Hofreiter:"Scholz ist beim Klima so konservativ, dass es dir die Schuhe auszieht"

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Die Grünen im Kreis Ebersberg stimmen sich auf den Wahlkampf-Endspurt ein. Anton Hofreiter kommt und schießt gegen die Konkurrenz.

Von Andreas Junkmann, Vaterstetten

Fast könnte man meinen, die Grünen im Landkreis hätten den bisherigen Bundestagswahlkampf nicht ernst genug genommen. Zumindest haben sie kurz vor Schluss noch Unmengen an Werbematerial übrig. Und so waren die Biertische in der Reitsberger Halle bedeckt mit Flyern, Prospekten, Stickern von Baerbock und Habeck sowie kleinen Tütchen mit wahlweise Sonnenblumen- oder Blühwiesensamen. Dass die Ökopartei in Ebersberg dennoch dem Urnengang am 26. September entgegenfiebert, zeigt sich allerdings dadurch, dass sie als einzige einen echten Polit-Promi in die Region geholt hat. Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, sollte Direktkandidat Christoph Lochmüller auf den letzten Metern des Wahlkampfs nochmals Rückenwind geben, und so hieß es am Dienstagabend: Hofreiter am Reitsberger Hof.

Direkt auf der anderen Straßenseite hatte sich jüngst die CSU mit Kandidat Andreas Lenz im Baldhamer Fußballstadion auf den Endspurt eingestimmt, bei den Grünen nun wirkte die Atmosphäre etwas familiärer - was womöglich auch an der überschaubaren Anzahl an Zuschauern lag. Etwa 40 Interessierte hatten es sich an den Biertischen gemütlich gemacht, um die Reden vorne auf dem Podium zu verfolgen. Und so bekamen die Anwesenden unter anderem Einblicke in das Gefühlsleben von Waltraud Gruber, Sprecherin der Grünen-Kreistagsfraktion. Angespannt und aufgeregt sei sie, letzteres im doppelten Wortsinne: Der Wahlkampf an sich mit Aussicht auf ein starkes Ergebnis sei aufregend; aufregen müsse sie sich hingegen über die vielen Angriffe auf ihre Partei. "Das ist furchtbar. Weil den anderen die Zuversicht fehlt, müssen sie sich an uns abarbeiten", sagte Gruber.

Mangelnde Zuversicht musste sich Kandidat Christoph Lochmüller an diesem Abend tatsächlich nicht unterstellen lassen. "Wir Grüne können richtig was auf die Beine stellen, vom Ortsverband bis zum Bund", sagte der 54-jährige Unternehmer, der auf die fortschreitende Klimakrise verwies: "Unser Planet brennt", so Lochmüller. Man müsse nun möglichst schnell die nötigen Schritte angehen, ansonsten drohten erneut vier Jahre mit verpassten Chancen und ungebremster Erderwärmung.

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Welche Schritte das sein könnten, umriss schließlich Anton Hofreiter. Der 51-jährige Bundestagsabgeordnete nannte als Beispiel die Modernisierung der Bahn. Früher habe es geheißen, man sei pünktlich wie die Eisenbahn. Für so einen Spruch werde man heute ausgelacht, so Hofreiter. Es brauche daher wieder einen besseren Takt, die Inbetriebnahme stillgelegter Strecken und einen vernünftigen Lärmschutz, auch an Bestandsstrecken. In Sachen Individualverkehr warb er für den Elektromotor, der nicht so viel Primärenergie wie andere alternative Antriebsformen benötige. "Wer aus erneuerbarer Energie synthetische Kraftstoffe herstellen will, der muss sich auch hinstellen und sagen, wir brauchen achtmal so viele Windräder", sagte er mit Blick auf Union und FDP, die eben dieses als zweite Säule des künftigen Energiesystems sehen. Dennoch, so Hofreiter, brauche es alle Technologien, um den Klimawandel zu stoppen.

Von diesem sei unmittelbar das Wohl der Gesellschaft abhängig. "Unser Planet hat schon ganz andere Dinge überstanden. Wer wirklich in Gefahr ist, sind wir", so der Bundespolitiker, der aber bereits grundlegende Veränderungen festgestellt hat. "Die Autohersteller sind vielleicht noch nicht so weit wie wir wollen, aber sie sind unendlich viel weiter als die Bundesregierung", sagte Hofreiter mit Blick auf Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der keinen Lobbyisten für seine Entscheidungen brauche, "der macht das freiwillig so".

Wie eine künftige Regierung dagegen aussehen könnte, darüber hat Hofreiter bereits recht konkrete Vorstellungen, wie er auf Nachfrage aus dem Publikum erklärte. "Noch kämpfen wir um grün-rot", sagte er über ein Bündnis mit der SPD unter Führung der Grünen. Sollte das nicht klappen, würde man sich auch als Juniorpartner mit den Sozialdemokraten zusammenschließen, wenngleich ein Kanzler Olaf Scholz offenbar nicht Hofreiters erste Wahl wäre. "Der ist bei der Klimapolitik so konservativ, dass es dir die Schuhe auszieht", sagte der Fraktionsvorsitzende, der auch die Tür für eine Koalition mit der FDP offen ließ. Oberstes Ziel sei es, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Das sei mit den Grünen nicht verhandelbar. "Wir sind aber bereit, über den Weg intensiv zu diskutieren", so Hofreiter. Die Linke als möglichen Alternativpartner erwähnte er dagegen mit keinem Wort.

Stattdessen gab es noch ein Lob für seine Parteifreunde im Landkreis, die eine der treibenden Kräfte bei den Windrädern im Forst gewesen seien. "Ich möchte mich bedanken, dass ihr den Bürgerentscheid gewonnen habt." Das Ebersberger Beispiel verwende er seither überall in der Republik, denn es habe sich eindrucksvoll gezeigt: "Es kann klappen, wenn man sich richtig reinhängt."

© SZ vom 16.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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