Amtsgericht Ebersberg:Internationale Bande von Automatensprengern hochgenommen

Geldautomat in Osnabrück gesprengt

Ein von Unbekannten gesprenger Geldautomat in Osnabrück, Niedersachsen (Symbolfoto).

(Foto: dpa)

Eine Autofahrt von Utrecht nach Poing bringt einen jungen Mann für fast drei Jahre ins Gefängnis. Grund ist ein Zufallsfund.

Aus dem Gericht von Wieland Bögel, Ebersberg

Rein und raus in knapp drei Minuten, jedes Mal eine Beute von mindestens 100 000 Euro. So ging vor einigen Jahren eine Einbrecherbande im Großraum München vor, die sich auf Geldautomaten spezialisiert hatte. Die Geräte wurden gesprengt und ausgeräumt. Nun stand ein Mann vor dem Amtsgericht Ebersberg, der die Automatenknacker unterstützt haben soll. Er wurde im Mai 2018 auf der Autobahn aufgegriffen mit einem Fahrzeug voller Ausrüstung, die man für das Sprengen von Automaten benötigt.

Ziel des heute 25-Jährigen war Poing, wo die Bande offenbar einen Stützpunkt für ihre Raubzüge eingerichtet hatte: eine Wohnung, mehrmals über das Internetportal Airbnb angemietet. Die gefiel ihnen offenbar so gut, dass sie bei einem Auszug gleich einen Schlüssel für die Tiefgarage behalten haben. Und dorthin, so schlussfolgerten es später die Ermittler, hätte der nun Angeklagte auch das Auto samt Ausrüstung abliefern sollen.

Diese bestand unter anderem aus Gasflaschen, Schläuchen, Ventilen, Brecheisen und einer Stoppuhr, sogar Strumpfmasken waren im Paket enthalten. Bis auf den Zünder sei das komplette Equipment für eine Automatensprengung da gewesen, so ein als Zeuge gehörter Ermittler. Auch drei volle Benzinkanister lagen im Auto. Dieses - ein mit mehr als 300 PS nicht gerade untermotorisierter Mittelklassewagen - sollte offenbar als Fluchtfahrzeug benutzt werden. Die Reservekanister waren dafür da, um sich unterwegs nicht an einer Tankstelle der Gefahr einer Entdeckung auszusetzen, vermuten die Ermittler.

Die Bande hinter der Aufbruchsserie stammte aus Utrecht in den Niederlanden und war im Großraum München seit Dezember 2017 aktiv. Zuerst hebelten sie die Verkleidung der Automaten auf, dann leiteten sie ein Gemisch aus Sauerstoff und Acetylen ein, wie man es beim Schweißen benutzt. Per Druckanzeige und Stoppuhr ermittelten die Einbrecher die benötigte Menge Gas und zündeten sie mit einem Elektroschocker. Dabei gingen sie oft so präzise vor, dass nicht einmal die Scheiben der Bank zu Bruch gingen, wohl aber die Automaten - manchmal waren die Schäden aber auch höher. Der Ermittler schätzt, dass die Bande sieben bis acht Mal erfolgreich war und mindestens 100 000 Euro erbeutete - pro Automat. In einem Fall waren es sogar 350 000 Euro.

In krassem Kontrast - sowohl finanziell wie auch von den Fähigkeiten - zeigt sich dagegen die Geschichte des nun in Ebersberg angeklagten jungen Mannes. Dass er mit den Spreng-Utensilien unterwegs war, leugnete er nicht, auch nicht, dass er sich schon gedacht habe, diese könnten für kriminelle Aktivitäten genutzt werden. Dass er die Tour trotzdem machte, erklärte der arbeitslose junge Mann - nach zähem Nachfragen von Richter Markus Nikol, dem Verteidiger und der Dolmetscherin - mit seiner schwierigen Situation.

Aufgewachsen war er auf den niederländischen Antillen, mit 20 kam er nach Europa. Die Schule habe er ohne Abschluss abgebrochen, danach keine Arbeit gehabt und sehr viel Marihuana geraucht. Zu dem Zeitpunkt, als er mit dem Einbrecherauto aufgegriffen wurde, habe er auf der Straße gelebt. In einem Coffeeshop habe er einen Mann namens Mo kennengelernt. Man sei ins Gespräch gekommen und Mo, von dem er keinen weiteren Namen wisse, habe ihm dann angeboten für 800 Euro eine Ladung Lachgas von Utrecht nach München zu fahren. Die genaue Adresse sollte ihm dann per Mobiltelefon mitgeteilt werden, das Gerät übergab ihm Mo ebenfalls, zusammen mit 300 Euro, den Rest sollte es dann nach Erledigung des Auftrages geben.

Dass die ganze Sache - und letztlich die gesamte Automatenknackerbande - aufflog, lag offenbar daran, dass irgendjemand zu schlau sein wollte. Das Fahrzeug, mit dem der Angeklagte unterwegs war, hatte gestohlene Nummernschilder. Wer diese angebracht hatte, der Angeklagte selbst oder der ominöse Mo, blieb in der Verhandlung offen. Hätte das Auto, das über ein Geflecht von mehreren Autoverleihern angemietet wurde, die Originalkennzeichen gehabt, wäre die Tour des Angeklagten wohl reibungslos verlaufen. So aber fiel einer Zivilstreife auf der Autobahn bei Aschaffenburg die als gestohlen gemeldeten Kennzeichen auf. Der Angeklagte versuchte noch, die Polizei abzuschütteln, als er dazu über einen Rastplatz fuhr, musste er aber anhalten und wurde festgenommen.

Über die Zieladresse kamen die Ermittler dann auf Poing, über das dortige Ordnungsamt dann auf die Wohnung, deren Eigentümer wusste offenbar von nichts. Bevor die Bande sich Ende 2018 dort wieder einmietete, nahm die Polizei mit ihm Kontakt auf, letztlich konnten dadurch die Automatenknacker dingfest gemacht werden. Die großen Fische sind auch schon verurteilt, der Chef bekam zwölf Jahre und sechs Monate.

Davon sei sein Mandant weit entfernt, so der Verteidiger. Die Bande habe gezielt nach einem "Unbedarften" gesucht, den sie für ihre Zwecke einsetzen konnte. Der Angeklagte wusste zwar, dass er an einer kriminellen Aktion teilnimmt, an der Tatplanung sei er indes nicht beteiligt gewesen. "Er ist das kleinste Rad, er wollte einfach etwas Geld verdienen - und er ist nicht der Allerhellste". Der Verteidiger forderte ein Jahr auf Bewährung, auch weil der Angeklagte bereits seit März in Untersuchungshaft sitzt. Die Staatsanwältin hingegen forderte, den Angeklagten für drei Jahre und vier Monate einzusperren. Auch wenn er wohl kein Teil der Bande war, habe er diese doch unterstützt. Wegen der Abschreckung solle die Strafe möglichst hoch ausfallen, forderte die Anklagevertreterin.

Das Gericht tendierte auch eher in diese Richtung, auch wenn die Strafe mit zwei Jahren und zehn Monaten etwas geringer ausfiel. Der Angeklagte war eindeutig "im Bereich der organisierten Kriminalität tätig", so Nikol. Er sei "sicher kein führender Kopf", aber er habe "einen wichtigen Beitrag geleistet". Und er konnte zumindest davon ausgehen, dass die Sachen "nicht für den normalen Betrieb verwendet werden sollten". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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