Hohenlinden:Unbekannter vergiftet Garten eines Rentner-Ehepaares

Hohenlinden - Pflanzenschändung

Theo und Sylvia Wientjes aus Hohenlinden lieben ihren Garten. Doch ein Unbekannter hat es auf ihre Pflanzen abgesehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Seit zehn Jahren vergiftet ein Unbekannter regelmäßig die Pflanzen des Ehepaares Wientjes im Landkreis Ebersberg.
  • Den Sachschaden in dieser Zeit beziffern die Wientjes auf insgesamt 30 000 Euro.

Von Korbinian Eisenberger

Die Buchshecke ist sauber getrimmt, die Zirben wirken wie gestriegelt. Hinter der Hecke beginnt das Reich des Ehepaar Wientjes, ein Paradies aus Fuchsien, Tomatenstauden, Rosen und Johannisbeer-Sträuchern. Fast wäre dieses Paradies perfekt, gäbe es da nicht diesen Schönheitsfehler: Das satte Grün der Hecke ist verblasst, die Blätter haben stellenweise einen hellen Braunton angenommen. Sie sind tot, genauso wie der Nussbaum neben der Garage, von dem nur noch ein Stumpf übrig ist. Jemand schleicht hier des Nachts herum, hackt Bäume um und sprüht Gift. Anders können sich Sylvia und Theo Wientjes das alles nicht erklären.

Sylvia Wientjes, 72, Fleecepulli, Gartenschuhe, sitzt in ihrem Wohnzimmer, vor ihr das Fenster mit Blick in den Garten, hinter ihr ein Bildschirm, auf dem ein Livebild der Einfahrt flimmert. Rund um das Haus haben die Wientjes neun Kameras installiert, die fast jeden Winkel des Grundstücks erfassen. "Der Täter kommt aber immer nur nachts", sagt Sylvia Wientjes. "Und er will immer nur zu uns."

Sie zeigt ein Video von der Überwachungskamera, das war im Sommer, als der Unbekannte das letzte Mal zugeschlagen hat. Auf dem Kurzfilm sind die Beine einer Person zu sehen, die mit einem Kanister durchs Bild huscht. In den Tagen nach der Videoaufnahme, sagt Wientjes, da sei die halbe Hecke abgestorben.

Sylvia Wientjes legt einen Ordner auf den Tisch. Über zehn Jahre hat sie jede Tat dokumentiert, mit Foto und Datum und Schadenssumme: Vergiftete Hecken, Koniferen, Gurken, umgesägte Bäume, Vögel, die an vergifteten Johannisbeeren verendeten. Den Sachschaden in dieser Zeit beziffern die Wientjes auf insgesamt 30 000 Euro. Die Polizei Ebersberg bestätigt zwischen 2007 und 2015 vier Anzeigen, zuletzt legten das Paar der Polizei seinen Film vor. Sie vermuten, dass es sich bei der leicht hinkenden Gestalt, die etwa zwei Sekunden zu sehen ist, um einen der Nachbarn handelt. "Das haben wir auch der Polizei erklärt", sagt Sylvia Wientjes. Doch auch hier stellte die Staatsanwaltschaft vor kurzem die Ermittlungen ein.

In Fällen wie diesen tut sich die Polizei meist schwer, das zeigen andere Beispiele. Im Lehel ist die Münchner Polizei seit August auf der Suche nach einem Täter, der Bäume mit Salz bestreut und dadurch verwelken lässt - aber sonst so gut wie keine Spuren hinterlässt. Im Internet beschäftigen sich ganze Foren mit der Frage, wie man sich gegen Nachbarn wehren soll, die man der Pflanzenvernichtung verdächtigt. Eine der am häufigsten genannten Ursachen ist Glyphosat, ein Gift, das alles Grüne welken lässt. Ähnliche Symptome weisen die Pflanzen der Wientjes auf.

"Wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen", sagt Sylvia Wientjes. Klar, es sind nur Pflanzen, und ja, es gibt schlimmere Schicksalsschläge. Sylvia und Theo Wientjes haben vor vier Jahren ihre einzige Tochter verloren, Krebs - da waren die Pflanzen erst einmal nicht mehr so wichtig. Jetzt, wo das Bild der Tochter an der Wand hängt, blühen draußen wieder die Blumen. Ja, sagt Theo Wientjes, "der Garten ist ein wichtiger Teil in unserem Leben".

Hohenlinden - Pflanzenschändung

Hecke, Nussbaum und vieles mehr hat ein Unbekannter im Garten der Familie Wientjes bereits zerstört.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Spurensuche nach dem Pflanzenvergifter und seinen Motiven führt ins Dorf. Birkach im nördlichen Landkreis Ebersberg liegt zwischen Feldern und Wiesen, durch den Ort führt ein Straßerl, wo ab und zu ein Bulldog um die Ecke biegt. Hinter den Hecken stutzen die Einheimischen ihre Büsche oder rupfen Unkraut. Birkach scheint also ein ganz normales Dorf in Oberbayern zu sein, mit hübschen Gärten und Kuhweiden - aber auch mit Neid und seinen Kleinkriegen.

Ist jemand neidisch auf das Grundstück der Wientjes?

Die Wientjes leben seit 19 Jahren in diesem Dorf, wenn man sich vom Gartenzaun aus sieht, dann wird gegrüßt, und seit 2011 sind beide auch beim Gartenbauverein dabei. Sylvia Wientjes organisiert dort mittlerweile Garten-Wettbewerbe, ihr Mann fachsimpelt bei den Vereinstreffen mit anderen Hobbygärtnern. "Mit den meisten im Ort sind wir per Du", sagt Sylvia Wientjes. Und dennoch ist nach all der Zeit noch immer dieses Gefühl da: "Einen richtig engen Kontakt kriegt man nicht zu den Leuten", sagt sie.

Die meisten, die hier wohnen, haben das Grundstück von ihren Vätern geerbt oder an ihre Kinder verpachtet. Die Wientjes sind hingegen eine Ausnahme, sie haben das Grundstück von einem benachbarten Bauern gekauft. Und vielleicht liegt genau darin das Problem: Sylvia Wientjes erinnert sich daran, dass ein Verwandter des Bauern Interesse am Grundstück hatte, den Zuschlag bekamen aber sie.

In der Nachbarschaft wollen die wenigsten über den Garten der Wientjes sprechen. Viele der Menschen, die hier Unkraut jäten oder ihr Auto in der Garage waschen, glauben zu wissen, um wen es hier geht, und auch um was. Doch sprechen will niemand so recht, hier, wo jeder jeden kennt und gefühlt mit jedem zweiten verwandt ist. Bauer Herbert Meier, der den Grund 1998 an die Wientjes verkauft hat, ist nur über Zuruf vom Balkon aus zu sprechen. Ob das stimmt, dass sein Verwandter auch Interesse an dem Grund hatte? Meier kann sich nicht erinnern. Die Wientjes haben ihre Hecke noch, mittlerweile haben sie sich zudem eine zwei Meter hohe Wand aus Brettern um den Garten gebaut.

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