Im Grafinger Stadtmuseum:Bilder der Bühne

Hermann Will
Ausstellung 45 Jahre Jazz in Grafing

Der Drummer Billy Hart, auf dem Bild 77 Jahre alt, zählt aufgrund seiner abwechslungsreichen Mimik zu Hermann Wills Lieblingsmotiven.

(Foto: Hermann Will/oh)

Hermann Will fotografiert seit vielen Jahren bei Konzerten der lokalen Jazz-Szene. Nun gibt es eine Ausstellung.

Von Alexandra Leuthner

Hermann Will kann es gar nicht oft genug betonen: Das, was sich in Grafing und Ebersberg in den vergangenen vier Jahrzehnten an Jazz-Szene entwickelt hat, ist großartig. Und wer würde ihm da widersprechen wollen? Eng verbunden ist diese Geschichte mit Josef Ametsbichler, der Anfang der 70er Jahre gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Saxofonisten Günther Klatt und dem Drummer Andreas Krieger begonnen hat, die "Musik in Grafing zu revolutionieren", wie Ametsbichler selbst es einmal formuliert hat. Später stieß dann noch der Schlagzeuger Frank Haschler dazu. Was sich seither auf den Bühnen in Grafing und Umgebung an großen Namen des Jazz tummelt, was aber auch an Nachwuchsarbeit unter anderem von Ametsbichler selbst - als Gitarrenlehrer und Bandleader - in der Region geleistet wurde, ist tatsächlich einmalig. Seit 2011 ist auch der Fotograf Hermann Will gewissermaßen Teil der Szene. Seine Fotos und diverse Erinnerungsstücke - Instrumente, Platten, Bilder und Zeitungsausschnitte - dokumentieren nun in einer Ausstellung im Grafinger Stadtmuseum 45 Jahre lokale Jazzgeschichte.

Vor ein paar Tagen war es, da lag der Jazz-Geiger Mic Oechsner noch in Hermann Wills Wohnzimmer auf dem Boden. Oechsner ist, darf man den hymnischen Kommentaren von Jazz-Kritikern glauben, der Zigeunerjazzgeiger unserer Zeit und würdiger Nachfolger von Stephane Grappelli. Er ist einer von jenen, die Hermann auf Fotopapier gebannt hat. Das Porträt in seinem Wohnzimmer großformatig und schwarz-weiß - ein Dummy für die Grafinger Ausstellung. Am Nachmittag desselben Tages sollten Oechsner und die anderen ausgesuchten Fotos in Druck gehen. Will ist nicht nur Fotograf, sondern auch Journalist und Herausgeber des Fotomagazins "Fine-Art-Printer" - als dessen Chef er es sich zum Ziel gesetzt hat, mit dem Druck das Bestmögliche aus jedem Foto herauszuholen. Kaum verwunderlich also, dass Wills Auftrittsstudien von Jazzgrößen wie Billy Hart, Karl Ratzer oder Ron Carter, aber auch von Lokalmatadoren wie Martin Zenker, Haschler und natürlich Ametsbichler nicht nur den Musiker zeigen, sondern von ihm erzählen - und von dem, was er auf der Bühne tut. Inzwischen sind die Aufnahmen im Stadtmuseum bereit fürs Publikum, 25 sind es, alle im großen Format 50 mal 70 gerahmt. Sie erzählen von den Schwingungen, in welche ein Stick die High-Hats eines Schlagzeugs, das Zupfen die Saiten eines Kontrabasses versetzt, oder von der Anstrengung, die sich in den Schweißperlen auf dem Gesicht eines Drummers kristallisiert.

Genau hinschauen, das ist für Hermann Will eine Selbstverständlichkeit - und er nimmt sich Zeit dafür. Schließlich ist er nicht nur begeisterter Fotograf, sondern auch leidenschaftlicher Jazzfan. So leidenschaftlich, dass Musik bei ihm eigentlich nur noch dann eine Chance hat, wenn sie sich ständig neu erfindet. Das ist es, was ihn fasziniert, die Unmittelbarkeit - jene der unmittelbaren Begegnung zwischen Musiker und Musik, aber auch jene zwischen dem Fotografen und den Jazzern. "Diese Authentizität, dass man an die Leute herankommt auf ein Bild, das finde ich toll." So jemand wie Ron Carter fotografieren zu können, der auf 2600 CDs vertreten und damit der am meisten aufgenommene Bassist der Jazzgeschichte ist, das sei einfach in keinem anderen Bereich der Musik möglich, erklärt Will. "Versuchen Sie mal an Sting heranzukommen als No-Name. Keine Chance!"

Eine Verbindung zwischen seinen beiden Leidenschaften, dem Jazz und der Fotografie, suchte der in Würzburg aufgewachsene Will schon als junger Mann. Eine berufliche Karriere aber ließ sich darauf nicht aufbauen. Er volontierte bei der Mainpost und wurde Journalist. 2011, inzwischen selbst als Herausgeber tätig, ergab sich für ihn eine neue Gelegenheit, als er Haschler kennenlernte und gebeten wurde, bei einem Konzert im Grafinger Kastenwirt Fotos zu machen. Was zunächst so gar nicht funktionieren sollte. "Da war schlicht kein Licht." Zum nächsten Konzert dann brachte Will seine eigene Beleuchtung mit "und die Musiker waren alles andere als begeistert", erzählt er. "Zu hell. Das blendet, ich kann meine Noten nicht mehr lesen", waren die Kommentare, die Hermann Will von den Herren an ihren Instrumenten zu hören bekam. Will lacht, wenn er sich daran erinnert. Inzwischen haben sich die Musiker, zumindest die aus der Gegend, längst an ihn gewöhnt, und die anderen bemerken ihn kaum, wenn er mit seiner Kamera unauffällig auf den einen Moment wartet. Etwa jenen, als der junge Fritz Moshammer mit seiner Trompete plötzlich im Turm der Stadthalle auftauchte und sich so souverän in das Jammen der spielenden Musiker einklinkte, dass die aus dem Staunen kaum heraus kamen. Oder jenen Augenblick mit dem italienischen Trompeter Enrico Rava bei EBE Jazz 2017 im Alten Speicher, der Hermann Will heute noch zum Schwärmen bringt. "Wenn diese Leute auf der Bühne sind, dann ist das etwas Besonderes. Wie viele 77-Jährige abseits der Musik gibt es denn, die so eine Würde ausstrahlen?"

Hermann Will
Ausstellung 45 Jahre Jazz in Grafing

Hier zeigt der Fotograf ein Foto von Jesse Davis, das auch in der Ausstellung zu sehen sein wird.

(Foto: Hermann Will/oh)

Bei aller Leidenschaft, die Will in seine Fotos steckt, geht es ihm nicht darum, Kunst zu machen. Vielmehr wolle er werben für den Jazz. Als er 2015 für jemanden einsprang, der eine Videodokumentation über das Festival hätte machen sollen, gelang ihm eine tolle Aufnahme des Saxofonisten Chris Potter. 55 mal sei das Foto geteilt worden auf Facebook, erzählt Will, mehr als 7000 Personen hätten es gesehen. "Gibt es eine bessere Werbung?"

Ausstellung "45 Jahre lokale Jazzgeschichte" im Museum der Stadt Grafing, Vernissage am Donnerstag, 10. Oktober, um 19.30 Uhr.

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