goethe-Institut an der dortigen Musikhochschule einen neuen Fachbereich Jazz aufbaut. Ganz sicher aber gehören Grafing und Ebersberg auf seine Visitenkarte. Denn zusammen mit der Grafinger Jazz-Initiative, dem Team vom Alten Kino Ebersberg sowie dem Grafinger Bassisten Josef Ametsbichler und Musikschulleiter Peter Pfaff - kurz der IG Ebe-Jazz - hat Zenker als künstlerischer Leiter das erste internationale Jazzfestival, das von 13. bis 22. Oktober in Ebersberg und Grafing stattfindet, organisiert. Lokale Künstler sind ebenso dabei wie internationale Stars.

SZ: So etwas wie dieses Jazzfestival gab es im Landkreis noch nie. Sie haben am Zustandekommen sicher einen entscheidenden Anteil.

Martin Zenker: Naja, die Lorbeeren dafür gebe ich gerne an Frank Haschler und Joseph Ametsbichler von der Jazz-Initiative Grafing ab. Ich habe vielleicht durch meine weltweiten Engagements den größeren Überblick, die internationalen Kontakte. Ich weiß, wer gerade wo unterwegs ist. Daher war es meine Aufgabe, die Bands auszusuchen. Es ist schön, wenn man das Budget hat, Bands zu buchen, die man nicht alle Tage hört und erlebt.

Sie sind nicht nur als Musiker, sondern auch als Dozent international unterwegs, hatten eine Professur in Seoul in Südkorea, jetzt lehren Sie Jazz in Ulan Bator in der Mongolei. Weitet das den Horizont Ihrer musikalischen Erfahrungen?

Wissen Sie, der Jazz ist heute eine internationale Musiksprache. Und wenn er es mal nicht ist, dann versuche ich darüber hinwegzuhören (lacht). Ich will musikalische Grenzen abbauen, nicht herausfiltern und überall Spuren der regionalen Musiktradition suchen. Das Genre ist so weit gespannt und undefiniert, dass stilistische Unterschiede keine Rolle mehr spielen. Ich möchte nicht alles in einen Topf werfen. Jede Musik ist eine Einheit für sich.

Jazz-Bassist Martin Zenker: Der aus Kirchseeon stammende Bassist Martin Zenker holt immer wieder Jazz-Talente aus aller Welt in den Landkreis.

Der aus Kirchseeon stammende Bassist Martin Zenker holt immer wieder Jazz-Talente aus aller Welt in den Landkreis.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie kam es zu dem Engagement in Ulan Bator?

Ich war vor drei Jahren beim Internationalen Jazzfestival in Ulan Bator engagiert, das Goethe-Institut hatte mich eingeladen. Da entstand die Idee, an der dortigen Musikhochschule eine neue Fachrichtung aufzubauen, eine professionelle, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ausbildung anzubieten, die es dort bis dato nicht gab.

In welcher Sprache kommunizieren Sie mit Ihren Schülern in Korea und in der Mongolei?

In Deutsch, Englisch und durch die Musik. Meine interkulturelle und nonverbale Kompetenz habe ich mir durch die Jahre in Korea erworben. Und was das rein Sprachliche angeht: Manche Studenten sprechen Deutsch oder Englisch und übersetzen dann für die anderen. Na ja, und die Noten an der Tafel, die sind zum Glück selbsterklärend.

Die Musiker des Festivals im Oktober kommen aus den USA, Europa, Asien, Afrika. Die Musik reicht von Swing und Bebop bis zu Tango, brasilianischem Songbook und Elektronik. Gab es da ein Konzept oder haben Sie einfach Musikerkollegen gefragt, die Sie gut kennen und von denen Sie sich eine Zusage erwarten durften?

Jein! Wir haben anfangs zusammen mit allen Beteiligten eine Art Schablone entworfen mit den Eckdaten Zeit, Finanzen, lokale Acts, Haupt-Acts, solche Sachen. Als nächstes haben wir diese Struktur mit Inhalten gefüllt, Budgetfragen geklärt. Und an diesem Punkt kamen dann meine Kontakte ins Spiel. Gerade über die Top Acts bin ich sehr glücklich. Ron Carter ist als Bassist eine Legende. Er tritt diesen Herbst nur in zwei deutschen Städten auf - eine davon ist Ebersberg. Bei den Konzerten mit weniger bekannten Leuten profitierte Frank Haschler von der Jazz-Initiative von den vielen Bewerbungen, die er für Jazz Grafing vorliegen hat. Wichtig war uns natürlich auch, programmatische Zusammenhänge zu schaffen, ein schönes Rahmenprogramm auf die Beine zu stellen mit Filmen, Jam Sessions, einem Act für Kinder, dem Musikschultag, einer tollen Partyband aus Edinburgh und anderem mehr.

Martin Zenker

Der Jazz-Bassist Martin Zenker ist 1970 in Kirchseeon geboren. Als Bub lernte er zunächst Geige, dann kam der Bass dazu. Nach einem Kontrabass-Studium am Konservatorium in München wurde er Mitglied des Landesjugend-Jazz-Orchesters. Nach Abschluss des Studiums studierte er in den USA weiter. Stars wie Herb Geller, Billy Hart und Eartha Kitt zählten zu Zenkers musikalischen Partnern. Seither ist Zenker als Bandleader, Produzent und Professor weltweit unterwegs. In den Jahren von 2008 bis 2012 hatte er eine Professur für Jazz-Kontrabass und Jazzgeschichte an der Universität von Seoul in Südkorea inne. Als Sammler musikalischer Talente hat er 2013 das Festival "Jazz-Korea" nach Deutschland und in den Landkreis gebracht. Derzeit baut er mit dem Goethe-Institut in Ulan Bator an der Musikhochschule den Fachbereich Jazz auf. Beim Festival EBE-JAZZ 15 wird Martin Zenker am 15., 16. und 17. Oktober, jeweils um 22 Uhr in der Zimtblüte in Ebersberg zusammen mit dem Paul-Kirby-Trio und dem Koreaner Kim Minchan spielen.

Was waren - oder sind - die größten Schwierigkeiten bei der Organisation des Festivals.

Ich habe einen großen Holzschreibtisch, auf den klopfe ich jeden Tag (lacht). Wissen Sie, wenn man mit Kalibern wie Carter oder Chris Potter zu tun hat, dann ist das ja nicht mit zwei, drei Telefongesprächen getan. Die werden vertreten von einer Agentur. Und da geht es um Rechte, um technische Details, um Mitschnitte und und und. Im Falle von Ron Carter, der 78 Jahre alt ist, spielt es zum Beispiel schon eine Rolle, wie weit das Hotel, in dem er übernachtet, von dem Club, in dem er spielt, entfernt ist, ob es die Annehmlichkeiten eines Vier-Sterne-Hotels bietet, in welchem Auto er zum Auftritt gefahren wird. Leute wie er sind permanent auf Tour. Die haben es verdient, dass man ihre Wünsche berücksichtigt.

Vermutlich hat jemand wie Ron Carter noch nie von Grafing oder Ebersberg gehört, oder?

Natürlich nicht (lacht laut)! Ron Carter kennt Ebersberg nicht, und wird es auch kaum in Erinnerung behalten. Dazu ist das Festival im internationalen Maßstab zu unbedeutend, auch wenn es für uns eine tolle Sache ist. Musikern ist es nicht so wichtig, wo sie spielen; ihnen ist wichtig, wie lange die Fahrt dahin dauert und ob das Konzert gut läuft.

Für den Landkreis ist es jedenfalls ein Projekt, das lange in Erinnerung bleiben wird. Glauben Sie, dass es dafür auch genügend Publikum geben wird?

Ich denke, dass hier in Ebersberg eine Marke gesetzt wird. Durch die engagierte Arbeit der Jazzinitiative Grafing in den vergangenen Jahren wurde bereits eine breite Basis der Zustimmung geschaffen. Es ist oft so, dass in kleineren Orten sich die Veranstalter durch ihren dauerhaften Einsatz und eine gute Programmauswahl ein Publikum heranziehen, das Vertrauen hat in die örtliche Szene. Wenn das erst mal geschafft ist, dann ist der Laden voll, sogar bei Free Jazz.

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