Stigmatisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung - genau das erleben psychisch kranke Menschen oft in der Arbeitswelt. Einen passenden Job zu finden, ist für Betroffene häufig unmöglich. Doch gerade ein geregelter Alltag und Arbeit wirken sinnstiftend und können viel zur Besserung seelisch Beeinträchtigter beitragen. An dieser Stelle setzt die Stiftung Regenbogen an, die behinderten Menschen in der Region München angemessenen Wohnraum, Arbeit und soziale Unterstützung bieten möchte. Neben mehreren Kantinen, einem Café und zwei Wertstoffhöfen ist auch der Integrationsbetrieb "Frischkost" in Pliening Teil der Organisation.
Entstanden ist diese im Jahr 1989 als Arbeitstherapie für Langzeitpatienten des damaligen Bezirkskrankenhauses Haar, erklärt Hanns Jürgen Michal, damaliges Gründungsmitglied und heutiger stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Angefangen habe man mit dem Gemüseanbau; ein Jahr später wurde die Cafeteria des Haarer Krankenhauses übernommen. Seitdem hat sich die Stiftung vergrößert - die Notwendigkeit, psychisch Erkrankte im Arbeitsalltag zu unterstützen, sei aber geblieben, so Michal. Dass ein Arbeitgeber Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse von geistig behinderten und kranken Menschen nimmt, wie Frischkost es tut, ist immer noch eine Seltenheit.
Kantinen und Hotels nehmen die Produkte ab
"Je nachdem, wie viel unseren Angestellten zuzutrauen ist, arbeiten manche 15 Stunden die Woche, andere 20 oder eben Vollzeit", erklärt die Geschäftsführerin Elke Seyband. Rund 40 Mitarbeiter sind dort angestellt, ungefähr die Hälfte von ihnen lebt mit einer psychischen Beeinträchtigung. Andere sind erst vor Kurzem aus ihrem Heimatland geflüchtet oder befinden sich anderweitig in einer sozial schwierigen Situation. "Bei uns begegnen sich aber alle auf Augenhöhe", betont der Betriebsleiter Markus Pirschlinger. Ein Blick in die Produktionshalle bestätigt das: Die Angestellten arbeiten im Team an großen Tischen; wer eine psychische Einschränkung hat und wer nicht, ist für Außenstehende nicht zu erkennen.
Die Aufbereitung des regional eingekauften Biogemüses erfolgt hier nur zu einem kleinen Teil durch Maschinen: Das Nachschälen und Kleinschneiden erledigen die Mitarbeiter per Hand. "Das Gemüse wird zu einem Ready-Cut verarbeitet und dann einzeln oder zum Beispiel als Wok-Mischung ausgeliefert", erklärt Pirschlinger. Diese verkauft Frischkost selbst an Kantinen und Hotels im Großraum München. Der Partner Epos hingegen, der Großkunden mit Biogemüse versorgt, liefert die Plieninger Produkte sogar in ganz Süddeutschland aus. Um der Nachfrage zu begegnen, bereiten die Mitarbeiter inzwischen rund vierzig Tonnen Kartoffeln, Karotten, Kohlrabi und Co. im Monat zu.
"Bei dieser großen Produktionsmenge müssen auch wir sehr professionell vorgehen", erklärt Geschäftsführerin Seyband. Deshalb müssten bei Frischkost alle Angestellten auch die Leistung bringen, zu der sie in der Lage seien. "So etwas wie einen Mitleidsbonus für unseren Betrieb gibt es nicht, da sind wir ein Unternehmen wie jedes andere", so Seyband.
Viele Mitarbeiter arbeiten seit Jahren für den Betrieb
Doch innerhalb des Betriebes sieht es anders aus: Die Angestellten erhalten durch das Team besondere Unterstützung, Ratschläge und vor allem soziale Vernetzung. "Bei vielen Betroffenen reißt im Verlauf der Krankheit der Kontakt zu Freunden und Familie ab", erklärt Seyband. Dann versuche das Team von Frischkost, für die Mitarbeiter da zu sein. "Wenn wir merken, dass etwas nicht stimmt, fragen wir nach und versuchen dann gemeinsam eine Lösung zu finden", sagt Seyband. Für alle Mitarbeiter könnten die Arbeitszeiten je nach Situation angepasst werden und auch eine Beschäftigung in einem anderen Aufgabenfeld, wie der Auslieferung, sei möglich. Wer wechseln wolle zu einem anderen Betrieb, ob der Teil der Regenbogen-Stiftung oder nicht, werde auch dabei unterstützt, so die Geschäftsführerin.
Und tatsächlich ist Frischkost ein Erfolgsmodell: "Viele arbeiten schon jahrelang bei uns und sind währenddessen zum Beispiel vom Schneiden zum Maschinist aufgestiegen", sagt Seyband. Im letzten Jahr hätten es auch zwei Mitarbeiter wieder aus der Frührente hinausgeschafft. Psychisch kranke Menschen würden auf diese Weise vom Sozialhilfeempfänger wieder zum Steuereinzahler, so Seyband. "Das ist dann also nicht nur ein Gewinn für unsere Angestellten persönlich, sondern für die ganze Gesellschaft."