In die Haare gekriegt:Zu viele offene Fragen

Gerichtsverfahren wegen einer Prügelei am Rande der Anzinger Jubiläumsfeierlichkeiten wird eingestellt

Von Bastian Hosan

In die Haare gekriegt: Feiern in Anzing, Alltag am Amtsgericht: Zu viel Bier erhitzt die Gemüter, doch danach will keiner mehr etwas davon wissen.

Feiern in Anzing, Alltag am Amtsgericht: Zu viel Bier erhitzt die Gemüter, doch danach will keiner mehr etwas davon wissen.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Mutter und Tochter gemeinsam auf der Anklagebank - das passiert eher selten, zumal wenn die Anklage gefährliche Körperverletzung lautet. Und es war tatsächlich ein ungewöhnlicher Fall, mit dem sich Richterin Susanne Strubl am Ebersberger Amtsgericht kürzlich befassen musste. Die beiden Frauen vor ihr sollen sich, so lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, auf der 1200-Jahr-Feier in Anzing mit einer Türsteherin buchstäblich in die Haare bekommen haben. Doch was wirklich passiert ist, konnte auch nach zahlreichen Zeugenvernehmungen nicht geklärt werden - das Verfahren wurde letztlich eingestellt.

Schon beim Verlesen der Anklage hatte sich erahnen lassen, dass die Aufklärung der Geschichte schwierig werden würde. Was war geschehen? Entzündet hatte sich der Fall wohl an einem betrunkenen Mann, dem die Türsteherin den Einlass zu einem Bierzelt verweigert haben soll. Der Mann zeigte sich, so die Türsteherin, einsichtig, verließ das Zelt und ließ sich in der Nähe auf einer Bank nieder. Mutter und Tochter, die ebenfalls das Fest besuchten, schien der Mann dann allerdings leid zu tun: Nachdem sich beide bei der Security erkundigt hatten, warum der Mann das Zelt nicht mehr betreten dürfe, versuchten sie ihn, zwischen sich eingehakt, an der Türsteherin vorbei wieder ins Zelt zu bugsieren.

Die Sicherheitskraft stellte die beiden Frauen zur Rede, wobei sie sich an die Mutter wandte, da diese auf sie "einen zugänglicheren Eindruck machte". Doch dann soll sich, so der Bericht der Türsteherin, die Tochter eingemischt und ihr eine Ohrfeige verpasst haben. Es kam zum Gerangel: Die Türsteherin soll dabei nach eigenen Angaben versucht haben, die junge Frau an der Schulter zu packen. Dabei habe sie jedoch die Haare der jungen Frau erwischt. Nun soll auch die Mutter handgreiflich geworden sein und die Türsteherin ihrerseits so an den Haaren gezogen haben, dass ihr Hals überstreckte. "Dann habe ich versucht, mich herauszuwinden", so die Geschädigte. Doch sei sie gleich von einem weiteren Mann in den Schwitzkasten genommen worden, von ihm in gebeugter Körperhaltung zur Tür geschoben worden, wo die Tochter dann "20 Mal auf sie einschlug". Auch Tritte, gab die Frau an, habe sie abbekommen. Die beiden anderen Frauen, die sich wegen des Vorfalls nun vor Gericht verantworten mussten, hatten bereits zuvor durch ihre Anwälte mitteilen lassen, dass die Anklage "nicht zutreffend" sei.

Der Versuch der Richterin, sich durch Zeugen mehr Klarheit über das tatsächliche Geschehen zu verschaffen, gestaltete sich schwierig. Von den Befragten wollte keiner gesehen haben, dass die Sicherheitskraft überhaupt Schläge abbekommen habe. Auch darüber, wo sich der Vorfall abgespielt haben soll, ob vor dem Zelt, im Eingangsbereich oder beides, gab es unterschiedliche Aussagen. Immerhin darüber, dass Polizei und Krankenwagen anrücken mussten, herrschte Einigkeit. Ein Zeuge, der eine Ausbildung zum Sanitäter genossen hatte, gab an, die Geschädigte noch am Ort des Geschehens untersucht und diese dann mit Eis versorgt zu haben. An den Tathergang jedoch könne auch er sich nach all der Zeit nicht mehr erinnern. Außerdem, sei er auch schon "ziemlich betrunken gewesen". Ein anderer erzählt, dass er die Türsteherin aus der aufgebrachten Menge weggehoben habe - "ich wollte deeskalierend wirken", sagte er.

Die Anwälte der beiden Angeklagten zogen die Version der Türsteherin deutlich in Zweifel. "Einen rechten Scheißdreck" erzähle sie, sagte einer der Advokaten sogar angesichts der Tatsache, dass die Frau erklärte, dass der Vorfall acht bis zehn Minuten gedauert habe und in dieser Zeit keiner ihrer Kollegen zu Hilfe geeilt sei.

Am Ende bleibt nur die Einigkeit darüber, dass man sich uneins war. Über den Tathergang, die Täter - und sogar darüber, wer hier eigentlich das Opfer war. Denn attestierte Verletzungen trugen am Ende beide Parteien davon, sowohl die Türsteherin, als auch die Tochter. Bei all den widersprüchlichen Aussagen war der Ausgang des Verfahrens letztlich keine Überraschung. "Nach Prüfung der Beweislage" und nach einem Rechtsgespräch zwischen Richterin Susanne Strubl und den Anwälten der Beteiligten, wurde das Verfahren eingestellt.

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