Süddeutsche Zeitung

Ihr Werk soll noch präsenter werden:Kunstvolle Geschenke

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16 Skulpturen der bedeutenden Bildhauerin Louise Stomps gehen in den Besitz der Stadt Wasserburg über

Von Anja Blum, Wasserburg

Sonja Fehler, Leiterin des Wasserburger Museums, spricht im schnellen, geschliffenen Duktus der Wissenschaftlerin, die sie ist. Doch ganz am Ende entfährt ihr doch eine zutiefst menschliche Regung: "Wir sind total glücklich", sagt sie. Kein Wunder, denn die Stadt am Inn ist wirklich zu beglückwünschen: Ihr wurden nun 16 Skulpturen von Louise Stomps geschenkt, von deren Erben.

Louise Stomps, geboren 1900 in Berlin, gestorben 1988 in Wasserburg, gehört zu den bedeutenden Bildhauerinnen der klassischen Moderne in Deutschland. Ihre Arbeiten wurden früh von renommierten Galerien gefördert und finden sich heute in diversen großen Museen. In den vergangenen Jahren wurde ihr Werk zudem in zahlreichen Ausstellungen wieder aufgegriffen. Nach anfänglicher Orientierung an der Kunst der klassischen Moderne löste sich Louise Stomps Schaffen langsam, aber kontinuierlich von seinem figurativen Ursprung, wo der menschliche Körper im Mittelpunkt stand. Doch selbst die meisten späteren, abstrakten Arbeiten lassen diesen noch deutlich durchscheinen. "Vielen Wasserburgern ist die aus Berlin stammende Künstlerin auch durch ihre eindrucksvolle Persönlichkeit noch gut in Erinnerung", sagt Fehler. Seit 1960 lebte und arbeitete sie in einer alten Mühle bei Rechtmehring.

Die 16 Skulpturen haben sich bereits vorher in Wasserburg befunden, vor allem in der dortigen Bibliothek, aber auch in einer Wohnanlage, im Büro des Bürgermeisters oder auf dem Skulpturenweg am Inndamm - allerdings nur in Form von Leihgaben. Nun befinden sie sich ganz offiziell im Besitz der Stadt. "Die Erben sind auf Kommunen und Museen zugegangen, weil sie möchten, dass das künstlerische Erbe von Luise Stomps sicher untergebracht ist und gut verwaltet wird", erklärt Museumschefin Fehler. Denn nun, da die Werke der Stadt gehörten, könne man damit ganz anders arbeiten als bisher. "Erst jetzt können wir sie wissenschaftlich inventarisieren, also ihren Zustand erfassen, sie vermessen, fotografieren, und den Kontext ihrer Entstehung erforschen." Denn das alles sei wichtig, um "in den deutschen Leihverkehr einzusteigen", erklärt Fehler, sprich: um mit anderen Institutionen in Kontakt zu treten und gemeinsam an Ausstellungen mit Stomps Werken zu arbeiten. Nur so nämlich könne das Oeuvre der Bildhauerin noch präsenter werden in Deutschland.

Laut Fehler gehört Louise Stomps zu jenen Bildhauerinnen des 20. Jahrhunderts, die derzeit kunsthistorisch wiederentdeckt werden. Ihre Bedeutung sei nicht zu unterschätzen, da sie bereits in der Frühzeit ihres Schaffens von bedeutenden Galerien, die zu den Wegbereitern des deutschen Expressionismus gehörten, gefördert worden sei, etwa von den die Galerien Gerd Rosen (Berlin), Nierendorf (Berlin) oder Hanna Bekker vom Rath (Frankfurt). Heute befinden sich Stomps Werke unter anderem in öffentlichen Sammlungen wie der Nationalgalerie Berlin, der Berlinischen Galerie und in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung in der Pinakothek der Moderne in München. "In den vergangenen Jahren wurde ihr Werk erneut deutschlandweit in zahlreichen Ausstellungen aufgegriffen, die ihre Bedeutung für die Kunst der Klassischen Moderne und die weibliche Position in der Bildhauerei belegen", so die Museumsleiterin.

Louise Stomps modellierte und zeichnete bereits seit ihrer Jugend. Nach den Geburten zweier Töchter folgte früh die Scheidung. Erst danach, 1928, begann ihre eigentliche künstlerische Laufbahn mit dem Besuch der Abendklasse von Professor Johannes Roettger an der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin. Zur gleichen Zeit besuchte sie auch die Bildhauerklasse des Vereins der Berliner Künstlerinnen unter Milly Steger. Dennoch war Louise Stomps eine Künstlerin, die sich überwiegend autodidaktisch ausbildete. Zu Beginn entstanden Skulpturen in Holz und Gips, von 1933 an auch zahlreichere Arbeiten in Stein. In diesen Jahren schuf sie auch die ersten Porträtplastiken.

Die Zeit des Nationalsozialismus verbrachte die Bildhauerin und Grafikerin in der inneren Migration und arbeitete un-ter schwierigsten Bedingungen in ihrem Atelier weiter. In Folge eines Bombenangriffs 1943 wurde fast ihr gesamtes Werk zerstört. Nach dem Krieg nahm Stomps rasch wieder an Ausstellungen teil. 1950 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin, sie trug die Mitgliedsnummer drei. Ein Jahr später erhielt sie den Kunstpreis der Stadt Berlin.

Nachdem die Stadt aber durch die deutsche Teilung und ihre Insellage zunehmend isoliert und von der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst abgeschnitten war, übersiedelte Louise Stomps 1960 ins ländliche Oberbayern, in die Kumpfmühle bei Rechtmehring, die sie zum Wohnsitz und Atelier umbaute. Hier widmete sie sich zunehmend dem Material Holz und entwickelte immer stärker abstrahierte Arbeiten. "In der Arbeit mit Holz erschlossen sich ihr ganz eigene Möglichkeiten, der Natur zu folgen, indem sie Wuchs und Maserung nicht als Einschränkung, sondern als Anregung aufnahm", erklärt Fehler.

Der Umzug nach Bayern habe Louise Stomps auch ausgedehnte Fahrten mit ihrem geliebten Motorrad ermöglicht, erzählt die Museumsleiterin, gelegentlich sogar bis nach Italien, das sie für sein reiches kulturelles Erbe sehr geschätzt habe. Bis ins hohe Alter fuhr Louise Stomps ihr schweres Motorrad, am 22. April 1988 verunglückte sie damit tödlich. Sie wurde auf dem Friedhof Zehlendorf in Berlin neben ihrem Bruder, dem Verleger und Schriftsteller Victor Otto Stomps, und ihren Eltern beigesetzt.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2019
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