Veranstaltung in Poing:"Querdenker" verharmlosen Holocaust

Veranstaltung in Poing: Noch immer versammeln sich in Poing regelmäßig Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren - und dabei ein ums andere Mal über die Strenge schlagen.

Noch immer versammeln sich in Poing regelmäßig Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren - und dabei ein ums andere Mal über die Strenge schlagen.

(Foto: Christian Endt)

Zuletzt war es ruhig geworden um die Poinger "Querdenker", weg waren sie jedoch nie. Nun fallen sie mit neuen Vergleichen aus der NS-Zeit auf.

Von Franziska Langhammer, Poing

Fast könnte man es für einen misslungenen Auftritt bei einem Casting halten: Ziemlich schief klingt die Gesangseinlage eines Teilnehmers bei einer Veranstaltung der sogenannten "Querdenker" in Poing am vergangenen Donnerstag, die mit der Textzeile "Impfen macht frei" endet. Beobachtet und in einem sozialen Netzwerk gepostet wurde diese Szene von einem Mitarbeiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (Rias), versehen mit dem Hashtag "Geschichtsrevisionismus".

Die Textzeile ist angelehnt an die Phrase "Arbeit macht frei", die über den Toreingängen vieler NS-Konzentrationslager angebracht war. Schon seit Beginn der Corona-Pandemie fallen Gegner der staatlichen Maßnahmen immer wieder damit auf, Vergleiche zur NS-Zeit zu ziehen und somit den Holocaust zu verharmlosen. "Das Zitat ist aus gesellschaftlicher Sicht sehr bedenklich", sagt Florian Rieder von der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Ebersberg. Geschichtsrevisionistische und antisemitische Äußerungen seien bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen bayernweit massiv verbreitet. "NS-Verbrechen werden mit der jetzigen Situation gleichgesetzt und verharmlost, die Holocaust-Opfer instrumentalisiert", so Rieder. Diese Schuldumkehr sei als sehr problematisch anzusehen.

Die Poinger Polizei spricht von freier Meinungsäußerung

Dass die Textzeile "Impfen macht frei" jedoch keinen Straftatbestand erfülle, heißt es von der Polizei in Poing, die auch bei der Veranstaltung am Marktplatz bei der S-Bahn-Unterführung Poing zugegen war. Diese Äußerung falle noch unter das Recht auf freie Meinungsäußerung - "da haben wir eine recht hohe Einschreitschwelle." Wenn jedoch festgestellt würde, dass ein Politiker öffentlich beleidigt würde oder etwa Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zur Schau getragen würden, müsse man eingreifen und auch Anzeige erstatten.

Dies sei besonders in der Zeit der strikten Corona-Maßnahmen immer wieder nötig gewesen, so ein Polizeibeamter. So habe beispielsweise vor anderthalb Jahren ein Teilnehmer der Versammlung den Hitlergruß gezeigt, auch wurden Auflagen wie das Tragen von Masken nicht eingehalten. "Da wurden Teilnehmer auch schon mal in Gewahrsam genommen", so der Polizist. Normalerweise reiche es jedoch, den Gewahrsam anzudrohen, und die Teilnehmer würden sich den Regularien fügen.

Zu ihrer Hochphase kamen bis zu 100 Menschen zu ähnlichen Kundgebungen in Poing zusammen, momentan sind es etwa 15 bis 20 Leute, die sich jeden Donnerstagabend treffen, um ihren Unmut über die Regierung kundzutun. Gemeldet sind die Veranstaltungen unter dem Thema "Wahrheit, Frieden, Freiheit und freie Impfentscheidung für alle", organisiert werden sie von einer Privatperson. "Während der extremen politischen Maßnahmen in der Corona-Pandemie sind auch viele Menschen dazu gekommen, die wütend waren und eine gewisse Solidarität mit den anderen Teilnehmern zeigen wollten", heißt es seitens der Polizei. Damals habe man auch Unterstützung von der Bereitschaftspolizei angefordert, bis zu zwanzig Beamte beobachteten das Geschehen. Heute ist jeden Donnerstag eine uniformierte Streife vor Ort.

Zur SZ-Startseite

Wochen der Toleranz
:"Antisemitismus war nie weg"

Hakenkreuz-Schmierereien, Verharmlosung des Holocaust: Im Landkreis Ebersberg kommt es immer öfter zu antisemitischen Vorfällen. Wichtig sei, dass Betroffenen beigestanden wird und antisemitische Anfeindungen nicht unwidersprochen bleiben, sagt Annette Seidel-Arpacı von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: