Süddeutsche Zeitung

Im Landkreis Ebersberg beginnt die Eiscreme-Saison:Der Februar ist auch nicht mehr das, was er mal war

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Hiesige Eisdielen-Betreiber freuen sich über den warmen Winter. Manch einer will die Zerstörung des Planeten aber stoppen

Von Dorian Baganz

Es ist eine alte Großmutter-Weisheit, dass alles immer früher anfängt. Wenn die Gartencenter Ende August langsam das Weihnachtsgeschäft einläuten oder in Discounterregalen die ersten Lebkuchenherzen zum Verkauf angeboten werden, beschweren sich ältere Menschen gerne über diese Häresie: Hat ja nix mehr mit Weihnachten zu tun!

Worüber wird sich wohl die Generation von Fridays for Future (FFF) eines Tages aufregen, wenn sie ihren Enkeln davon erzählt, was damals alles besser gewesen sei? Falls es die Aktivisten ihren Eltern gleichmachen und den Weg in die Bürgerlichkeit beschreiten, könnten Eiscafés zum Objekt ihrer Wut avancieren. Denn auch diese folgen dem Pfad, den das Weihnachtsgeschäft für sie ausgetreten hat: Sie starten ihre Verkaufssaison immer früher. Der Grund dafür ist wohl die Erderwärmung: So schließt sich der Kreis zu den FFF-Demonstranten.

Dieser Tage stehen bereits die roten Bistrostühle vor der Eisdiele "Gelato e Fantasia" am Ebersberger Marienplatz. "Die Leute sind jetzt scharf auf Eis", sagt deren Betreiber Diego Polese. Deswegen öffne er am Freitag seine Pforten: zwei Wochen vor Märzanfang! Das sei der wichtigste Monat für Eisverkäufer, sagt Polese, "da gibt's noch keine Konkurrenz durch Schwimmbäder." Umso bedeutsamer ist es für seine Berufsgruppe, dass es zu dieser Zeit nicht mehr stürmt und schneit. "Die Saison verschiebt sich immer mehr nach vorne", sagt Alessandro Marsico von der "Icegreen Manufaktur" in Grafing. Gerade zieht er mit seinem Geschäft von der Münchener Straße in die Rotter Straße um, deshalb wird er selbst erst Ende März wieder Eiscreme an seine Kunde verkaufen können - das neue Ladenlokal ist noch eine Baustelle. Damit geht ihm der wirtschaftlich wichtigste Monat durch die Lappen, ja, vor ein paar Jahren sei die Eisdielen-Saison jedoch noch ganz regulär im April losgegangen, erinnert er sich. Erst seit einiger Zeit wäre es Usus, bereits im Februar zu starten. "Das Wetter spielt halt mit." Und so befindet sich der 31-Jährige in einem Dilemma: Für ihn als Mensch ist der Klimawandel "etwas Negatives", wie er selbst sagt. Als Kaufmann hingegen profitiert er von milden Temperaturen im Winter. Der Zerstörung unseres Planeten will Marsico trotzdem nicht tatenlos zusehen, weshalb er sein Eiscafé seit zwei Jahren "komplett plastikfrei" betreibe; als Ersatz für den Kunststoff nehme er Maisstärke. Die Strohhalme in der Icegreen Manufaktur sind aus Glas. "Das wird sehr gut angenommen", sagt der Geschäftsmann.

Zehn bis fünfzehn Prozent Unterschied beim Umsatz würde es machen, ob man einen "guten Start" in die Saison habe, erklärt Diego Polese für seinen Ebersberger Laden. Und so wird man ab Freitag die Menschen wieder draußen auf dem Marienplatz sitzen sehen, statt Schneeschaufel mit einem dicken Eisbecher in der Hand. Der Februar ist auch nicht mehr, was er mal war.

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Quelle:
SZ vom 18.02.2020
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