Idee aus Vaterstetten:"Spendiermass" für Corona-gebeutelte Schausteller

Parsdorf, KULTUR Goldschmied macht 'Spendiermaß' Anton Kölbl Parsdorf

Jede einzelne "Spendiermass" wird von Anton Kölbl handgefertigt.

(Foto: Privat)

Der Parsdorfer Goldschmied Anton Kölbl hat die "Spendiermass" erfunden: einen hübschen Trachtenanstecker, dessen Verkauf den bayerischen Schaustellern zugute kommt.

Von Anja Blum, Vaterstetten

Na, auch schon mal jemandem ein Bier ausgegeben? Höchstwahrscheinlich schon. Die "Spendiermass" jedenfalls klingt, als entstamme sie direkt der bayerischen DNA, so, als hätte es sie schon immer gegeben. Doch das Wort ist eine Neuschöpfung - und zwar nicht die eines geschäftstüchtigen Wirts, sondern eines Goldschmieds. Anton Kölbl hat die Spendiermass erfunden und stellt sie auch selbst her, in seiner kleinen, aber feinen Werkstatt unterm Dach eines Wohnhauses in Parsdorf. Die Miniaturkrüge aus Silber oder Bronze zum Anstecken sind ein Zeichen der Solidarität: Sie kommen den bayerischen Schaustellern zugute, die extrem unter der Pandemie leiden. "Keine Wiesn, keine Volksfeste, keine Christkindlmärkte: Seit Corona schaut es für diese Branche echt schlecht aus. Die müssen fast ohne Einnahmen auskommen und stehen oftmals mit dem Rücken zur Wand", sagt Kölbl. Und wie überall treffe es vor allem die Kleinen, die Familienbetriebe.

Zwei Aspekte waren es, die nun zu der außergewöhnlichen Spendenaktion geführt haben: Erstens ist Anton Kölbl, wie er erzählt, "schon seit klein auf in der Lederhosn auf Volksfesten und natürlich auf der Wiesn unterwegs". Und zweitens hatte er bereits während seiner Lehrzeit in Rosenheim als Goldschmied einen kleinen Masskrug hergestellt und zuvor am Rechner designt. "Mir ging es damals um ein anspruchsvolles CAD-Modell, und so ein Krug hat viele spannende Formen", erklärt der 31-Jährige. Die Löcher, die geschwungenen Linien, der Übergang vom Henkel zum Glas. Also stellte sich Kölbl eine Mass neben sich - und legte los. Seitdem lag der Prototyp des Schmuckstücks in der Schublade und harrte seiner Verwendung. Und als Kölbl dann von der Misere der Schausteller hörte, war die Idee der Spendiermass geboren.

Hilfe für Schausteller - 'Spendiermaß'

Der Anstecker als Zeichen der Solidarität kann am Hut, an der Weste oder am Dirndl getragen werden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Am Hut, an der Weste oder am Dirndl getragen, soll der Miniaturkrug Solidarität ausdrücken "mit allen, die unsere Volksfeste bunt und unterhaltsam gestalten". Von der Schießbude über den Mandelstand bis zum Karussell: Die Menschen hinter den Volksfestattraktionen hingen komplett in der Luft, sagt Kölbl. Doch es sei gar nicht so einfach gewesen, den richtigen Adressaten für die Spenden zu finden: "Im Münchner Rathaus konnte man mir leider nicht weiterhelfen, also musste ich ganz schön recherchieren", erzählt der 31-Jährige. Mit Erfolg: Er stieß auf die Historische Gesellschaft Bayerischer Schausteller, die sich "die Aufarbeitung der Geschichte, sowie die Bewahrung und Förderung von historischem Kulturgut aller Art des Deutschen Schaustellergewerbes" zum Ziel gesetzt hat und laut Kölbl auch sozial tätig ist. "So kommt das Geld wirklich dort an, wo es am meisten gebraucht wird - zum Beispiel wurde kürzlich die Stromrechnung einer Familie bezahlt, die sonst wohl im Dunkeln gesessen wäre."

Idee aus Vaterstetten: Der Gusskanal muss abgesägt werden, später geht es in die Poliertrommel.

Der Gusskanal muss abgesägt werden, später geht es in die Poliertrommel.

