Süddeutsche Zeitung

Jahresrückblick 2022:Ein Saal fährt Achterbahn

Die Stadthalle Grafing erlebt ein bewegtes Jahr: Verteuerung und Verzögerung bei der Sanierung, politische Grundsatzdiskussionen, Kündigung und Neuanfang.

Von Anja Blum, Grafing

Ein höchst wechselvolles Jahr hat die Grafinger Stadthalle hinter sich, hier von einer Achterbahnfahrt zu sprechen, ist wohl nicht übertrieben. Die Ausgangslage: Das Landratsamt hatte gedroht, die Nutzung auf ein Minimum zu reduzieren, wenn nicht alsbald die erheblichen Brandschutzmängel behoben würden - und eine Analyse des Gebäudes aus den 80er Jahren offenbarte etliche weitere bauliche Probleme. Der Stadtrat entschied sich für eine "Minimalsanierung plus".

Los geht es dann mit einer schlechten Nachricht: Die Kosten für die Maßnahme explodieren, man rechnet nun statt 1,5 mit 2,4 Millionen Euro, viel Geld für eine Kleinstadt, die bereits mit mehr als zehn Millionen in den Miesen steht. Der Stadtrat allerdings sieht die Sanierung als "alternativlos" an und billigt den neuen Kostenrahmen mit breiter Mehrheit.

Im Stadtrat zeigen sich Absetzbewegungen von der Sanierungs-Strategie

Doch schon bald überrascht die SPD mit einer Neubewertung der Lage - mit einem Antrag, nicht weiter "unkalkulierbar" Geld in die alte Stadthalle zu stecken, sondern eine neue zu bauen, und zwar auf dem bisherigen Wertstoffhof gleich gegenüber. Um die Entscheidung zu untermauern, wird die Verwaltung aufgefordert, einen langfristigen Kosten- und Nutzenüberschlag zu erarbeiten.

Anfang Herbst, mittlerweile ist die Stadthalle wegen der Bauarbeiten komplett geschlossen, dann die nächste Hiobsbotschaft: Die Sanierung verzögert sich, an eine Wiedereröffnung im Oktober ist nicht zu denken. Dank des engagierten Kulturmanagers Sebastian Schlagenhaufer müssen die bereits geplanten Veranstaltungen allerdings nicht ausfallen, sondern gehen "on Tour" durch andere, kleinere Spielstätten in der Stadt.

Nur wenig später werden in Grafing plötzlich wieder Unterschriften gesammelt - und zwar für einen Neubau der Stadthalle. Nachdem das Engagement für ein entsprechendes Bürgerbegehren ein Jahr geruht hatte, steht nun nicht mehr nur das Bündnis für Grafing hinter dem Ansinnen, sondern ein überparteilicher Zusammenschluss. Eilig hat es dieser indes nicht, eine solche Entscheidung müsse reiflich überlegt sein, heißt es aus den Reihen der Initiatoren. Außerdem werden etwas mehr als 1200 Unterschriften benötigt.

Der langjährige Leiter der Stadthalle Sebastian Schlagenhaufer hat keine Lust mehr

Doch nicht nur politische und bauliche Probleme gibt es rund um die Stadthalle, sondern obendrein auch noch personelle: Der künstlerische Leiter Schlagenhaufer reicht seine Kündigung ein. Als Grund kann wohl vor allem mangelnde politische Unterstützung angesehen werden. Für das Publikum aber ist dies ein herber Schlag, hatte der Grafinger doch vor allem mit allerhand kleinen, besonderen Formaten und lokalen Akteuren für eine wohltuende Belebung des kulturellen Lebens in der Stadt gesorgt.

Kurz vor dem Jahreswechsel gibt es dann trotz allem gute Nachrichten: Die Sanierung ist beendet, mit dem Stadtball Ende Januar kann Wiedereröffnung gefeiert werden. Außerdem präsentiert der Bürgermeister einen Plan, wie es mit dem Programm in der Halle weitergehen soll: Wolfgang Ramadan, Großveranstalter aus Icking, will eine Aboreihe aus Kabarett und Konzerten anbieten und zudem die beliebten Mixed Shows weiterführen. Zusätzlich aber sucht die Stadt einen neuen Stadthallenleiter, der vor allem für die Vernetzung der lokalen Kreativen zuständig sein und ein eigenes Grafinger Kulturprofil entwickeln soll.

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