Süddeutsche Zeitung

Kunst in der Natur:Vom Freiluftatelier in die Glonner Schrottgalerie

Jan Langer aus Südtirol ist als Schlagzeuger von "Opas Diandl" bekannt. In Glonn ist nun zu sehen, dass der 44-Jährige eine Doppelbegabung hat.

Von Anja Blum, Glonn

Jan Langer ist Musiker und Künstler, fifty-fifty, so empfindet er es selbst. Mit Blick auf den Verdienst aber sehe das Verhältnis etwas anders aus. "Hier steht es in etwa 90 zu zehn", sagt er und lacht. Doch seine kreative Doppelbegabung bringt den Südtiroler nun ein weiteres Mal in die Glonner Schrottgalerie, und zwar erstmals solo: Schon oft ist er dort als Musiker aufgetreten, mit Opas Diandl, und hat dabei die Kunst an den Wänden der Kulturstätte bewundert. Jetzt darf Langer sie selbst bestücken, mit seiner Land Art. Am Donnerstag, 20. Februar, wird die Ausstellung "Spuren" in der Schrottgalerie mit einer Vernissage eröffnet.

Als Land-Art bezeichnet man generell die Umwandlung von geografischem Raum in ein Kunstwerk, wobei sowohl Größenordnung als auch Methode stark voneinander abweichen können: Manche Künstler arbeiten auf kleinstem Maßstab, andere mit ganzen Landstrichen, manche nur mit vorgefundenen Naturmaterialien, andere nehmen massive Eingriffe mit schwerem Gerät und Beton vor. Dadurch, dass die Landschaft selbst zur Kunst wird, haftet der Land-Art aber stets eine gewisse konsumkritische Komponente an: Ihre Werke sind meist von kurzer Dauer und weder transportabel noch käuflich. Einen Ausweg bietet hier nur eine zweite Kunstform: die Fotografie. Durch sie kann Land-Art bewahrt und ausgestellt werden. Auch Langer nutzt die Kamera, um der Vergänglichkeit zu entkommen.

Bemerkenswert ist: Jan Langer hatte zunächst weder mit Kunst noch mit Fotografie etwas am Hut. Nach einem Psychologiestudium - "das war in einem anderen Leben" - widmete er sich ganz der Musik, lernte das Trommeln, zog mit diversen Bandprojekten durch die Welt. Doch der Italiener hat schon seit seiner Kindheit einen engen Bezug zur Natur - und begann deshalb irgendwann, sich für Land-Art zu interessieren, zunächst nur theoretisch, dann auch ganz praktisch. Seit etwa sechs Jahren nun setzt er Landschaften in Szene, und hat sich dafür auch das Fotografieren beigebracht. Aufgewachsen ist Langer übrigens im schönen Meran, heute lebt der 44-Jährige in Grissian, einem Weiler im Südtiroler Mittelgebirge, "auf einem alten Bauernhof mitten im Wald".

Von dort aus startet er seine Streifzüge. Immer alleine. Und immer mit ein paar kleinen Werkzeugen im Gepäck. Ein Seil, um Kreise ziehen zu können, eine kleine Schaufel, eine Stahlbürste zum Reinigen von Steinen und eine Schere. Mehr braucht Langer nicht für seine Land-Art. Alle Materialien findet er unterwegs. "Es gibt schon einige Orte, wo ich genau weiß, was mich zu welcher Jahreszeit erwartet", sagt er, "welche Lichtverhältnisse zum Beispiel, oder welche Fundstücke". Seine "Freiluftateliers" nennt der Südtiroler diese Lieblingsflecken. Manchmal aber sucht er sich auch in Wanderführern bislang unbekannte Punkte aus, "einen schönen Bergsee oder so", und geht auf gut Glück dorthin.

"Das soll mein Geheimnis bleiben"

Vor Ort, im Wald oder in den Bergen, lässt sich Jan Langer dann von der Natur inspirieren. Er selbst sagt, die Land-Art schenke ihm viel "Freude, Ruhe und Stunden reinen, unverfälschten Glücks". Oft müsse er lange warten, erzählt der Künstler, in eisiger Kälte oder schweißtreibender Hitze, bis das Licht perfekt sei für ein Foto, doch dabei genieße er einfach die wohltuende Stille. Selbst die Vergänglichkeit seiner Werke stört ihn nicht: Er übergebe sie gerne wieder der Natur - mit dem Gefühl großer Dankbarkeit. Denn die Land-Art, sie verwurzle ihn mit den Orten ihrer Entstehung und "all dem Leben, das ich im kreativen Prozess dort erfahren durfte".

Das Ergebnis sind sehr stimmungsvolle, fast mystische Inszenierungen der Landschaft. Wie die geheimen Zeichen eines Naturvolkes oder Einfälle eines launigen Schöpfers fügen sich Langers Arbeiten ein in die Umgebung. Oft muss man sogar ziemlich genau hinsehen, um sie überhaupt zu entdecken. Nur ab und an arbeitet Langer mit starken Kontrasten wie goldgelben Blättern vor fast schwarzem Matsch oder roten Vogelbeeren auf einem zugefrorenen, weißen See. Ein Strudel aus Fichtennadeln auf dem Waldboden hingegen, oder Äste, die sich wie eine Krone an einen Felsen schmiegen, springen nicht auf den ersten Blick ins Auge - was das Betrachten der Bilder indes nicht weniger reizvoll macht. All seine "Spuren" sollen Ausdruck sein für den Dialog mit der Landschaft sowie die Liebe zu derselben.

Oft setzt der Künstler dem scheinbaren Wildwuchs der Natur abstrakte geometrische Formen entgegen, vor allem Kreise, Linien oder gar Eckiges. Auf einem der Bilder hat er dünne, grüne Halme wie ein Gerüst um einen Baumstamm drapiert. Außerdem beweisen viele Aufnahmen, dass Langer durchaus den Fotografenblick hat, gerne spielt er mit effektreichen Spiegelungen oder Überbelichtungen. So wird aus einem Riss in der Schneedecke, unter dem ein Wasserrinnsal fließt, ein bemerkenswertes Kunstobjekt. Bei so manchen Arbeiten fragt man sich zudem unweigerlich, wie sie entstanden sein mögen: ein Muster im Eis? Ein Dreieck aus Schnee, das um eine Baumgruppe herum aufgespannt ist? Eine schwebende Lehmkugel vor einem Wasserfall? "Das soll mein Geheimnis bleiben", sagt Langer und lacht.

Worüber der 44-Jährige selbst noch grübelt: das Verhältnis von Land-Art und Musik. Was verbindet seine beiden Passionen, die doch so gegensätzlich sind, im Innersten? Das eine macht Langer stets alleine, das andere gemeinsam mit anderen. Musik lebt von der Wiederholung, die Naturkunst vom Moment. "Ich glaube, es ist die Freude darüber, etwas Neues zu schaffen, die beide Bereiche verbindet", sagt Langer. Wohl fühlt er sich offenbar in beiden.

"Spuren", Ausstellung von Jan Langer in der Schrottgalerie Glonn, Vernissage am Donnerstag, 20. Februar, um 19 Uhr. Zu sehen sind die Bilder dann mindestens sechs Wochen lang.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020/koei
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