Im Landkreis:Wo sind die jungen Menschen?

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Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als FSJ- und BFD-Interessierte soziale Träger im Landkreis Ebersberg überrannt haben, herrscht heuer Flaute. Auch viele Ausbildungsplätze sind noch unbesetzt - eine Spurensuche

Von Johanna Feckl und Esther Lärmer, Ebersberg

Zehn Stellen für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) sind bei der Awo im Landkreis Ebersberg Mitte Juni noch unbesetzt - rund ein Viertel. "Das ist eine Hausnummer", sagt Awo-Kreisvorsitzende Ulrike Bittner. Beim Einrichtungsverbund Steinhöring (EVS) zeichnet sich dieser Tage ein noch schlechteres Bild, dort sind bislang gut die Hälfte der Plätze für ein FSJ oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) vakant. Haben sich möglicherweise mehr junge Menschen direkt für eine Ausbildung entschieden als sonst? Nein, zumindest waren Ende Mai von den im Kreis Ebersberg gemeldeten Ausbildungsplätzen bislang nur die Hälfte besetzt. Wo also sind die jungen Menschen dann?

"Bei unseren 14 Stellen für die Erzieherausbildung haben wir schon alles unter Dach und Fach", sagt Ulrike Bittner von der Awo. Ähnliches berichtet Bettina Haberl vom EVS, insgesamt gibt es dort um die 40 Ausbildungsstellen in der Heilerziehungspflege. Bei den FSJ-Stellen zieht sich der Einstellungsprozess hingegen bei beiden Trägern schleppend in die Länge - und das, obwohl es im vergangenen Jahr ein deutliches Plus an FSJ-Anfragen gab. "Da haben wir fast einen Run auf unsere Stellen gehabt", sagt Bettina Haberl, Personalleiterin beim EVS. "2020 war es so, dass viele junge Menschen eigentlich schon einen Ausbildungsplatz hatten, aber wegen Corona hat es damit dann doch nicht geklappt", so Bittner. Aus der Gastro- und Hotel-Branche seien ihr solche Fälle bekannt, einige der Betroffenen hätten daraufhin bei der Awo wegen eines FSJ zur Überbrückung angeklopft. Dieses Jahr ist das anders. Vielleicht, so überlegt Bittner, weil die jungen Leute durch Corona noch planloser sind, als es für das Alter typisch ist - verständlicherweise, wie die Awo-Vorsitzende ergänzt.

"Die Verunsicherung bei den Jugendlichen ist groß", sagt auch Christine Schöps von der Arbeitsagentur. Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren, Wechselunterricht und Home-Schooling, Abschlussprüfungen unter Pandemie-Bedingungen - und dann auch noch an die Zeit nach der Schule denken. "Die Entscheidung, in welche Richtung es beruflich gehen soll, ist selbst in 'normalen' Zeiten nicht immer leicht", so Schöps.

Viele Jugendliche hätten diese Entscheidung wohl auf die Zeit nach den Prüfungen verschoben - also auf jetzt, denn die Abschlussklausuren an den Schulen wurden Corona-bedingt in diesem Jahr weiter in Richtung Sommer verschoben. "Ein Teil der Ausbildungsverträge wird wohl erst in den kommenden Wochen und auch noch im August abgeschlossen." Und, so lässt sich vermuten, eine ähnliche Entwicklung könnte es wohl auch bei den FSJ- und BFD-Stellen geben.

Von starken Corona-bedingten Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt kann im Landkreis Ebersberg demnach nicht die Rede sein, zumindest noch nicht. Das zeigt ein Blick auf aktuelle Zahlen: Im Mai waren von 617 gemeldeten Stellen noch 309 unbesetzt, das sind 50 Prozent. Im Mai 2020 waren es 61 Prozent, im Mai 2019 gut 55 Prozent. Letztlich werde man erst im Herbst abschließend sagen können, ob und wie die Pandemie Auswirkungen auf das Berufsberatungsjahr 2020/2021 hat, so Schöps. Für den Moment gilt jedenfalls: Alles im üblichen Bereich.

Das berichtet auch Martin Ellmaurer, stellvertretender Geschäftsführer und Personalleiter an der Ebersberger Kreisklinik. Von den 25 Plätzen für die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann sind zwar aktuell erst 14 besetzt, aber Ellmaurer macht sich keine Sorgen, dass die Stellen in ein paar Wochen immer noch vakant sein werden. "Unsere Bewerberzahlen haben sich weder verbessert noch verschlechtert." Das gleiche gilt für die FSJ-Stellen. Hier sind von sechs Plätzen noch zwei zu vergeben. Nichts ungewöhnliches für diese Jahreszeit.

In einer Hinsicht ist die Situation im Landkreis Ebersberg jedoch schon ungewöhnlich: Es herrscht ein sogenannter Bewerbermarkt - also mehr Ausbildungsangebote als Ausbildungsinteressierte - und das war schon vor Corona so. Dass ein solches Überangebot an Ausbildungsplätzen vorhanden ist, liegt laut Christine Schöps von der Arbeitsagentur an der guten wirtschaftlichen Lage im Landkreis. Corona habe damit nichts zu tun. Entgegen dem bayernweiten Trend nahm die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen von Oktober 2020 bis Mai 2021 im Landkreis verglichen mit dem Vorjahreszeitraum sogar zu - um 22 Stellen oder 3,7 Prozent. In Bayern insgesamt wurden hingegen 5,7 Prozent weniger Ausbildungsstellen gemeldet. Also: "Es gibt noch gute Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden", sagt Schöps. "Zum Bewerben ist es nicht zu spät!"

Es ist aber nicht nur das üppige Angebot an Ausbildungsstellen, das für manch eine unbesetzte Stelle sorgt: Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für den Besuch einer weiterführenden Schule und ein Studium. In der Kreisklinik etwa, so berichtet es Martin Ellmaurer, komme es immer wieder vor, dass die Ausbildungsplätze zwar besetzt werden, die Absolventinnen und Absolventen sich dann aber für ein Studium der Medizin oder der Pflegewissenschaften entscheiden. Den Trend bestätigen auch Christina Schöps und Sonja Ziegltrum-Teubner, Geschäftsführerin der Bayerischen Blumenzentrale in Parsdorf und Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses in Ebersberg. Aber: "Studium ist nicht der einzig richtige Weg", sagt Ziegltrum-Teubner. Im Gegenteil, mancher oder manche habe mit einer Ausbildung deutlich bessere Berufschancen.

© SZ vom 29.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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