Im Purfinger Haberer:Ein Ex-Rebell erklärt die Welt

Wolfgang Bosbach bei CSU Vaterstetten

Wolfgang Bosbach (Vierter von rechts) mit der örtlichen Politprominenz und den beiden potenziellen Bürgermeisterkandidaten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der frühere CDU-Innenpolitikexperte Wolfgang Bosbach findet bei der Vaterstettener CSU viele Gleichgesinnte

Von Barbara Mooser, Vaterstetten

Am Ende gibt Michelino Capezzuto-Zehetmeier ein Beispiel jenes rauen Charmes der Purfinger, von dem er vorher noch gesprochen hat. In Purfing möge man einander und auch diejenigen, die zu Besuch kämen, sagt der CSU-Gemeinderat: "Aber wir sind dann auch froh, wenn sie wieder gehen." Der Ehrengast des Abends nimmt das nicht weiter übel, in seiner politischen Karriere hat Wolfgang Bosbach schließlich einiges eingesteckt und auch ordentlich ausgeteilt - und dass ihm die Besucher in Purfing mehr als wohlgesonnen sind, haben sie dem CDU-Politiker zuvor bereits mit einem langen Applaus gezeigt. "Das war jetzt schon ein Highlight", sagt eine Frau begeistert, als sie nach dem Vortrag aus dem Stadl des Purfinger Haberer zurück ins Freie tritt.

Bosbach war vor seinem Rückzug aus der aktiven Politik aus gesundheitlichen Gründen vor knapp zwei Jahren ein begehrter Gast in diversen Talkshows. Das wundert wohl niemanden, der den langjährigen Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestags am Donnerstagabend bei der Vaterstettener CSU erlebt. Von der Wiedervereinigung bis zur Digitalisierung, von der Zuwanderung bis zum Brexit schlägt er eineinhalb Stunden lang eloquent den Bogen, baut dabei immer wieder selbstironisch eigene Erinnerungen ein, wie etwa jene von seinem Klassentreffen 60 Jahre nach der Einschulung: "Alles alte Leute! Ich war der einzige etwas Jüngere."

In der Vergangenheit ist Bosbach, der dem konservativen Flügel der CDU angehört, so manches Mal mit seinen Wortmeldungen angeeckt; der damalige Kanzleramtsminister Roland Pofalla ließ sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, er könne Bosbachs "Fresse nicht mehr sehen". In Purfing gibt der 67-Jährige das Unschuldslamm. Er, ein Rebell? "Das können Sie knicken, alles Blödsinn, ich bin gar nicht auf Krawall gebürstet", sagt er, lächelt, und schiebt hinterher: "Ich vertrete ausschließlich Positionen, die die der CDU sind - oder einmal waren." Das Publikum lacht.

Großzügig verteilt er Streicheleinheiten an die Schwesterpartei. "Ich gelte in der CDU als heimlicher Sympathisant der CSU. So ein Blödsinn." Er macht eine Pause. "Ich bin ein offener Sympathisant der CSU!" Das kommt gut an, immer wieder spenden die Besucher auf den harten Bierbänken dem Gast Zwischenapplaus.

Lange spricht Bosbach über den Mauerfall und die Wiedervereinigung und macht den Unterschied zwischen Nationalismus und Patriotismus deutlich. "Vaterlandsliebe ist eine gute Sache", sagt er. Jemand, der sein eigenes Vaterland liebe, "käme nie dazu, die Vaterländer anderer zu verachten". Nationalismus hingegen bedeute Abgrenzung und Ausgrenzung. Vor dem Hintergrund des Einzugs der AfD bedauere er ein wenig, dass er nicht mehr im Bundestag sei, bekennt der Politiker: "Eine klare inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD würde ich schon gern führen." Doch auch zu anderen Parteien äußert er sich, etwa zur SPD. Dass diese nun bei 14 Prozent stehe, bereite ihm "überhaupt keine Freude", sagt Bosbach, wehmütig denkt er an die Zeiten, als die Union und die SPD gemeinsam ein großes politisches Spektrum abgedeckt haben. Dies habe Deutschland auch eine große politische Stabilität verliehen, sagt er; diese sieht er inzwischen nicht nur in Deutschland, sondern in weiten Teilen Europas gefährdet.

Bei schwindenden Mehrheiten für die Union und die SPD und Umfragen, die prognostizieren, dass vielleicht auch bald keine große Koalition mehr möglich sein könnten, sieht Bosbach aber auch Schwarz-Grün nicht als Lösung. "Wer von Schwarz-Grün träumt, wird mit Rot-Rot-Grün aufwachen", so seine Warnung. Zwar seien die beiden derzeitigen Grünen-Vorsitzenden durchaus sympathisch, sie seien aber nicht repräsentativ für die ganze Partei. Er selbst kenne ja viele Grüne, sagt Bosbach, "mit der einen Hälfte würde ich sofort koalieren, mit der anderen Hälfte auf keinen Fall". Im Übrigen gelte ja auch immer noch der Grundsatz: "Wer sich mit dem Zeitgeist verheiratet, ist schnell Witwer."

Auch wenn Bosbach gewohnt ist, mit Widerspruch umzugehen - in Purfing hat er das Publikum auf seiner Seite. Den CSU-Mitgliedsantrag, den ihm Ortsvorsitzender Michael Kundler mitzugeben verspricht, füllt der CDU-Politiker aber dann doch nicht aus. Es habe nur ein Exemplar gegeben, und das habe ihm Landrat Robert Niedergesäß für ein anderes Neumitglied abgenommen, erzählt Kundler am Tag danach. Ohnehin kann sich die CSU Vaterstetten über einen Mangel an Neumitgliedern nicht beklagen - Hintergrund ist wohl eine Entscheidung, die am 18. Juli ansteht. Dann dürfen die Mitglieder abstimmen, ob Leonhard Spitzauer oder Robert Winkler für die CSU in den Bürgermeisterwahlkampf ziehen soll.

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