In der Glonner Schrottgalerie:Kunst aus dem Ärmel

Eine umfangreiche Retrospektive widmet sich dem Münchner Maler Werner Frach, der Könnerschaft und Schöpferkraft vereinte wie kaum jemand

Von Anja Blum

Als "Entdeckung für die Region" sei ihr Vater bei seiner ersten Retrospektive gefeiert worden, erzählen die Erben. Vor etwa zwei Jahren war das, in einer Bruckmühler Galerie. Und die begeisterte Reaktion verwundert kein bisschen: Werner Frach ist tatsächlich eine Entdeckung, ein Maler, der handwerkliches Können und schöpferische Kraft in sich vereint wie selten jemand. Wer sich mit eigenen Augen davon überzeugen möchte, kann nun eine zweite Retrospektive besuchen, und zwar in der Glonner Schrottgalerie. Die Kleinkunstbühne zeigt die Werke des Expressionisten noch bis Anfang Januar, Vernissage wird gefeiert am Donnerstag, 7. November, um 19 Uhr.

Werner Frach Maler, Schrottgalerie

Masse und Klasse: Knapp 300 Bilder von Werner Frach sind nun in der Glonner Schrottgalerie zu sehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Deshalb führen an diesem Vormittag Monika Arndt und Werner Frach junior in freudiger Erwartung durch die Schrottgalerie. Die beiden Kinder des Künstlers, heute selbst im Rentenalter, leben schon lange in Großhöhenrein im Landkreis Rosenheim und pflegen gute Kontakte zur Kulturszene in Glonn. Kein Wunder, ist Arndt doch selbst Malerin und hat bereits drei Mal in der Galerie ausgestellt. Für die Rückschau aufs Schaffen des Vaters haben die beiden Erben ihre Lieblingsstücke ausgewählt - sicher keine leichte Aufgabe. Denn Werner Frach hat sein Leben lang gemalt und gezeichnet, aber nur sehr selten ein Blatt aus den Händen gegeben, so dass er seinen Kindern am Ende etwa 2000 Bilder hinterließ.

Werner Frach Maler, Schrottgalerie

Schiffe und Städte zählen zu Frachs Motiven.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Knapp 300 davon kann man nun in der Schrottgalerie bestaunen, dank eines Kniffs der beiden Ausstellungsmacher: Sie haben die Werke nicht gerahmt, sondern zeigen sie ganz bescheiden dicht an dicht auf großen Kartons. Das hat den Vorteil, dass sie sehr viel weniger Platz benötigen, außerdem passe dieser Werkstattcharakter gut zum Schaffen des Vaters, sagen die Kinder. "Er hat am liebsten ganz einfache Farben benutzt, und auch teures Papier hat ihm nichts bedeutet", sagt Monika Arndt. "Kartons, alte Kalender, Zeitungen, all das hat er bemalt." Gezeichnet habe er meist mit einer selbst gemachten Rohrfeder. Auch für Rahmen verschwendete Frach kein Geld, weshalb sein immenser künstlerischer Nachlass nun in ein einziges großes Regal passt.

Werner Frach Maler, Schrottgalerie

Auch dieses Portrait einer Dame gibt es zu sehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Was man angesichts der Ausstellung nicht vermuten würde: Werner Frach war Autodidakt. "Aber er hatte das Zeichnen einfach im Blut", sagt der Sohn. Geboren 1920 in Oberschlesien wollte Frach schon früh Maler werden, so erzählen es die Kinder, doch "im bürgerlichen Elternhaus duldete man keine Bohemeexistenz". Also lernte Frach zunächst das Maurerhandwerk, besuchte die Baugewerksschule und brachte es schließlich durch ein Studium zum Bauingenieur und Architekten. Kurz darauf wurde der junge Mann zur Wehrmacht eingezogen - unfreiwillig, wie die Erben betonen. "Er war kein begeisterter Soldat, es blieb ihm nur nichts anderes übrig." Noch während des Krieges heiratete Frach, geriet dann in russische Gefangenschaft und verbrachte mehrere Jahre in einem Lager in Lettland. Seine Frau floh mit der kleinen Monika aus Oberschlesien - und landete im bayerischen Grafing. 1949 kam auch der Vater dort an, doch schon bald zog die junge Familie nach München, wo Frach fortan in einem großen Architekturbüro arbeitete. Sein Lebensinhalt aber war die Kunst: In der Mittagspause streifte er durch Museen und Galerien, in seiner Freizeit und auf ausgedehnten Reisen widmete er sich dem Malen und Zeichnen. 2014, mit 94 Jahren, starb Werner Frach, seitdem kümmern sich die Erben um sein Œuvre.

