Isar 1 und 2:GAU im Amt

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Der Landkreis Ebersberg ist für ein Atomunglück kaum gerüstet - das offenbaren die Katastrophenschutzpläne im Landratsamt.

Lars Brunckhorst;

Bis in die neunziger Jahre kannte man es: Zweimal im Jahr war Probealarm. Zuerst mit einem einminütigen Heulton, danach mit Luftalarm oder ABC-Alarm und zum Schluss noch einmal mit einem Dauerton wurden überall im Land die Sirenen getestet. Doch mit dem Ende des Kalten Krieges wurden die ehemals fast hunderttausend Anlagen, mit denen die Bevölkerung im Ernstfall gewarnt werden sollte, großteils abgebaut.

In den letzten Jahren ist eine Umkehr zu beobachten: Zumindest in der Umgebung sogenannter Störfallbetriebe - das sind Anlagen, die bei einem Unfall eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen - werden wieder Sirenennetze errichtet. Im Landkreis Ebersberg begnügt man sich damit nicht: Hier gibt es in allen Gemeinden Feuerwehr- und Luftschutzsirenen, mit denen im Katastrophenfall die Bevölkerung gewarnt werden kann.

Abgesehen davon aber ist der Landkreis eher schlecht gerüstet für einen GAU, einen größten anzunehmenden Unfall etwa in den beiden Atomkraftwerken Isar 1 und Isar 2 in Ohu bei Landshut. Das hat eine Anfrage der ÖDP im Kreistag ergeben, die vom Landratsamt Aufklärung über die Katastrophenschutzpläne des Landkreises verlangte. Anlass ist das Reaktorunglück in Fukushima.

So verfügt der Landkreis etwa über keine Einheit, die für atomare, biologische oder chemische Verseuchungen ausgerüstet ist. "Eine ABC-Abwehr haben wir nicht", beantwortete Klaus Schmid vom Landratsamt im Kreistag die ÖDP-Anfrage. Der nächste ABC-Zug, der zur Hilfe nach Ebersberg ausrücken könnte, ist in Haar stationiert. Einige Feuerwehren im Landkreis verfügen aber immerhin über ABC-Schutzanzüge. Dass diese jedoch bei einem GAU in Ohu eingesetzt würden, glaubt der Katastrophenschutzbeamte nicht.

Die Regierung oder das Innenministerium, die in einem solchen Fall die Einsatzleitung hätten, würden kaum Ebersberger Kräfte um Hilfe bitten, so Schmid auf eine entsprechende Frage von ÖDP-Kreisrätin Johanna Weigl-Mühlfeld. Im übrigen handle es sich bei den Männern und Frauen der hiesigen Feuerwehren "zu 99 Prozent" um freiwillige Helfer, und Grundregel jedes Einsatzleiters sei der Eigenschutz. "Das heißt: Jeder Kommandant wird seine Leute nicht in irgendwas rein schicken, wo er von Haus aus weiß, dass sie nicht wieder rauskommen", so der Beamte.

Doch nicht nur die Ebersberger Einsatzkräfte sind auf einen Atomunfall kaum vorbereitet - auch für die Bevölkerung gibt es außer einem Vorrat an Jodtabletten wenig Vorsorge. Der Katastrophenschutzplan des Landkreises sieht zwar vor, wer im Ernstfall in welcher Reihenfolge zu alarmieren ist und welche Kräfte etwa helfen können, eine Trinkwasser- oder Notstromversorgung aufzubauen - ansonsten aber beschränkt sich der Plan auf hilflose Verhaltensregeln an die Bürger, die etwa lauten: "Daheim bleiben!" Oder, wie die Stadt Grafing unlängst in ihrem Amtsblatt bekannt machte: "Bewegen Sie sich möglichst quer zur Windrichtung, atmen Sie durch einen Atemschutz, zumindest ein Taschentuch."

"Alles andere als beruhigend" fand denn auch Grünen-Fraktionschefin Waltraud Gruber die Auskünfte aus dem Landratsamt. Diese zeigten einmal mehr, wie wichtig es sei, dass sich der Kreistag diese Woche für den Atomausstieg ausgesprochen hat. Andererseits: Unmittelbare Gefahr droht dem Landkreis durch das nahe Atomkraftwerk nach Ansicht von Katastrophenschützern ohnehin nicht. Der Landkreis liege nicht im Bereich einer Evakuierungszone, so Schmid - weder von Ohu noch dem Forschungsreaktor in Garching.

Dafür gibt es im Landkreis aber andere Anlagen mit Gefährdungspotential, für die der Katastrophenschutzplan im Landratsamt auch gilt: das Tanklager bei Steinhöring etwa oder der Erdgasspeicher in Wolfersberg. Eigene Katastrophenpläne existieren ferner für die Kreisklinik und den Forst. Ihnen allen ist gemein: Sie enthalten neben Anweisungen für einsatztaktische Maßnahmen und Karten vor allem Kontaktdaten aller wichtigen Personen und Einrichtungen, die man so in keinem Telefonbuch findet.

Deshalb sind die Katastrophenpläne im Landratsamt auch als "VS - Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch" eingeordnet. Auch wenn sie damit für die Öffentlichkeit verborgen bleiben, geben sie Schmidt zufolge aber keinen Anlass für wilde Spekulationen: "Das ist keine geheimnisvolle Akte X", so der Katastrophenschützer.

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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