Süddeutsche Zeitung

Innovative Idee:So kommt Obst gar nicht erst in die Tüte

Waltraud Stitzl und Jutta Esser haben den "Rebeutel" aus Stoffresten erfunden. Dadurch lässt sich beim Einkaufen Plastik vermeiden

Von Stella Vogl, Steinhöring

"Wenn man eine Plastiktüte braucht, um eine Banane einzupacken, dann merke ich: Da gibt es Informationsbedarf", sagt Waltraud Stitzl aus Steinhöring. Doch mit Informationen allein lässt sie es nicht bewenden. Stitzl hat gemeinsam mit ihrer Freundin Jutta Esser die Initiative gegen Plastikmüll ergriffen und durch Recycling ein Stück grüne Innovation geschaffen: den sogenannten Rebeutel. Das ist ein Mehrwegbeutel für Obst und Gemüse, hergestellt aus leichten, luftdurchlässigen Stoffresten. Mit ihrer Geschäftsidee liegen die beiden Frauen voll im Trend, schließlich hat gerade eine Debatte über die Abschaffung der dünnen Plastikbeutel für Obst und Gemüse in den Supermärkten begonnen.

Es werden Ressourcen genutzt, die schon da sind

"Erst habe ich die Beutel selbst genäht, um für meine Einkäufe und die meiner Freunde geeignete Verpackungen zu haben", berichtet die zweifache Mutter über ihre Beweggründe. Darüber hinaus sei sie "tagtäglich" mit dem Thema beschäftigt; schließlich arbeitet sie schon seit Jahren nicht mehr als Bankkauffrau, sondern geht inzwischen ganz im Bio-Lebensmittelhandel auf. Sowohl im "Korn" in Grafing als auch im Werkstattladen in Steinhöring arbeitet sie mit.

Da verwundert es nicht, dass Waltraud Stitzl sich nicht erst seit Neuestem mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Und so kommt es auch, dass der Rebeutel sich seit einem Jahr zwischen Jutebeutel, Plastik- und Papiertüten in Bioläden und Supermärkten mischt. Ursprünglich hatten die zwei Gründerinnen mit der Bezeichnung "Resackerl" sympathisiert, aber schnell gemerkt, dass der Produktname schon vergeben und auch nicht unbedingt deutschlandweit verständlich wäre. Schließlich einigte man sich auf den Namen Rebeutel, dieser fasst den Kern des Produkts ganz treffend zusammen.

Dabei ist ein ganz bestimmter Punkt zentral bei der Herstellung und charakteristisch für den Beutel: "Es werden Ressourcen genutzt, die schon da sind. Das ist der ganz große Faktor." Ob man beim Bäcker sein Brot abholt oder Gemüse und Obst verstauen möchte: Für beide Fälle haben Waltraud Stitzl und Jutta Esser jeweils einen Beutel aus recycelten Stoffen entwickelt. Während das Gemüsenetz aus Gardinen gefertigt wird, bedarf es beim Brotsackerl eines robusteren Stoffs. Dafür kommen dann die vergleichsweise groben Leinen- oder Baumwollstoffe in Frage. Erhältlich sind die Gemüsebeutel im Dreierset für knapp acht Euro, ein Brotsackerl kostet sechs Euro.

50 Verkaufsstellen gibt es mittlerweile

Es handelt sich also um mehr als nur um eine Alternative zur Plastik- oder eben auch zur Papiertüte. Denn auch wenn diese häufig als umweltschonende Alternative zur Plastiktüte propagiert wird, so gibt es in den Augen von Waltraud Stitzl doch einen Kritikpunkt, der durchaus ins Gewicht fällt. "Wenn ich die Papiertüte ökologisch betrachte, ist die auch schlecht, wenn ich sie nicht zehn Mal verwende. Und eine Papiertüte kostet ja meistens nix, die schmeißt man dann sofort weg", gibt sie zu bedenken. Anders verhalte es sich dabei mit dem Rebeutel. Er sei nicht nur wiederverwendbar, sondern auch leicht sauber zu halten. Wer Ablagerungen und Verfärbungen vermeiden möchte, kann den Beutel ganz unkompliziert bei 40 Grad waschen. Dank der Umweltverträglichkeit und der Langlebigkeit, erzählt Stitzl, "stehen die Leute voll dahinter. Und es kann schon mal vorkommen, dass Kunden ihre Stoffe, die sie gespendet haben als Beutel wiederfinden".

"Es ist lustig, bei jungen Menschen die Reaktion zu sehen", sagt sie auch. Denn durch Gespräche mit ihren bereits erwachsenen Kindern erfährt sie von der jüngeren Kundschaft, die für ihr Brot auch gern den Beutel kauft. Doch der Rebeutel sei nicht nur "ein komplettes Recyclingprodukt" und verpackungssparend: "Er wird sozial und regional gefertigt." Denn erst die verschiedenen sozialen Einrichtungen in und um München, wie der Gartenhof in Ebersberg, lassen aus einer Idee ein ausgereiftes und nachhaltiges Produkt mit Kundschaft über die bayerischen Grenzen hinaus entstehen. Knapp 50 Verkaufsstellen für den Rebeutel gibt es inzwischen, die meisten in Süddeutschland, aber sogar in einem Bioladen in Kusel in Rheinland-Pfalz sind die Beutel zu haben. Und langsam startet das kleine Unternehmen durch: Im vergangenen Jahr wurden 1000 Beutel-Sets verkauft.

Eine Unterstützung durch Stoffspenden ist jederzeit willkommen. Die Spenden können im Werkstattladen Steinhöring, im Korn Biomarkt Grafing und Ebersberg sowie im Fairladen Grafing oder direkt bei Waltraud Stitzl zuhause in Schützen 13 in Steinhöring abgegeben werden. Eine Liste der Verkaufsstellen findet sich unter www.rebeutel.de.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2019
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