Werner Frach Maler, Schrottgalerie

Inspiriert vom Zirkus ist dieses Bild.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach dem Krieg sei der Vater "schwer traumatisiert" gewesen, erzählen sie, doch die Kunst habe ihm bei der Verarbeitung geholfen. Offenbar mit Erfolg: Die Gräuel haben keinen Eingang gefunden in Frachs Werk, nicht einmal ein Hauch Düsternis oder Schwermut ist zu finden. Ganz im Gegenteil, diese Bilder strahlen Lebensfreude, Wachheit und Ausgeglichenheit aus. Und tatsächlich: "Unser Vater war bis zuletzt an allem interessiert und gut drauf", sagt Arndt. Wobei sie als Malerin freilich auch die ein oder andere Debatte mit dem Vater gehabt haben wird: "Er war schon kritisch und übermächtig", sagt sie, "aber zum Schluss hat er mich doch anerkannt, da waren wir gleichwertig. Jahrelang saßen wir in derselben Malgruppe, nebeneinander."

Werner Frach Maler, Schrottgalerie

Werner Frach mit etwa 80 Jahren in Tunesien beim Malen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nun freuen sich Arndt und ihr Bruder sehr, das Werk des Vaters der Öffentlichkeit erneut präsentieren zu können, vor allem, weil sie diesmal sein ganzes Spektrum zeigen dürfen (im Vergleich zur Ausstellung in Bruckmühl). Denn Frachs Nachlass ist nicht nur umfangreich, sondern vor allem auch extrem vielfältig. Bestimmt ein Dutzend Serien zeigt die neue Retrospektive. Der kreative Reichtum reicht von Landschaften, Architektur und Stillleben über diverse figürliche Szenen und Porträts bis hin zu völlig Abstraktem. Da sind feingliedrige Grafiken zu sehen, kolorierte Zeichnungen, eher flächige Farbimpressionen. Max Beckmann sei ein großes Vorbild gewesen, sagen die Erben, aber auch an Schiele, Nolde oder Jawlensky kann man sich hier erinnert fühlen. Frach nutzte Tusche genauso wie Aquarell und Gouache, doch jedem Genre gemein ist bei ihm eine ungemeine Lockerheit, ein Zeichnen und Malen wie aus dem Ärmel geschüttelt. Zwar arbeitete Frach auch mit Skizzenbüchern, doch vieles sei dank seines fotografischen Gedächtnisses entstanden, sagt der Sohn. Wie er es schaffe, Pferde so toll zu zeichnen, habe er den Vater einmal gefragt. "Ich male einfach so lange, bis mein Kopf sagt, jetzt stimmt's", habe die Antwort gelautet.

Werner Frach Maler, Schrottgalerie

„Die Kunst war sein Lebensinhalt“: Der Münchner Maler Werner Frach in jüngeren Jahren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Formate der Ausstellung reichen von etwa Din A3 bis hin zu kleinsten Blättern, die nicht einmal Postkartengröße besitzen. Doch gerade hier zeigt sich die Könnerschaft des Künstlers: Wie Frach auf diesen wenigen Quadratzentimetern eine unerhörte Dichte an Form und Ausdruck schafft, ist schlicht beeindrucken. Immer wieder hat er die bayerische Landschaft verewigt, besonders gerne den schier monochromen Winter, aber auch Eindrücke aus dem arabischen Raum hat er verarbeitet, Moscheen, Palmen und Menschen in langen Gewändern, oder den Süden Europas mit Pinien, roten Hausmauern und großen Toren, die Prachtbauten von Venedig hat er als Architekt freilich besonders detailverliebt eingefangen. Seine Porträts sind von eigenwillig-expressionistischer Farb- und Formgebung, da leuchten die Wangen auch mal blau oder gelb, die Proportionen alles andere als realistisch. Diese Bildsprache verfehlt indes ihre Wirkung nicht: Schnell ziehen die Gesichter den Betrachter in ihren Bann, als würden sie direkt aus ihrem Leben erzählen.

Auch dem Schöpfer selbst waren seine Bilder offenbar stark ans Herz gewachsen. "was soll ich mit den paar Kröten", habe er zum Thema Verkaufen zu sagen gepflegt, erzählt Frach junior. Doch die Erben bekamen keine Auflagen für den Nachlass, also haben sie nun entschieden, es anders zu handhaben als der Vater. "Es gibt so viele wirklich gute Bilder von ihm, da kann man sich schon von dem ein oder anderen trennen", sagt Arndt und lächelt.

Ausstellung Werner Frach in der Glonner Schrottgalerie, Vernissage mit Livemusik von Rubina Knopf, Manuel Winhart und Siggi Grasser am Donnerstag, 7. November, um 19 Uhr. Geöffnet an den Wochenenden vom 9./10. November und 16./17. November jeweils von 14 bis 18 Uhr sowie bis 6. Januar an allen Konzertabenden.

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