(Foto: Christian Endt)

Eine Spendiermass in Bronze kostet 35 Euro, eine in Sterlingsilber 45. Der komplette Gewinn, laut Kölbl etwa 30 Prozent, kommt den Schaustellern zugute. Der Käufer spendiert ihnen also in etwa eine Mass. Rund 500 Stück wurden bislang verkauft, auch dank vieler Unterstützer in der Region. Ein Radiosender berichtete, die Brauerei Schweiger organisierte eine Verlosung, zwei Wirte machen Werbung mit eigens kreierten Bierfuizln. "Mein Ziel waren 10 000 Euro, das wäre mit etwa 650 Stück erreicht - und ist vermutlich unausweichlich", sagt Kölbl und grinst. Ginge es nach ihm, darf die Spendiermass aber gerne weiter ein Verkaufsschlager sein.

Hilfe für Schausteller - 'Spendiermaß'

Anton Kölbl hat ein Faible fürs Brauchtum.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dabei kann sich der Parsdorfer "nur auf'd Nacht" diesem Projekt widmen, tagsüber arbeitet er als Goldschmied in München, außerdem möchte er die freie Zeit möglichst mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn verbringen. Doch wenn der im Bett ist, geht der 31-Jährige in sein Atelier unterm Dach, wo allerhand Werkzeuge und Maschinen auf ihn warten. Modernes wie ein Laser- oder ein Ultraschallgerät, Zartes wie ganz kleine Bohrer oder Feilen, aber auch eine übliche Werkbank mit allem Drum und Dran. Den hohen Tisch für die Goldschmiedearbeiten hat der Papa, ein Zimmerer, gebaut. Sein Handwerk sei ihm "Hobby und Berufung", sagt Kölbl, er habe schon mit 13 Jahren, nach einer Woche Praktikum gewusst, dass er Goldschmied werden wolle. Vermutlich ist es dieses tiefe Angekommensein, das dem jungen Mann eine so zugewandte, fröhliche Ausstrahlung verleiht.

Die Arbeit daheim beschränkte sich zunächst auf "kleinere Geschichten für Tanten und Omas, mal ein Ketterl reparieren und so". Doch dann baute Kölbl sich selbst ein Trachtenmesser - das im Bekanntenkreis so gut ankam, dass er ein Gewerbe anmeldete. Bereits seit 2017 gibt es das "Atelier Kölbl", in dem der Parsdorfer vor allem wunderschöne Hirschfänger aus Damaszenerstahl und Edelhölzern herstellt.

Und nun kam eben die Spendiermass dazu. Gegossen werden die Anstecker nach Kölbls Urmodell bei einer externen Firma, "denn das geht viel schneller". Doch auch nach dem Gießen hat Kölbl noch jede Menge zu tun, er fertigt jede einzelne Spendiermass von Hand. Zunächst wird der Gusskanal abgesägt, diese Stelle verfeilt und die gesamte Oberfläche mit Schmirgelpapier bearbeitet. Danach geht's für mehrere Stunden in die Poliertrommel, in der die Masskrüge von Eisenkugeln auf Hochglanz gebracht werden. Danach lötet Kölbl den Stift für die Befestigung an, beizt und patiniert, bis die kleinen Krüge in ihrer antiken Anmutung perfekt zur Tracht passen. Besonders geschätzt werde die Spendiermass übrigens, erzählt der Goldschmied, weil sie nicht flach ist wie viele andere Anstecker, sondern dreidimensional. Mittlerweile gibt es sogar eine etwas größere, komplett runde Version fürs Schariwari.

Doch allein mit dem Handwerk ist das Spendenprojekt noch lange nicht abgeschlossen: Die Spendiermass wird von Kölbl in den sozialen Medien beworben, über einen Online-Shop vertrieben und dem Käufer in einem schönen Etui per Post zugeschickt. "Was da für buchhalterischer Aufwand dahinter steckt, habe ich total unterschätzt", sagt Kölbl, deswegen sei er sehr froh über die Unterstützung seiner Frau, einer Expertin auf diesem Gebiet.

Letztendlich ist die Spendiermass für den Goldschmied auch ein Testlauf: "Ich wollte sehen, wie viele Menschen ich erreichen kann." Denn in seinem Skizzenbuch befänden sich noch sehr viele Ideen, die er gerne verwirklichen würde.

Anton Kölbl und seine Spendiermass sind zu finden unter www.spendiermass.de

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