Süddeutsche Zeitung

Hohe Auszeichnung:Grafings bunter Hund

Er ist der Maler schlechthin in der Bärenstadt: Michael Hirschläger erhält vom Münchner Landesinnungsverband den Goldenen Meisterbrief - die höchste Auszeichnung für Handwerker

Von Thorsten Rienth, Grafing

Als Michael Hirschläger das erste Mal die Leiter hält, ist er im Grundschulalter. "Der Vater hatte doch überhaupt kein Geld für irgendein Gerüst." Also steht der Sohnemann unten und hält fest. Als es im Jahr 1967 aufs Ende der Volksschule zugeht, ist für den mittlerweile 14-Jährigen klar: Er will auch Maler werden. 43 Jahre später ist Hirschläger die Grafinger Personifikation desselben - und hält neuerdings die höchste Auszeichnung des Münchner Landesinnungsverbands in den Händen, den Goldenen Meisterbrief.

Frühestens 35 Jahre nach der Meisterprüfung kann er laut Innungsverband verliehen werden. Dazu, natürlich, ist allerlei an exzellenter Arbeit die Grundvoraussetzung. Die Ehrenurkunde aus der Landeshauptstadt hängt jetzt an der Wand links neben Hirschlägers Wohnzimmertisch. Dort, wo auch all die anderen Auszeichnungen und Urkunden ihren Platz haben. Zum Beispiel jene von der Feuerwehr, die er in Grafing jahrelang kommandierte. Oder die für die Arbeit im Stadtrat, dem er drei Wahlperioden angehörte.

Gegenüber steht eine filigrane Weihnachtskrippe. Weiter hinten im Wohnzimmer ein paar Segelschiff-Modelle. Beide Objekte gehören zur Marke Eigenbau. "Mit den Händen was zu machen, was zu schaffen, das dann lange bleibt, das beschränkt sich bei mir nicht nur aufs Malen", sagt er. "Diese Art der Arbeit ist für mich sowas wie eine Selbstverwirklichung."

Am Anfang aber war das ganz und gar nicht so, erinnert Hirschläger sich ans Grafing der 1960er Jahre zurück. "Ich hab' keine Ahnung warum", erzählt er, "aber am Anfang kam mir das Malerhandwerk als beinahe minderwertig vor." Vielleicht, weil die Volksschule für die Ausbildung genügte. Vielleicht, weil andere anstatt in Richtung Berufsschule zum Gymnasium fuhren.

Doch je länger der Junior im Malergeschäft ist, desto seltener werden solche Gedanken. "Ich hab' irgendwann gemerkt: Wenn du dein Handwerk beherrschst, wenn du ehrliche und anständige Arbeit ablieferst, wenn du nicht jammerst, weil ein Arbeitstag auch mal 14 Stunden haben kann, dann wirst du ein gutes Auskommen haben." Kannst das Haus ausbauen. Kannst neue Leute einstellen. Kannst auch mal Großprojekte übernehmen, ganz ohne Sub-sub-subunternehmer.

Zum Beispiel die Restauration der Gnadenkapelle in der Mariahilfkirche in München. Hauptsache mit Augenmaß. "Gerade beim Vergolden gilt doch: Weniger ist mehr." Zugunsten der Feinheiten aufs Pompöse verzichten. Es im Sinne der Patina lieber beim Alten belassen, anstatt vorschnell was Neues drüber zu malen. Wenn die neue Farbe einfach nicht zur alten passt? "Dann hilft eine Handvoll Straßenstaub." Und bitte kein Verkünsteln des Verkünstelns willen. "Wenn irgendwo ein Hakenkreuz übermalt werden muss, dann darfst du nicht lange Fragen stellen. Dann muss es schnell gehen."

Während Hirschläger so dasitzt und das alles erzählt, singt Slade-Sänger Noddy Holder "I'm far, far away/With my head up in the clouds/And I'm far, far away/With my feet down in the crowds". Irgendwie passt das: Bei der Arbeit oben auf der Leiter. Privat unten bei den Normalos. Bei den Feuerwehrlern, den Stammtischlern, den Bauausschusslern.

Im Stadtrat fiel Hirschläger all die Jahre als durchaus streitbarer Mitdiskutant auf. Als das Gremium einmal über ein Alkoholverbot für unter 18-Jährige auf dem Volksfest debattierte, da sauste die Hirschläger-Faust auf den Tisch. Rumms. Was der Schmarrn denn bitteschön solle? Dann könne er ja nicht einmal mehr mit seinem Lehrling auf eine Maß aufs Volksfest gehen! Als es bei Hirschlägers Tochter Sabrina um die Berufswahl ging, zitierte der Vater den Großvater. "Wenn du willst, dann kannst du das machen", sagte er. "Aber du musst nicht." Die Sabrina wollte. Mittlerweile führt sie den Betrieb. Ein bisschen mischt Vater Michael aber weiterhin mit. "Auf 450-Euro-Basis." Und wenn es nur die Farben sind.

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Quelle:
SZ vom 15.01.2021
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